88 Prozent der Schweizer verreisen einmal im Jahr

Zwei Studien des SRV durchleuchten das Reise- und Buchungsverhalten.
(v.l.) Walter Kunz, Geschäftsführer SRV, Prof. Dr. Christian Lässer, Uni St. Gallen, Olaf Nink, CEO Allianz Partners

Overtourism beschäftigt mehr als die Klimadebatte und die Herausforderungen an die Reisebüros bleiben hoch, was die mittelfristigen Aussichten etwas trübt. So die Quintessenz der grossen Reisebüro-Umfrage 2018, die der Schweizer Reiseverband (SRV) zum 20. Mal in Zusammenarbeit mit der Universität St. Gallen bei 331 Reisebüros durchführte. Von beidem lassen sich die Schweizer aber wenig beeindrucken: Fast 90 % verreisen mindestens einmal pro Jahr, und aufs Flugzeug verzichten sie nicht, wie aus der gleichzeitig am Mittwoch vorgestellten Studie zum Buchungs- und Reiseverhalten hervorgeht, die der SRV zusammen mit dem Versicherer Allianz Partners und dem Umfrageinstitut Link zum 25. Mal durchführte. Erstmals waren auch Nachhaltigkeit und Umwelt sowie Digitale Abstinenz (Digital Detox) ein Thema darin.

Klimawandel in Reisebüros eher kein Thema, Overtourism aber ja

Laut der SRV-Umfrage kommt bei einer grossen Mehrheit der Reisebüros (66%) das Thema Klima nur bei 5% oder weniger der Buchungen zur Sprache, obwohl das Thema zurzeit in aller Munde ist. Bei lediglich 3% der Reisebüros wird in über 20% der Beratungen der Klimawandel thematisiert. Die Mehrheit der Reisebüros geht davon aus, dass dieser Anteil stagnieren oder zunehmen wird, nur 18% rechnen mit einer Abnahme.

Overtourism ist das schon eher ein Punkt, der die Leute bewegt. Bei 75% der Reisebüros ist dies ein Thema beim Kundengespräch. Ein Drittel der Reisebüros reagiert aber lediglich auf eine Thematisierung durch Kunden, wogegen ein weiteres Drittel proaktiv auf die Thematik zugeht, indem zum Beispiel alternative Reisen angeboten werden.

Reisende buchen auf Empfehlung von Freunden

Trotz Overtourism lieben die Schweizer das Reisen. Das geht aus der Allianz-Umfrage hervor. So verreisen 88% mindestens einmal pro Jahr bzw. unternehmen eine mindestens dreitägige Reise. Mit durchschnittlich 2,8 längeren Reisen gegenüber 2,6 Kurztrips bevorzugen Schweizer längere Reisen. 62% wählen ihre Reisedestination aufgrund einer persönlichen Empfehlung von Freunden und Verwandten, 50% stützen sich auf Bewertungsportale und 19% verlassen sich auf die persönliche Beratung durch Reisebüros und Veranstalter.

Bei der Wahl des Reisebüros sind bei 58% der Kunden die Beratungsqualität ausschlaggebend, bei 41% der Preis und bei 36% ein guter Ruf. 63% der Schweizer buchen auf Online-Plattformen oder Reisebüros und mit 26% rund ein Viertel offline in einem Reisebüro.

Sharing Plattformen wie Airbnb oder Couchsurfing sind mit 16% noch nicht so der Renner. Über 50% der Befragten gaben sogar an, in Zukunft nicht die Absicht zu haben, solche Plattformen zu nutzen. Für die aktiven Nutzer dieser Plattformen ist das Preis/Leistungsverhältnis und die Lage aber ausschlaggebend.

71% der Befragten bevorzugen Einzelbestandteile einer Reise, also Flüge oder Hotelübernachtungen, einzeln zu buchen, wogegen 25% eine Pauschalreise präferieren. Auto und Flugzeug werden am häufigsten für die private Reise genutzt, und in Hotels und Ferienwohnungen wird am meisten übernachtet.

Leichter Umsatzanstieg 2018

Wirtschaftlich stehen die Reise-Retailer weiterhin unter Druck. Der durchschnittliche Umsatz eines Reisebüros stieg zwar 2018 von CHF 2,89 Mio. auf 2,98 Mio., was einem Plus von 3,4% entspricht. Aufgrund leicht erodierender Beratungshonorare kamen die Bruttomargen (15%) sowie die Nettorenditen (1%) aber unter Druck. Der Bereich «Commercial» generierte mit eher margenschwachem Geschäft (Bruttorendite 10,7%) aber hoher Effizienz eine vergleichsweise hohe Nettorendite (2,2%), wogegen sich der Bereich «Leisure» eher umgekehrt verhält mit einer Bruttorendite von 15,2% und einer Nettorendite von lediglich 0,9%.

Das vergangene Geschäftsjahr könne man somit als «zufriedenstellend» erachten, so der SRV. Für die kurzfristigen Aussichten gehe man aber von kleiner werdenden Dossiers wie auch Umsätzen und Margen aus, da das bisherige Geschäftsjahr noch eher schleppend gewesen sein. Unklar sei auch noch, wie sich das Herbstgeschäft entwickeln werde. Der Margendruck sei ein starker Begleiter; Reisebüros seien einem konstant harten Wettbewerb ausgesetzt.

Reiseversicherung für Bagatellen, weniger Fliegen der Umwelt zuliebe

Laut der Allianz-Studie fokussieren sich Schweizer in punkto Reiseversicherung oft auf Bagatellen, während die Reiseveranstalter eher auf die Absicherung von wirklich existenziellen Risiken abzielen. Eine Annulierungskostendeckung gilt bei Reisenden zudem als wichtigste Reiseversicherungskomponente erachtet und über 50% verfügen über einen ganzjährigen Reiseschutz.

Zum ersten Mal wurden dieses Mal auch Fragen zu Themen wie Nachhaltigkeit und Umwelt sowie Digitale Abstinenz gestellt. Bei der Umwelt spielen die Transportmittel eine Rolle. 28% der Befragten fliegen weniger oder verzichten aufs Fliegen. Aber lediglich 4% ziehen eine Flugkompensation in Erwägung. 16% gaben an, dass sie nichts oder nur wenig tun, um nachhaltig zu reisen.

Viele Schweizer wollen zudem Ruhe in den Ferien. Mehr als 80% können sich vorstellen, in den Ferien teilweise auf Smart Devices zu verzichten. 28% könnten beispielsweise 2 bis 3 Tage aushalten – doch 15% geben an, nie darauf verzichten zu können. Zum Beispiel weil sie mit Freunden und bekannte in Kontakt bleiben möchten. (TI/MAZ)