Seit Dezember 2009 hat die EU-Verordnung zu den Rechten und Pflichten der Fahrgäste im Schienenverkehr auch in der Schweiz Gültigkeit. Diese Verordnung beinhaltet unter anderem Richtlinien zu den Rückerstattungen der Bahn im Falle von Verspätungen.
«Von Januar bis Oktober 2010 hat der Kundendienst der SBB im internationalen Personenverkehr 17800 Anträge für Rückerstattungen bearbeitet», so SBB-Sprecher Roman Marti. In Hinsicht auf die heftigen Schneefälle im Dezember kann davon ausgegangen werden, dass die Zahl der Rückforderungen für das ganze Jahr deutlich über 20000 zu liegen kommt. «Gemäss den Bestimmungen des internationalen Eisenbahnverbandes UIC zählen Verspätungen wegen Schnee und Eis grundsätzlich als höhere Gewalt und sind daher nicht entschädigungspflichtig. Der Kundendienst der SBB muss daher die Entschädigungsfrage mithilfe der jeweiligen Partnerbahn für jedes Dossier abklären.»
Die SBB gehen momentan davon aus, dass sich die Entschädigungszahlungen im internationalen Personenverkehr für 2010 auf einen höheren sechsstelligen Betrag belaufen werden. Noch offen sei jedoch, welchen Anteil dieser Summe die ausländischen Partnerbahnen der SBB übernehmen werden.
Durch die starken Schneefälle im Dezember war der Betrieb an einigen der grössten europäischen Flughäfen stark beeinträchtigt. Das bescherte den europäischen Bahnen zwar mehr Passagiere, doch die Schneeverhältnisse setzten auch ihnen zu. «Wenn die Fliegerei wegen Schneefällen beeinträchtigt ist, wird auch die Bahn in Mitleidenschaft gezogen», erklärt Peter Muff, Geschäftsführer der Bahnallianz Railteam. Die steigende Nachfrage kann bei extremen Winterverhältnissen nicht durch die Menge an zusätzlichem Rollmaterial abgefedert werden, da die Züge wegen des Eiswurfs mit gedrosselter Geschwindigkeit unterwegs sind.
Diesen Umstand spürte auch TGV Lyria. Die Verspätungen im Dezember sind laut Direktor Alain Barbey vor allem durch die tiefere Geschwindigkeit auf einigen französischen Streckenabschnitten zustande gekommen. Dadurch, dass anstatt 300km/h nur noch mit einer Geschwindigkeit von 220 bis 230km/h gefahren wurde, konnte der Taktfahrplan nicht eingehalten werden, wodurch letztlich weniger Züge eingesetzt werden konnten. Barbey geht davon aus, dass es rund drei Monate dauern wird, bis alleine die wetterbedingten Rückerstattungskosten von Dezember beziffert werden können.
Simon Benz
EU-Verordnung regelt Rückforderungen
Gemäss der EU-Verordnung zu den Rechten und Pflichten der Fahrgäste im Schienenverkehr werden 50 Prozent des Fahrpreises rückerstattet, wenn eine grenzüberschreitende Fahrt mehr als 120 Minuten verspätet ist; 25 Prozent werden bei Verspätungen von über 60 Minuten erstattet. Bei TGV Lyria wird bereits ab einer Verzögerung von 30 Minuten ein Drittel des Fahrpreises rückvergütet.
BNZ