Wo bleiben bloss die Frauen?

Markus Conzelmann, GM des Radisson Blu Luzern und «Women in Leadership»-Ambassador über moderne Karrieremodelle.
Frauen

Wirft man einen Blick in die Abteilungsleiterkurse der Business School der Carlson Rezidor Hotel Group von Zentral- und Südeuropa, sind 60 bis 70% der Teilnehmenden weiblich. Doch wenn es um Bewerbungen für General-Manager-Stellen oder darüber geht, melden sich fast nur Männer. «Wenn wir aus diesem Pool auswählen, wissen wir also nicht, ob wir wirklich die Besten bekommen», berichtet Markus Conzelmann, General Manager des Radisson Blu Hotel in Luzern und Ambassador des «Women in Leadership»-Programms Zentral- und Südeuropa der Hotelgruppe. Das sei bei einem Unternehmen von 40000 Mitarbeitern durchaus gefährlich.
Derzeit gibt es bei Rezidor 16% Frauen auf der oberen Führungsebene. Das angestrebte Ziel sind 30%. «Durchmischte Führungsebenen performen bis zu 34% besser», weiss Botschafter Conzelmann. Das gelte nicht nur fürs Geschlecht, sondern auch für Nationalitäten, Hautfarben, Weltanschauungen. «Mischen heisst jedoch auch integrieren», betont der General Manager. Eine Quotenfrau bringe da überhaupt nichts. Erst wenn sie einen Anteil von einem Drittel habe, werde eine Minderheit auch gehört, weiss der Experte. «Wenn von neun Leuten drei Frauen sind, kommen auch Themen wie Familie oder Kinderbetreuung auf den Tisch.»

Zu wenig Selbstvertrauen
Doch woran liegt es, dass von den gut ausgebildeten Frauen kaum eine oben ankommt? «Bei genauerem Nachfragen ist die Antwort eindeutig fehlendes Selbstvertrauen», so die Erfahrung des Ambassadors. Ist eine Stelle ausgeschrieben, bewirbt sich ein Mann bereits, wenn er 50% der Anforderungen erfüllt. Eine Frau meldet sich erst bei 90 oder gar 100% Übereinstimmung. Mitarbeiter einzustellen, die nur die Hälfte der Kriterien erfüllen, nur weil sich die allenfalls besser geeigneten einfach nicht trauen, das könne sich ein Grosskonzern einfach nicht leisten, erklärt Conzelmann. Diese nicht gerade zufriedenstellende Situation hat die Führungskräfte von Carlson Rezidor dazu gebracht, umzudenken und Strukturen zu schaffen, die den Frauenanteil steigen lassen könnten. Dazu gehören:

• Teilzeitmodelle
• Jobsharing-Lösungen
• Homeoffice
• Standardisierte Checklisten für
Babypausen
• Individuelle Personal-Entwicklungspläne
• Talentmanagement per internetbasiertem
HR-Programm
• Talentmeldepflicht für GMs
• Offensive Gesprächsangebote für
karrierewillige Mitarbeiter

«Auch Männer wollen heute bei ihren Familien sein und vielleicht mal 80% arbeiten», berichtet Conzelmann. In seinem Team gibt es darum sogar Eltern, die beide Teilzeit in seinem Hotel arbeiten und sich abwechselnd um den Nachwuchs zu Hause kümmern. Wolle man qualifiziertes Personal nicht verlieren, müsse man solche Modelle heute anbieten, betont der GM. «Kinder werden heute später geboren, dann haben die Mitarbeitenden beruflich bereits etwas erreicht», sagt Conzelmann. Diese seien teils Profis, die man nicht so einfach ersetzen könne. Auch Führungskräfte arbeiten im Radisson Blu Hotel Luzern darum oft Teilzeit. Dies hat laut Conzelmann viel mehr Vor- als Nachteile:

• Die anderen Mitarbeiter in den Abteilungen übernehmen mehr Verantwortung und der Job wird für sie interessanter.
• Es wird eine Stellvertretung aufgebaut, die man für ein allenfalls nötiges Nachrutschen dann bereits zur Verfügung hat.
• Der Mitarbeitende arbeitet z.B. 60% im Hotel, bekommt aber 70% Lohn.

«Der Wille muss von beiden Seiten kommen»

Der letzte Punkt sei durchaus kein Almosen. Wer im Kader ist, müsse neben seinem Teilzeitpensum erreichbar sein, bereit sein, E-Mails zu checken oder mal einen Vertrag am Telefon zu verhandeln. «Wahrscheinlich arbeitet die- oder derjenige dann eher 80%, aber er hat eine Kaderposition und einen Kaderlohn», gibt Conzelmann zu. Viel zu viele Mütter gingen nach der Babypause, die in der Schweiz um einiges weniger familienfreundlich sei als anderswo, irgendwo zwei Tage die Woche als Sekretärin arbeiten. Das sei keine gute Alternative.

Nicht aus den Augen verlieren
Auch in Sachen Mobilität müsse man langfristig planen. Will ein Mitarbeiter heute nicht als GM ins Ausland, sei er vielleicht in einem Jahr soweit. «Den müssen Sie auf der Liste behalten.» So positiv und wohltätig sich das Ganze nun anhört: Für Conzelmann steht an erster Stelle immer das Hotel, das betont er selbst ganz klar. Der Wille zum Erfolg müsse von beiden Seiten kommen. Die Familienväter und -mütter müssten sich gut organisieren und auch mal durchbeissen. «Nach einem halben Jahr Schonfrist wird aufs Baby keine Rücksicht mehr genommen», sagt Conzelmann mit einem Lächeln.

Conzelmann
Markus Conzelmann
steht für moderne
Personalplanung.