Hin und wieder erscheint im TI ein Bericht über ein Reiseunternehmen, welches nicht über eine Kundengeldabsicherung verfügt. Der Aufschrei ist dann jeweils gross wie könne es sein, dass ein Branchenfachblatt über «Verbrecher» schreibt? Warum wird nicht ausschliesslich über «seriöse» Reisebüros berichtet?
Die Antwort ist einfach: Weil Reisebüros, welche ohne Kundengeldabsicherung operieren, eine Realität im Markt sind. Und weil das Pauschalreisegesetz dermassen löchrig ist, dass sich diese hierüber noch nicht mal Gedanken machen müssen. Das hat Öffentlichkeits-Relevanz. Man könnte überdies infrage stellen, ob das Fehlen einer Kundengeldabsicherung einen direkten Zusammenhang mit der Seriosität eines Unternehmens hat, aber das ist ein anderes Thema. Wichtig ist, dass die Diskussion über Kundengelder und das Pauschalreisegesetz generell stattfindet.
Auch der SRV ist in dieser Sache aktiv und versucht, in Bern zu lobbyieren. Die Antwort des Bundesrats auf eine Interpellation taxierte der SRV zu Recht als «nicht zufriedenstellend». Eine Strafnorm gibt es nicht das Parlament habe dies so gewollt und für die Durchsetzung des Gesetzes seien Konsumenten selber verantwortlich, oder allenfalls klagende Mitbewerber. Ersteres ist damit geregelt, dass ein Kunde jederzeit von einer Reise, die ein nicht versichertes Büro angeboten hat, zurücktreten kann. Zweiteres eröffnet Möglichkeiten aber soll sich die Branche wirklich mit einer Klageflut selber zerfleischen?
Heute ist fast jeder ein Veranstalter. Reisebüros agieren fast ausnahmslos auch als Mikro-TOs, aber auch Gruppen/Vereine organisieren heute Reisen auf eigene Faust. Meist ohne Kundengeldabsicherung, was sehr riskant ist (Haftpflicht!). Vielleicht sollte die Revision des Pauschalreisegesetzes tatsächlich eine Lizenz fürs Verkaufen von Reisen ins Auge fassen. Das wäre von der Umsetzung her extrem schwierig, ist aber wohl der einzige Weg, um den Reisevertrieb hinsichtlich Kundengeldabsicherung wirklich kontrollieren zu können.
Jean-Claude Reamy