«Cruise-Branche leistet sich Test-Chaos»

Anstatt sich zu einem kundenfreundlichen Vorgehen zusammenzuraufen, kocht jede Reederei ihr eigenes Corona-Süppli, sagt Cruise-Spezialist Beat Eichenberger.
Beat Eichenberger, Cruise-Insider TRAVEL INSIDE und Chefredaktor «cruisetip».

Die bitteren Vorkommnisse auf Kreuzfahrtschiffen zu Beginn der Corona-Pandemie stecken den Cruise-Gesellschaften offenbar noch arg in den Knochen. Anders lässt sich der aktuelle Wirrwarr um die Corona-Vorschriften bei Seereisen nicht erklären.

Ausganspunkt war Mitte Juli die Aufhebung der Covid-Einschränkungen der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC, mit denen zuvor die Pandemie-Risiken auf Kreuzfahrtschiffen in den USA reguliert wurden. Seither liegt dieses Thema in der Verantwortung der Reedereien und amerikanische Anbieter passen nun ab unterschiedlichen September-Daten ihre bisherigen Corona-Vorschriften an.

US-Amerikaner lockern Vorschriften

Bereits verschiedene Marken von Carnival Corporation (Carnival Cruise Line, Cunard, Princess Cruises, Holland America Line, Seabourn), der Royal Caribbean Group (Royal Caribbean Int., Celebrity Cruises) und von Norwegian Cruise Lines Holding (Norwegian Cruise Line, Oceania Cruises, Regent Seven Seas Cruises) haben neue Bestimmungen bekannt gegeben, ebenso Windstar. Weitere werden ohne Zweifel folgen.

Dabei geht es vor allem um die Aufhebung der Testpflicht für geimpfte Gäste, während ungeimpfte Passagiere jetzt meist auch mit einem negativen Test mitreisen können. Dazu gibt es aber eine Reihe von Ausnahmen für bestimmte Länder wie Kanada, Bermudas, Griechenland oder Australien, wo spezifische Regularien gelten. Oder da und dort für gewisse Abfahrtshäfen, den zeitlichen Impfstatus oder für die Dauer der Kreuzfahrt. So verlangen etwa HAL und Seabourn bei Reisen über 15 Tagen weiterhin sowohl Impfung wie ein Test.

Europäer geben sich strikter

Anders präsentiert sich das Bild bei den europäischen Reedereien. Hier verlangen etwa MSC und Costa derzeit weiterhin sowohl den Nachweis über eine vollständige Impfung wie auch über einen vorgängigen negativen (Antigen-)Test. Vereinzelt wird die Impfvorschrift jetzt noch verschärft, wie das Beispiel Aida zeigt: Ab 17. September werden nur noch Gäste mit drei Einzelimpfungen (Booster) als vollständig geimpft akzeptiert.

Dieser Massnahme liegt eine Anordnung des deutschen Gesundheitsministerium zu Grund, die ab dem 1. Oktober generell eine Auffrischimpfung verlangt um als vollständig geimpft zu gelten. Deshalb werden auch TUI Cruises (und wohl noch weitere Reedereien) ab diesem Datum den Booster verlangen. Aber auch die französische Ponant setzt unter gewissen Voraussetzungen auf eine dritte Impfung.

Wirrwarr schadet der Nachfrage

Kurz: Ein umfassender Überblick über die verschiedenen Bestimmungen und Ausnahmen ist derzeit kaum möglich. Zudem können diese fast wöchentlich auf Grund neuer Entwicklungen oder Regularien angepasst werden. Dieser intransparente Wirrwarr verunsichert in einem eh schon nicht einfachen Restart-Jahr nicht nur weiterhin potentielle Kunden, sondern erschwert auch die Arbeit der Reisebüros, dem unverändert wichtigsten Vertriebskanal für Kreuzfahrten.

Natürlich sind die Cruise-Reedereien gefordert, alle Corona-Risiken an Bord so gut wie möglich zu minimieren. Doch inzwischen weiss man einiges mehr über das Virus als noch vor ein, zwei Jahren, und was der Herbst und Winter allenfalls bringen wird ist eh Kaffeesatzlesen.

Diese Herausforderung ist aber für alle Reedereien identisch und kein Aspekt des Wettbewerbs. Deshalb ist es nur schwer verständlich, dass sich die Industrie zu diesem elementaren Thema nicht auf ein koordiniertes Vorgehen einigen kann. Zu was sonst ist etwa der führende Cruise-Verband CLIA gut, wenn nicht für solche übergeordneten Branchen-Ansätze?

Den Kunden und Reisebüros bleibt vorderhand nichts anderes übrig als sich bei jeder einzelnen Cruise-Planung mühsam und im Detail bei jeder einzelnen Reederei über die gerade geltenden Corona-Vorschriften zu informieren. Nicht unbedingt ideal, um die generelle Lust auf Seereisen bei den Kunden und im Vertrieb zu steigern.

Beat Eichenberger