Auch wenn die Besucherzahlen jährlich steigen, ist Bosnien und Herzegowina als Reisedestination weitestgehend unbekannt. Die Kriegsereignisse der 1990er Jahre sowie die nach wie vor desolate wirtschaftliche Lage des Landes dominieren die Berichterstattung. Die einzigartige Natur und das vielfältige touristische Potenzial geraten dabei in den Hintergrund und werden auch von der heimischen Bevölkerung nicht konsequent genutzt. Das Land schlummert einen touristischen Dornröschenschlaf.
Dabei bietet Bosnien und Herzegowina auf 51197km2 ein wunderbar vielfältiges landschaftliches Spektrum. Es ist grob ein Viertel grösser als die rund zwei Flugstunden entfernte Schweiz. Das Ferienland bietet einen Facettenreichtum, der kontrastreicher kaum sein könnte. Gerade die Gegensätze auf engstem Raum machen Bosnien und Herzegowina so reizvoll.
VOM SCHNEEBEDECKTEN Hochgebirge bis zur mediterranen Adria sind es nur wenige Kilometer, fruchtbare Felder grenzen an karge Steinwüsten, im Süden befindet sich einer der letzten Urwälder Europas, und im Nordosten liegen die Ausläufer der flachen, weiten pannonischen Tiefebene. Verlassene Dörfer stehen den pulsierenden Zentren Sarajevo und Banja Luka gegenüber. Die Landstrassen werden von Pferdekutschen und hochpreisigen Geländeautos befahren. Konservative Ausprägungen von Islam und Christentum treffen auf progressive Weltanschauung.
Besonders die Natur des dünn besiedelten Landes ist einzigartig in Europa. Kriegsbedingte Deindustrialisierung, massive Auswanderung und Landflucht haben sich für die Flora und Fauna als Segen erwiesen. Verlassene Landstriche werden von einer sich selbst überlassenen Natur zurückerobert. Wildpferde und Braunbären profitieren vom wachsenden Lebensraum, Peruc´ica – einer der wenigen Urwälder Europas – bietet Forstwissenschaftlern aus aller Welt einen Einblick in das ideale, ursprüngliche Gleichgewicht eines Waldes und seiner tierischen Bewohner.
Am Fusse des höchsten Berges des Landes (Maglic´, 2387 Höhenmeter) befindet sich der 175km2 grosse Nationalpark Sutjeska, mit seinem Herz stück dem Peruc´ica-Urwald. Dank seiner Unzugänglichkeit ist dieser Wald von jeglicher menschlicher Nutzung verschont geblieben. Dem Wanderer bieten sich zauberhafte Waldbilder unberührter Natur. Entsteigt er dem dichten Wald, befindet er sich auf dem Hochplateau Prijevor auf 1700 Meter und erhält einen imposanten Blick auf den Maglic´. Der Wanderweg durch den Urwald ist Teil des Fernwanderwegenetzes «Via Dinarica », welches sich über ganz Bosnien und Herzegowina erstreckt.
DAS ZUR HÄLFTE BEWALDETE Land wird massgeblich durch seine zahlreichen Flüsse und deren Karstquellen charakterisiert. Tara, Vrbas und Neretva bieten ideale Bedingungen fürs Rafting. Die Drina besticht durch ihr smaragdgrünes Wasser und einen imposanten Canyon. Nach dem spektakulären Verlauf der Una wurde ein eigener Nationalpark benannt. Dem längsten Fluss des Landes – der Bosna – verdankt Bosnien und Herzegowina schliesslich seinen Namen.
Das Territorium des heutigen Bosnien und Herzegowina ist seit Jahrhunderten Schnittpunkt zwischen der östlichen und westlichen Welt. Orient und Okzident hinterliessen ihre Spuren in Architektur, Sprache und Kultur. Sarajevos orientalische Innenstadt Bašcˇaršija und das Habsburger Latinerviertel bieten den kompletten Setzkasten europäischer Erinnerungskultur auf engstem Raum. Weltgeschichtliche Ereignisse, wie der Ausbruch des Ersten Weltkrieges, die Olympischen Winterspiele von 1984 sowie der blutige Zerfall Jugoslawiens spielten sich in der Hauptstadt des Landes ab. Geschichtsträchtiger und kultureller Stoff genug also für einen mehrtägigen Stadtbesuch Sarajevos.
MIT ZAHLREICHEN UNTERKÜNFTEN, dem Flughafen und seiner zentralen Lage ist Sarajevo gleichzeitig auch idealer Ausgangspunkt für Ausflüge. Lukomir, das höchstgelegene traditionelle Bergdorf des Landes, die Olympiaberge Bjelašnica und Jahorina, die weitläufige karge Romanija sowie der Kurort Illidža lassen sich einfach mit Bus und Pkw erreichen. Dank der im Frühjahr 2018 wieder in Betrieb genommenen Seilbahn gelangt man in weniger als zehn Minuten von der Innenstadt aus auf Sarajevos Hausberg Trebevic´ mit seinem weitläufigen Wanderwegenetz.
Auch die alte Brücke Mostars lässt sich von Sarajevo aus in zwei Stunden Fahrzeit erreichen. Besonders empfehlenswert ist der Reiseweg mit dem Zug durch die Schlucht der Neretva, eine besonders beliebte Strecke für Eisenbahnfreunde.
BANJA LUKA – die zweitgrösste Stadt des Landes und heimliche Partymetropole – lockt besonders Reisende jüngeren Semesters. Das studentische Flair der 200 000-Einwohner-Stadt mit ihren zahlreichen Konzerten und Festivals zieht in den Sommermonaten Tausende von Besuchern an. Geheimtipp und vielleicht kostbarstes Juwel des Landes ist der Una-Nationalpark im Nordwesten des Landes mit einer Fläche von 19800ha. Die zahlreichen Stromschnellen und Wasserfälle der Una nehmen es in jeder Hinsicht mit den sich ganz in der Nähe befindlichen Plitvicer Seen in Kroatien auf – nur finden sich an der Una weniger Touristen und folglich auch weniger Kommerz. Bosnien und Herzegowina bietet die perfekte Konstellation für mehrtägige Rundreisen mit den thematischen Schwerpunkten: Natur und Abenteuer, Geschichte und Kultur. Als Ferienland verbindet es eine reizvolle Mischung ursprünglich ländlicher und urbaner Reiseziele – ideal für kleinere Gruppenreisen – mit einer Spanne vom europäischen Islam bis zum Outdoor-Sport.
Bosnien und Herzegowina ist Gastland am Swiss Travel Day (25. Oktober 2018) in der Stage One in Zürich Oerlikon.
TI