Carmen Breuss: «Österreichs Reisebüros kriegen a-fond-perdu Gelder vom Staat»

Carmen Breuss, «Madame Austria» und Leiterin des Zürcher Büros der Österreich Werbung, im TRAVEL INSIDE Interview mit Journalist Kurt Schaad.
Carmen Breuss, Österreich Werbung © Stefan Weiss

In der Schweizer Tourismuslandschaft ist sie eine prägende Figur: Carmen Breuss. Seit 23 Jahren leitet sie das Schweizer Büro der Österreich-Werbung, bringt den Schweizern Österreich als Feriendestination näher – und das ziemlich erfolgreich. Madame Austria, sozusagen.

Aufgewachsen ist sie im vorarlbergischen Feldkirch, zwei Kilometer jenseits der Schweiz, mit dem Rhein dazwischen, was immer auch spürbar gewesen sei. Und eigentlich sei das alles nicht so geplant gewesen. Nach der Matur studierte sie in Salzburg Tourismus und bewarb sich nach dem Abschluss gleich bei Österreich Werbung. Sie träumte von einer Überseedestination und landete, mangels offener Stellen, in Zürich. Aber immer noch mit dem Ziel, möglichst weit weg für Österreich zu werben. Sie studierte an der HWV berufsbegleitend Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Marketing und weil es sich gerade so ergab, konnte sie 1997 die Büroleitung in Zürich übernehmen – verantwortlich für die Schweiz, den drittwichtigsten Auslandsmarkt nach Deutschland und den Niederlanden.

Ein Leben mit Österreich, von Österreich geprägt, mit Schweizer Wohnsitz und Schweizer Mann aber ohne Schweizer Pass. Sie fühle sich wohl hier. Lebenssituation und berufliche Perspektive seien eine optimale Kombination, aber sie sei eben mit dem österreichischen Pass sehr verbunden.

Zwischenzeitlich war sie in Budapest stationiert und interimistisch, zusätzlich zur Schweiz, für 9 Länder in Ost- und Zentraleuropa verantwortlich. Zurück in Zürich ist sie jetzt auch für Deutschland zuständig. Bislang war Berlin Hauptsitz für Deutschland und die Schweiz. Normalerweise leitet man die Region vom grossen Markt aus. Offensichtlich habe sie sich in Ungarn bewährt, meint sie unaufgeregt und strahlt eine gesunde Portion Selbstvertrauen aus.

Kurt Schaad hat sich mit ihr über die Touristendestination Österreich und die herausfordernde Arbeit in Corona-Zeiten unterhalten.


Carmen Breuss, so gut wie Sie inzwischen die Schweiz und ihre Bewohner kennen, muss es für Sie ein leichtes sein, die richtigen Marketingstrategien für Ferien in Österreich zu entwickeln.

Gute Kenntnisse des Marktes, der Zielgruppe und deren Bedürfnissen, der möglichen Kanäle sind bei der Erstellung einer Marketingstrategie die Basis. Dann gilt es diese mit unserem Wissen um die Stärken der Marke «Urlaub in Österreich» zu verknüpfen und in der Kommunikation umzusetzen.

Was sind die Stärken?

Aus unserer Marktforschung wissen wir, dass Schweizer Gäste die Landschaft, Natur, Berge, Wanderwege, Wintersportmöglichkeiten, aber auch die Gastfreundschaft als Entscheidungsgründe für Österreich nennen. Weiter schätzen Schweizer in unserem Land die Familienbetriebe mit ihrer hochwertigen, regionalen Küche. Die Qualität der Hotellerie generiert viele Stammgäste. Weil die Schweizer so gut vernetzt sind untereinander, passiert sehr viel auf Empfehlung. Diese Mund zu Mund Propaganda im Bekannten- und Freundeskreis ist für uns unbezahlbar.

Der man mit einem geschickten Marketing noch nachhelfen kann.

Man kann mit gutem Marketing viel erreichen, aber langfristig muss das Produkt stimmen. Letztendlich basiert Erfolg auf einer Kombination von Produkterlebnis und Marketing.

B2B spielt keine Rolle?

Österreich zählt aufgrund der gleichen Sprache, der Nähe und des hohen Bekanntheitsgrades zu den Direktbuchermärkten. Dennoch ist B2B als Multiplikator wichtig. Wir bieten der Reisebranche verschiedene Leistungen an. Das geht von Plattformen wie unsere Einkäufermesse atb (dieses Jahr virtuell) über Webinare, Studienreisen, Content bis zu persönlicher Unterstützung. Auf unserer Webseite oder in unserem B2C-Newsletter publizieren wir für die Endkunden beispielsweise Programme unter dem Motto «Mit Schweizer Reisebüros in Ihre Traumferien».

Wo machen Sie Ferien?

Ich bin eine begeisterte Reisende. Reisen bedeutet für mich, neue Welten kennen zu lernen, zu neuen Horizonten aufzubrechen und in fremde Kulturen einzutauchen. Reisen ist Inspiration für mich. Für Erholungsferien bin ich in der Schweiz oder in Österreich bestens aufgehoben.

Reisen ist im Moment nicht gut möglich.

Das ist richtig. Umso mehr freue ich wieder auf die Zeit, in der Reisen wieder uneingeschränkt möglich sein wird. Hier geht es mir wie so vielen Menschen. Die Neugierde, Neues und Unbekanntes zu entdecken, die steckt ja in uns und wird, so hoffe ich, bald wieder gestillt werden können.

So schnell dürfte das, Stand heute, nicht geschehen.

Für die Reisebranche insgesamt ist die Corona-Pandemie eine Katastrophe. Die Krise betrifft auch unsere Arbeit massiv. Ein Beispiel sind Reisewarnungen, die uns natürlich im Marketingbereich massgeblich beeinflussen. Seit März passen wir unsere Marketingpläne und auch die Inhalte ständig neu an, stoppen und lancieren Aktivitäten. Der Sommertourismus entwickelte sich dann in vielen Gebieten, vor allem in den Berg- und Seenregionen, sehr erfreulich. Das war in Teilen des Landes ein grosser Hoffnungsschimmer. Nun steht Österreich, wie alle Staaten, vor der Herausforderung des Winters. Ich hoffe, dass die Massnahmen, die allerorts getroffen werden, helfen, die Infektionszahlen zu senken. Das wird entscheidend für den Verlauf der Wintersaison sein.

Eure gut geölte Marketingmaschine kann demzufolge nicht auf Hochtouren laufen.

Im Moment geht es vor allem darum, flexibel auf die Entwicklungen zu reagieren und das Marketing dementsprechend anzupassen, also den Mix aus Inspirations- und Informationscontent im Auge zu behalten. Wichtig ist jetzt, dass wir als verantwortungsvolle Gastgeber schnell, umfassend und transparent informieren, und zwar sowohl die Branche als auch die Gäste. Die Leute wollen immer auf dem neusten Stand sein, wollen wissen was Sache ist, auch wenn das negativ belastet ist. Das wird geschätzt, da in Zeiten der Unsicherheit Information besonders gefragt ist.

Parallel zu unseren Marktaktivitäten haben wir unter dem Motto ÖW Global unsere Kommunikation in Richtung österreichische Leistungsträger verstärkt. Wir bieten diverse Informationsplattformen und Webinare an, um die Situation auf den Herkunftsmärkten zu schildern und den direkten Austausch zu ermöglichen.

Wir sind in ständigem Austausch mit den zuständigen Ministerien und Behörden. So können Informationen schnell und zielgerichtet zu den Menschen gelangen.

In der Schweiz beklagen sich die Outgoing-Reisebüros, dass sie von Regierung und Behörden nicht oder zu wenig gehört werden. Wie ist das in Österreich?

Alle Reiseveranstalter und Reisebüros sind im Fachverband der Reisebüros in der Wirtschaftskammer Österreich organisiert. Die Wirtschaftskammer hat gemeinsam mit der Bundesregierung sehr rasch umfassende Unterstützungsmassnahmen auf den Weg gebracht. Beispielsweise wurde von Bundesregierung, dem Austria Wirtschaftsservice, dem Tourismusministerium und der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank ein Massnahmenpaket zur Unterstützung für den Tourismus geschnürt, das verschiedene Bereiche umfasst.

Unter anderem wurde unter starker Einbindung der Branchenverbände ÖRV (Österreichischer Reise-Verband) und ÖVT (Österreichischer Verein für Touristik) der sogenannte Fixkostenzuschuss vereinbart, der im Verhältnis zum Umsatzausfall berechnet wird. Insgesamt können Unternehmer einen Teil ihrer Fixkosten für insgesamt neun Monate geltend machen. Es handelt sich dabei um einen A-fond-perdu-Beitrag.

Schnell und sachlich informieren hat in Ischgl nicht richtig funktioniert. Ein richtiges Desaster für das Image des österreichischen Wintersportortes.

Die ÖW begrüsst die nun erfolgte unabhängige Aufarbeitung der vergangenen Wintersaison in Ischgl durch die Expertenkommission. Transparenz und lückenlose Aufklärung sind für uns als verantwortungsvolles Gastgeberland generell wichtig und geben uns die Möglichkeit, daraus für die Zukunft zu lernen.

Arbeitet Ihr schon an Marketing-Konzepten für die Zeit, wenn der Spuk dann einmal vorbei ist?

Ja. Kurzfristig agieren wir im Marketing «auf Sicht» und passen unsere Planung laufend an die sich ändernden Gegebenheiten an. Wir arbeiten jedoch parallel an unseren Strategien und Konzeptionen für das nächste Jahr.

Stochern im Nebel?

Bei Nebel geht es darum, das Tempo anzupassen, die Nebellampen einzuschalten und schnell zu reagieren, wenn Konturen sichtbar werden. Die Corona-Krise wird sicher Veränderungsprozesse – denken wir nur an die Digitalisierung – beschleunigen und das Bewusstsein der Menschen beeinflussen. Themen wie Entschleunigung und Raum gewinnen an Bedeutung. Es wird zu Angebots- und Produktanpassungen kommen. Wir haben realisiert, dass wir nicht alles für selbstverständlich nehmen dürfen. Wenn der Tourismus nachhaltiger wird, dann hat die Krise wenigstens zumindest etwas Gutes hervorgebracht. Aber im Moment geht es in erster Linie um das nackte Überleben der Tourismusbranche.

Wo gehen die nächsten Ferien hin?

Das steht noch in den Sternen. Im Moment liegt der Fokus auf der bestmöglichen Bewältigung dieser Krise, die niemand so vorausgesehen hat.

(Interview: Kurt Schaad)