Rätselhafte Bestellung eines Schiffneubaus

Auf der italienischen Fincantieri-Werft soll für einen ungenannten Auftraggeber ein neues «ultra-luxury» Kreuzfahrtschiff gebaut werden.
Scenic Eclipse mit Helikopterlandeplatz ©BE

Die Zahl der seit der Corona-Pandemie neu bestellten Kreuzfahrtschiffe lässt sich an einer Hand abzählen. Dazu gehört etwa der Ausbau der Explora-Flotte von vier auf sechs Einheiten oder ein neues klimaneutrales Ponant-Schiff. Schon 2021 hat die japanische NYK auf der deutschen Meyer-Werft eine Nachfolgerin für die Asuka II bestellt, und auf der kroatischen Brodosplit-Werft steht das neue Apartment-Schiff Narrative im Bau.

Eine knapp gehaltene Mitteilung der italienischen Fincantieri-Werft lässt deshalb aufhorchen: Die Bauwerft hat mit einem «internationalen Kunden» einen Vertrag für den Bau eines neuen «ultra-luxury» Kreuzfahrtschiffes unterzeichnet mit der Option für zwei weitere Einheiten.

Der Neubau, zu dem noch keine weiteren Details abgegeben werden, soll Ende 2025 zur Auslieferung kommen. Das Investitionsvolumen für die voraussichtlich drei neuen Schiffe beträgt rund EUR 1,2 Mrd. Der Vertrag ist – wie in der Industrie üblich – mit einem Vorbehalt bezüglich der Finanzierung verknüpft.

Spekulationen um den Auftraggeber

Äusserst ungewöhnlich ist, dass Fincantieri offensichtlich nicht den Namen des Auftraggebers nennen darf. Dies provoziert natürlich wild wuchernde Spekulationen. Grundsätzlich sind zwei Möglichkeiten denkbar:

Einerseits könnte dahinter eine bereits existierende Luxus-Reederei stehen, die sich schon seit einiger Zeit Gedanken zu neuer Tonnage macht und nun unter neuer Eigentümerschaft steht, wegen einer möglicherweise noch nicht definitiven Bau-Finanzierung aber im Moment nicht ins Rampenlicht gerückt werden möchte.

Denkbar wäre etwa Azamara, die seit Anfang 2021 von der Royal Caribbean Group an das Private-Equity-Unternehmen Sycamore Partners verkauft wurde und eine Flotte von vier, inzwischen über 20 Jahre alte ehemalige R-Schiffe betreibt.

Ein anderer Name könnte Crystal Cruises sein, deren zwei Hochsee-Schiffe und der Markenname nach der Genting-Insolvenz kürzlich vom internationalen Luxusreisen-Anbieter A&K Travel Group übernommen wurde und im nächsten Jahr auf den Markt zurückkehren will. Sowohl die Crystal Symphony (Baujahr 1995) wie die Crystal Serenity (Baujahr 2003)  sind nicht mehr taufrisch.

Oder ist doch etwas am Gerücht, dass Seabourn an saudische Investoren verkauft werden könnte, der Deal aber noch nicht offiziell abgeschlossen ist? Seabourn hat eben das erste von zwei luxuriösen Expeditionsschiffen in Empfang genommen, weitere Neubauten sind nicht ausgeschlossen.

Einen luxuriösen Neubau plante zudem vor wenigen Jahren die norwegische Boutique-Reederei Seadream, doch der Vertrag wurde Ende 2019 überraschend annulliert. Haben sich hier neue Möglichkeiten ergeben? Und Ponant hat 2020 zwei geplante Neubauten für Paul Gauguin storniert – hat sich hier etwas geändert?

Andererseits ist auch der Markt-Einstieg eines neuen Luxus-Anbieters denkbar, der sich aber noch nicht öffentlich dazu äussern möchte. Dies könnte auch in einer Partnerschaft mit einer Luxus-Hotelmarke geschehen, so wie es etwa The Ritz-Carlton Yacht Collection derzeit umsetzt. So kursiert etwa Four Seasons schon seit einiger Zeit als möglicher Name.

Beat Eichenberger