André Lüthi: «Aktuell sind Reisen bis zu 20 Prozent teurer»

Der Globetrotter-Chef über den Zustand der Reisebranche, die Preis- und Umsatz-Aussichten für das laufende Jahr und das neue Reiseverhalten der Kunden.
André Lüthi © TI

Globetrotter-Chef André Lüthi redet der Schweizer Reisebranche ins Gewissen: «In der Schweiz jammern wir schon auf sehr hohem Niveau, wissen gar nicht, wie gut wir es haben», sagt er in einem Interview im «Blick» mit Hinweis auf völlig fehlende Corona-Hilfen für Tourismus-Unternehmen an vielen Feriendestinationen.

«Es wäre wirklich an der Zeit, dass sich die Wirtschaft in Bundesbern für die enorm grosszügigen Corona-Hilfen auch mal bedankt» so Lüthi, der als Vorstandsmitglied des Schweizer Reise-Verbands (SRV) für das Politik-Lobbying zuständig ist. «Mich ärgern die ewigen Kritiker des Bundesrats enorm. Unterm Strich hat unsere Regierung im weltweiten Vergleich einen sehr guten Job gemacht.»

Dank der äusserst grosszügigen Härtefallhilfen vom Staat und der Unterstützung durch die Kantone hätten ganz viele Reisebüros überlebt, die sonst sicher dem Untergang geweiht gewesen wären, ist Lüthi überzeugt. «Es hat in der ganzen Branche wegen Corona zwar Filialschliessungen der grossen Ketten gegeben, aber nur etwa ein halbes Dutzend Konkurse – bei rund 1300 Betrieben insgesamt.»

2020 sei der Umsatzverlust für die ganze Branche bei rund 79% gelegen, weiss Lüthi. Dies habe Millionen-Verluste beschert, alle hätten rote Zahlen geschrieben. Auch noch 2021 lag der Umsatzverlust bei 72%.

Damoklesschwert Corona

Eine sofortige Rückkehr Vor-Corona-Geschäften sieht er noch nicht. Seit die Testpflicht schrittweise in vielen Ländern aufgehoben wurde, ziehe die Nachfrage zwar wieder an. «Trotzdem werden wir in diesem Jahr vermutlich nur auf etwa 60 bis 70 Prozent des Umsatzes von 2019 kommen.»

In Asien, einem der Kernmärkte sei noch viel Zurückhaltung zu spüren und die Corona-Regeln einiger Länder erschwerten nach wie vor das Reisen. Andere Märkte wie Neuseeland und Australien hätten erst die Grenzen wieder geöffnet, «das ist für uns für dieses Jahr schon zu spät».

Und er warnt: «Sollte Corona wirklich in aller Härte zurückkommen, dann laufen wir in den Hammer!» Er sei aber zuversichtlich, «dass wir Corona überstanden haben».

Kriegsangst schreckt ab

Auch der Krieg in der Ukraine habe ganz direkte Auswirkungen. So seien die Reisen von 200 Kunden mit der Transibirischen Eisenbahn annulliert worden. «Und natürlich will auch niemand ins Baltikum reisen», so Lüthi weiter. «Und auch nach Rumänien, Tschechien oder Bulgarien will im Moment niemand reisen.»

Dazu komme, dass der Krieg einige Leute ganz allgemein vom Reisen abschrecke. «Und das nicht nur nach Osteuropa. Ein Ehepaar hat eben eine 40’000-Franken-Safari Ende Mai in Botswana abgesagt, weil die beiden Angst vor einem Weltkrieg haben, Angst davor, nicht mehr nach Hause zu kommen. Sicher ein Einzelfall – aber das ist trotzdem verrückt!», erzählt der Globetrotter-Chef.

Teurer und bewusster

Corona habe sich auch auf das Konsum- und Reiseverhalten ausgewirkt, stellt André Lüthi fest. «Viele leben – und reisen — heute gesünder, nachhaltiger und bewusster. Reisen wird vermehrt wieder als Horizonterweiterung oder Lebensschule angeschaut.»

Das schlage sich auch in den Reise-Budgets nieder. «Viele gönnen sich nun etwas. Vor Corona hatten wir viel mehr Preisdiskussionen. Jetzt akzeptieren die Kunden die Preise und schätzen den Service, die Dienstleistung und die Beratung des Reisebüros.»

Beratung habe einen Wert und koste Geld, mahnt Lühti, egal ob eine Reise CHF 1500 oder CFH 5000 kostet. «Für den Kunden wird es teurer, weil die Leistungserbringer an den Preisen schrauben, weil auch für sie alles aufgrund der gestiegenen Preise von Rohstoffen, Lieferketten etc. teurer wird. Mietwagen, Hotels, das Fliegen – im Moment ist alles bis zu 20 Prozent teurer als noch vor Corona.» (TI)