Schnupper-Welle ist am verebben (Ausgabe 2010-26)

Beat Eichenberger, Chefredaktor «TRAVEL MANAGER», zur Cruise-Szene
Die Cruise-Profis sind derzeit gefordert: Noch selten gab es derart viele neue Kreuzfahrtschiffe zu besichtigen wie in diesem Jahr. Denn das Ritual hat sich inzwischen eingebürgert: Bevor die fast ausschliesslich in Europa gebauten Cruiseliner in ihre exotischen Reviere verschwinden, laden die Reedereien die europäischen Partner zu kurzen Schnupper-Fahrten ein. Smart, denn so lässt sich ohne grossen Aufwand ein erster Eindruck gewinnen. 

Nachdem bereits im letzten Jahr zehn Neubauten in Dienst genommen wurden, kommen heuer bis Ende Jahr insgesamt 13 neue Schiffe zur Auslieferung – Rekord! Das neuste Highlight heisst Norwegian Epic – gegen 70 Schweizer Reiseprofis haben kürzlich das neue Freestyle-Flaggschiff getestet. Der neue Gigaliner zählt zwar zu den grössten je erbauten Kreuzfahrtschiffen, doch die Welt der Seereisen definiert die Epic nicht grundsätzlich neu. Mit klugen Innovationen gelingt es NCL aber beeindruckend, das Produkt Schiffsreisen weiter zu verfeinern und noch vielfältiger zu gestalten. 

Wobei die Entwicklungsphase nicht  immer gradlinig verlief: Ursprünglich sah das Projekt F3 drei Einheiten vor; NCL reduzierte diese Bestellung schliesslich in harten Verhandlungen mit der STX-Werft in St. Nazaire/F auf einen Neubau. Und in den Wochen vor der Auslieferung brach auf dem fast fertig erstellten Schiff auf der Werft dreimal ein Feuer aus, das aber nie grössere Schäden verursachte – Brandstiftung wird nicht ausgeschlossen. 

Noch ist der diesjährige Reigen der Schiffsneubauten nicht abgeschlossen: Mit Spannung erwartet wird etwa die Nieuw Amsterdam von HAL, die Queen Elizabeth von Cunard oder die Allure of the Seas, das Schwesterschiff der Oasis of the Seas. Doch ab nächstem Jahr zeigt die Kurve dann abwärts: Die Finanzkrise, während der sich die Reedereien mit Neuinvestitionen zurückhielten, wirkt sich ab 2011 aus: Im kommenden Jahr sind acht neue Liner angekündigt, 2012 noch deren sechs und 2013 und 2014 stehen derzeit gerade mal je zwei Neubauten in den Auftragsbüchern der grossen Werften. 

Doch das Cruise-Geschäft ist längst wieder am Brummen: Die Finanzierung von neuen Schiffen dürfte wieder einfacher sein als vor ein, zwei Jahren. Man darf deshalb davon ausgehen, dass Schweizer Cruise-Profis auch in Zukunft einiges zu schnuppern haben werden.