«Wir haben die Fähigkeit, Markt-Ritzen zu entdecken» (Ausgabe 2015-13)

Über die Strategie der neuen Schweizer Charterairline und die Leistungen der letzten Monate.

Das Chartergeschäft gilt heute eher als rückläufiger Geschäftszweig. Wie wollen Sie diesen Markt neu beleben?

Wir haben eine simple Strategie. Germania hat innert 35 Jahren die Fähigkeit entwickelt, Markt-Ritzen – ich sage bewusst nicht Nischen – zu sehen, Partner zu finden und vernetzt auszubauen. Weil wir von Germania Deutschland jederzeit Flugzeuge ableasen und vorhandene Dienstleistungen einkaufen können, sind wir fähig, flexibel zu reagieren. Wir müssen das teure Element Flight Operation nicht erst mühevoll aufbauen, es existiert schon. Sogar das Flugzeug können wir im eigenen Haus umrüsten und schick machen.

Wie lange brauchen Sie, um das Innenleben einer A319 umzubauen?

48 bis 72 Stunden.

Sie haben von der Entdeckung einer «Marktritze» gesprochen, die Sie veranlasst hat, die Germania Flug AG zu gründen. Wie sah diese Ritze aus?

Da war der Schweizer Markt, wo die Menschen immer noch bereit sind, vernünftige Preise zu bezahlen, starke Partner, die unser Angebot gebraucht haben (Hotelplan und Air Prishtina), und ein Bedarf nach einer serviceorientierten Marke mit einem entsprechenden Aussenauftritt. 

Im Falle Holidayjet, der für Hotelplan fliegt, ist dieser Aussenauftritt sehr schweizerisch. Wie wichtig ist das Schweizerkreuz auf der Heckflosse?

Viele Firmen setzen auf das Schweizerkreuz, es schafft Identifikation, die in der Schweiz seit Kleinkindalter in jedem verankert ist. Ich bin Deutsch-Italiener, aber in der Schweiz aufgewachsen. Die Schweizer Flagge ist etwas, worauf ich stolz bin.

Sie wollen aber die Germania Flug als Marke aufbauen. Deren Farbe ist Grün, ebenso wie die Lackierung Ihrer zweiten A319, die für Air Prishtina fliegt. Geht die Doppelmarkenstrategie auf?

Das ist keine Doppelmarkenstrategie. Sobald der Kunde die Marketingwelt verlässt und das Flugzeug betritt, ist er wieder bei Germania. Von innen sehen die beiden Flugzeuge identisch aus. 

Aussen Schweiz, innen Germania. Irritiert das nicht? 

Wenn man mehrmals eine Marke benutzt hat und von ihrer Qualität überzeugt ist, spielt die Kombination innen/aussen nicht mehr so eine Rolle. Wenn der rote Flieger mal in der Wartung ist, kommt der grüne zum Einsatz. Entscheidend ist, dass wir die Passagiere professionell von A nach B bringen. Das tun wir. 

Ist Ihr Team bereits komplett?

Ja. 21 Piloten, 33 Flugbegleiter und 20 weitere Mitarbeitende. Nach den Querelen bei Hello und Belair war es kein Problem, Leute zu finden. Allerdings ist unser Assessment hart. Um 33 Leute zu bekommen, muss ich mir 100 anschauen. 

Von der Gründung bis zur Erteilung des AOC (Air Operator Certificate) hat es 213 Tage gedauert. Rekordzeit. 

Bei der Übergabe des AOC sind uns nach rund 50000 Stunden Arbeit mehrere Tonnen Last von den Schultern gefallen. Hauptsächlich haben wir das unserem CEO Tobias Somandin zu verdanken. Er ist sowohl als Aviatiker als auch als Betriebswirtschaftler eine Koryphäe. Er ist einer der genialsten Leute, mit denen ich je zusammenarbeiten durfte. 

Das hört sich selbstbewusst an. Was sind Ihre nächsten Ziele? 

Wir wollen das, was wir jetzt auf die Beine gestellt haben, auch durchziehen. Wir sind gekommen, um zu bleiben.     

SG