Tourismus könnte sich schnell erholen (Ausgabe 2011-03)

Stefan Jäggi zu den Ausschreitungen in Tunesien

Ein Ausnahmezustand in einem Ferienland stellt die Tour Operators vor grosse Herausforderungen. Das Abwägen der zu treffenden Massnahmen ist heikel: Reagiert man zu stark, vertreibt man potenzielle Kunden; reagiert man zu schwach, setzt man seine Kunden grossen Risiken aus. Im Fall Tunesien hat das Zusammenspiel zwischen dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten, dem Schweizerischen Reisebüro-Verband und den Veranstaltern gut funktioniert. Die Situation vor Ort war nicht unter Kontrolle, also hat man die Kunden heimgeholt. Die Entwicklung der Lage ist noch ungewiss, also lässt man keine neuen Kunden fliegen.

Dieses Abwarten ist vernünftig, hat auf die Entwicklung der Buchungszahlen für Tunesien aber natürlich Auswirkungen. Da der Zeitpunkt der Unruhen nicht in der Hochsaison liegt, haben viele Veranstalter nur wenige Kunden im Land, wodurch sich das Krisenmanagement der TOs vereinfachte. Auf der anderen Seite fallen die Unruhen mitten in die Buchungszeit für das Sommergeschäft 2011. Für grosse Veranstalter mit einer breiten Produktpalette fällt dies nicht schwer ins Gewicht: Die Kunden haben wegen der Ereignisse nicht generell die Lust am Reisen verloren, sondern entscheiden sich einfach für eine andere Destination. Viel schwerer wiegt der Zeitpunkt für die Spezialisten und natürlich für den tunesischen Tourismus selbst. Der Tunesien-Spezialist Xenotours rechnet damit, dass die Buchungen für Mai und Juni völlig ausbleiben werden. Danach hofft man auf eine rasche Besserung.

Diese könnte tatsächlich eintreten. Erstens haben die Spezialisten einen hohen Anteil Stammkunden, die mit den Gegebenheiten des Landes vertraut sind. Diese Kunden springen nicht einfach zu einer anderen Destination ab, sondern warten noch ein wenig zu und buchen ihre Tunesien-Reise, sobald sich die Lage stabilisiert hat. Zweitens kann das Image Tunesiens zumindest mittelfristig rasch steigen, wenn die neue Regierung tatsächlich neue Massstäbe in der Demokratie des Landes setzen kann. Und drittens vergessen die Leute schnell – der lapidare Spruch «es kann heutzutage ja überall etwas passieren» ist in vielen Köpfen verankert. Wenn man dazu noch bedenkt, dass die Touristenhochburg Djerba gar nie direkt von den Unruhen betroffen war und sich die negativen Medienberichte meist um Tunis drehten, könnte es durchaus sein, dass der Tourismus von Tunesien mit einem blauen Auge davonkommt.