Schwaiger: «Ein Wachstumsstopp ist mittelfristig nicht abzusehen» (Ausgabe 2010-26)

Paul Schwaiger, CEO der türkischen Sun Express, im Interview mit TRAVEL INSIDE.
Herr Schwaiger, zwischen Charter-, Linien- oder Ferienflieger, wo positioniert sich Sun Express?

Unser Kernauftrag ist nach wie vor die Ferienfliegerei, dafür sind wir gegründet worden und da hat die Sun Express auch eine sehr wichtige Rolle gespielt, zuerst in Antalya, später in Izmir und seit Kurzem in Istanbul. Um die Nebensaison im Winter besser ausfüllen zu können, haben wir Inlandflüge und internationale Linienflüge dazugenommen, weil diese natürlich weniger saisonanfällig sind.

Sun Express wurde gegründet, um den Tourismus in die Türkei zu fördern, heute profitiert die Fluggesellschaft vom Wachstum des Türkei-Tourismus. Ist eine solch enge Bindung an eine Feriendestination nicht sehr risikobehaftet?

Richtig, man freut sich mit der Destination, leidet aber auch mit ihren Schwächen. Und der türkische Tourismus kennt ja sehr wohl Krisen. Die erste war 1991, während des ersten Irak-Krieges. Da war monatelang kein einziger Tourist in Antalya zu sehen. In den darauffolgenden Jahren gab es immer mal wieder Krisen, so dass bei uns die Faustregel «alle zwei Jahre eine Krise» galt. Doch hat die Türkei gelernt, damit umzugehen, und in den jüngeren Jahren wurden die negativen tourismusbezogenen Auswirkungen schneller überwunden als noch vor 20 Jahren. 

Nutzen Sie neben dem Linienverkehr noch andere Möglichkeiten, um die mit dem Tourismusgeschäft einhergehenden Risiken abzufedern?

Andere Möglichkeiten wären zum Beispiel, im Winter Flugzeuge im Wetlease einer anderen Gesellschaft zu überlassen. Das haben wir schon gemacht, es ist aber nicht Hauptbestandteil unseres Geschäftsmodells, denn es wäre zu weit weg von unserem Tourismus-auftrag. 

Wir setzten uns dafür ein, die Wintersaison zu fördern. In Antalya zum Beispiel ist das mit Golf, Fussball etc. gelungen. Vor 20 Jahren war Antalya im Winter touristenfrei, heute haben wir zumindest so viel Geschäft, dass wir einen guten Teil der Flotte auslasten können.

2009 verbuchten Sie ein Passagierwachstum von 33 Prozent, in den ersten fünf Monaten des Jahres 2010 wiederum ein Plus von 21 Prozent. Wie lange kann Sun Express in diesem Masse weiterwachsen?

Das ist abhängig vom Tourismuswachstum und dem Wachstum des türkischen Inlandluftverkehrs. Beide weisen derzeit zweistellige Wachstumsraten auf, dementsprechend können wir mitwachsen. Denn unser Ziel ist es, mindestens mit dem Markt zu wachsen. Das ist aber auch wieder davon abhängig, wie viele andere Gesellschaften wie viele Flugzeuge in den Markt stellen. Da sehen wir teilweise Überkapazitäten. Darum müssen wir Jahr für Jahr evaluieren, ob unser Tempo ausreicht oder ob wir mehr machen müssen.

Schweizer Ferienfluggesellschaften stellen eine klare Tendenz zum Einzelplatzverkauf fest. Ist das auch bei Sun Express der Fall?

Ein Grund, warum wir im Jahr 2001 Linienflüge aufgenommen haben, war, dass sich das Veranstaltermodell stark verändert und die Veranstalter nicht mehr willens oder nicht mehr imstande sind, so hohe Aus-lastungsgarantien zu übernehmen. Deswegen ist auch bei uns der Anteil der Voll-charter-Verträge rückläufig. Das stärkere Wachstum ver-zeichnen wir beim Einzelplatzverkauf, während wir den Anteil des Veranstaltergeschäfts etwa auf konstantem Niveau halten.

Heute haben wir im deutschen Markt eine Aufteilung von etwa zwei Drittel Veranstalter, ein Drittel Einzelplatz.

Wie ist die Situation in der Schweiz?

Bei der Pauschalreisedestination Antalya sind etwa 80 Prozent Veranstaltergeschäft und 20 Prozent Einzelplatz. Bei Izmir ist es umgekehrt: etwa 30 Prozent Veranstaltergeschäft und der Rest Einzelplatz. Bei Istanbul dürfte das Veranstaltergeschäft noch 20 Prozent oder weniger ausmachen.

Sara Marty