MSC-Chef Selke: «Unsere Schutzkonzepte bewähren sich auch mit Ungeimpften»

Heute im 2. Teil des TRAVEL INSIDE-Interviews: welche Perspektiven sieht Sebastian Selke für MSC und die Branche.
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Sebastian Selke berichtet im 2. Teil des Interviews von Cruise-Spezialist Beat Eichenberger mit TRAVEL INSIDE über das aktuelle und geplante Angebot von MSC. Weiterhin reflektiert er darüber, ob es realistisch sein wird, bis 2050 klimaneutral unterwegs zu sein.


Sebastian Selke ©MSC

Die anstehende Wintersaison hat durch die Einreise-Öffnung der USA ab 1. November plötzlich einen massiv neuen Impuls erhalten: Karibik-Kreuzfahrten ab Florida sind endlich auch wieder für Europäer buchbar.

Unsere geplanten Winter-Abfahrten ab US-Häfen waren hier stets schon buchbar, allerdings standen wir kurz davor, diese wegen der Einreiserestriktionen abzusagen. Jetzt ist das Thema natürlich vom Tisch und wir freuen uns, ab 8. November definitiv auch Schweizer und europäische Gäste begrüssen zu können. Das zeigt auf, wie volatil die gesamte Planung nach wie vor ist.


Und wie sieht das Karibik-Angebot von MSC Cruises nun konkret aus?

Die MSC Meraviglia läuft ab Miami aus und die MSC Divina ab Port Canaveral, ein neuer Ausgangshafen für uns. Die Divina wird dann auch nach Miami wechseln, dafür setzten wir unsere neuste Einheit, die MSC Seashore, ab Port Canaveral ein. Entsprechend der behördlichen Einreisevorschriften, die eine vollständige Impfung verlangen, werden wir auch nur geimpfte Gäste an Bord haben.

Eine interessante Neuerung sind diesen Winter erstmalige Turnusfahrten im Roten Meer ab Djeddah in Saudi-Arabien. Was erwartet man?

Nachdem die MSC Bellissima schon diesen Sommer für den lokalen Markt ab Djeddah eingesetzt wurde, öffnen wir dieses Produkt nun mit siebentägigen Fahrten nach zwei weiteren Häfen in Saudi-Arabien, darunter ein Besuch von Al-Ula, sowie Safaga auch für den internationalen Markt. Das ist in der Tat eine höchst spannende Pionierleistung, für die wir aber noch viel Kommunikationsarbeit leisten müssen um aufzuzeigen, was dieses aussergewöhnliche Routing alles bietet. Ich sehe aber gute Chancen für den entdeckungsfreudigen Schweizer Markt, der Routen abseits des Mainstreams liebt.

Im weiteren kreuzen diesen Winter noch zwei Schiffe im Mittelmeer. Bis wann ist der Einsatz der gesamten Flotte geplant?

Nach wie vor in der Winter-Planung vorgesehen sind zudem die Abfahrten ab den französischen Antillen und – vor allem für die lokalen Märkte – ab Brasilien, Argentinien und Südafrika. Idealerweise ist bis Ende Jahr fast die gesamte Flotte wieder im Betrieb, spätestens aber bis im nächsten Sommer.

Sie deuten es an: Nach wie vor unterliegt die Planung gewissen Unsicherheiten. Wie bilden Sie dies mit den Stornoregeln ab?

Momentan und voraussichtlich noch für einige Zeit erlauben wir Umbuchungen bis 15 Tage vor Abfahrt ohne Begründung. Bei kurzfristigeren Annullationen gelten die üblichen Bedingungen. Wenn wir als Reederei eine Abfahrt stornieren müssen, hat der Gast die Wahl zwischen einem Gutschein für eine künftige Kreuzfahrt, der mit einem Bordguthaben bis 400 Euro angereichert wird und bei dessen Einlösung das Reisebüro eine Zusatzprovision von fünf Prozent erhält. Oder er hat natürlich auch die Möglichkeit, den einbezahlten Betrag zurückzufordern.

Die Pandemie-Lage erfordert zudem weiterhin entsprechende Massnahmen. So gilt bei immer mehr Reedereien eine Impfpflicht – warum nicht bei MSC Cruises?

Wir dürfen sagen, dass sich unsere Schutzkonzepte auch mit Ungeimpften sehr gut bewähren. Zudem: Wir sind eine Familien-Reederei und möchten Familien mit Kindern, die sich noch nicht impfen können, nicht ausschliessen. Wir verlangen vor der Abreise von allen Gästen einen Test, testen zudem bei der Einschiffung und nochmals vier Tage später an Bord – alles auf Antigen-Basis. So können wir eine mögliche Inkubinationszeit von wenigen Tagen engmaschig begleiten und allenfalls sofort reagieren. Anders sieht es wie erwähnt bei den Abfahrten ab den USA aus, wo die Behörden schon bei der Einreise eine Impfung verlangen. So oder so halten wir vorläufig überall weiterhin an den bewährten Massnahmen an Bord fest, da man ja weiss, dass auch Geimpfte angesteckt werden und das Virus weitergeben können.

In gewissen Ländern wie Griechenland wären individuelle Landgänge möglich, doch MSC hält an «Bubble»-Ausflügen fest – warum?

Dies ist uns behördlich von Italien, dem Ausgangspunkt dieser Routen, vorgegeben. Und da wir sowohl Geimpfte wie Ungeimpfte an Bord haben, sind wir überzeugt, dass wir nur so eine möglichst hohe Sicherheit für sämtliche Gäste gewährleisten können. Etwas anders sieht es in der Karibik aus, wo wir ja nur geimpfte Gäste an Bord haben werden.

Der Neubau MSC Seashore verfügt über eine neuartige Safe-Air-Technologie. Werden nun alle Schiffe entsprechend umgerüstet?

Auf sämtlichen Schiffen wird permanent Frischluft zugeführt. Wie in Flugzeugen findet ein permanenter Austausch statt und die Luft wird nicht umgewälzt. Die neue Technologie mit einer UVC-Bestrahlung der Frischluft ist ein Feature, das nun auf den neuen Schiffen zum Einsatz kommt.

A propos neue Schiffe: Kommt es zu Verzögerungen bei der Auslieferung der geplanten Neubauten? Und sind die ersten Routen der neuen Marke Explora Journeys bereits buchbar?

Nein, es gibt keine wesentlichen Verzögerungen beim vorgesehenen Ausbau der Flotte: Nach der MSC Virtuosa und MSC Seashore in diesem Jahr folgt Ende nächsten Jahres unser erster LNG-Liner (Liquefied Natural Gas) einer gänzlich neuen Bauserie, die MSC World Europa, die neue Standards setzen wird. Zudem übernehmen wir die MSC Seascape, das Schwesterschiff der MSC Seshore. Und der Start unserer neuen Luxus-Marke Explora Journeys ist unverändert für 2023 geplant; die ersten Routen werden wir noch diesen Herbst kommunizieren und buchbar machen.

Ein erster LNG-Liner wird aber das Klima-Ziel von MSC Cruises, bis 2030 die CO2-Reduktion um 40 Prozent zu reduzieren, noch kaum hinkriegen.

Flüssigerdgas reduziert den CO2-Austoss um rund 20 Prozent, zudem folgen in den nächsten Jahren noch weitere LNG-Neubauten. Ebenso wichtig sind die Initiativen, die für die bestehende Flotte eine jährliche Effizienzsteigerung zwischen zwei und vier Prozent zum Ziel haben. Dabei wird der Treibstoff-Verbrauch mit verschiedenen Massnahmen wie zum Beispiel der kompletten Umrüstung der Beleuchtung auf LED reduziert. Auch bauliche Massnahmen wie etwa die Behandlung des Rumpfes mit neuartigen Lacken oder betrieblichen Massnahmen wie ein zusätzlicher Seetag oder weniger Hochgeschwindigkeitsstrecken spielen eine wichtige Rolle.

Das dürfte auch für Landstrom gelten: Sind inzwischen alle MSC-Schiffe damit ausgerüstet?

Mit Ausnahme der Schiffe der Lirica-Klasse verfügen alle unsere Einheiten über die Möglichkeit, Landstrom zu nutzen, sind entsprechend vorbereitet oder werden in Kürze umgerüstet. Noch ist dieser aber längst nicht überall verfügbar – auf Routen mit Landstrom-Häfen setzen wir selbstverständlich die Schiffe ein, die entsprechend ausgerüstet sind.

Das langfristige Ziel von MSC Cruises, bis 2050 klimaneutral unterwegs zu sein, erfordert nun aber gänzlich neue Entwicklungen.

Diese Zielsetzung hat sich fast die gesamte Industrie und Mobilität gegeben – ohne Zweifel eine gewaltige Herausforderung, in der noch sehr viel Zukunftsmusik steckt. Das ist aber gleichzeitig eine riesige Chance für innovative Unternehmen in Europa und auch der Schweiz, entsprechende neue Technologien zu entwickeln. MSC unterstützt in diesem Bereich konkret drei Forschungsansätze, die um einen Antrieb mit Wasserstoff, der Entwicklung von Brennstoffzellen und weiteren Projekten zur Effizienzsteigerung kreisen. Daran wird in der gesamten Industrie geforscht und gearbeitet – das ist nicht ausschliesslich ein Kreuzfahrt-Thema.

Ein Cruise-Thema ist jedoch die Luftverschmutzung, die bei Kreuzfahrtschiffen durch die Nutzung von Schweröl entsteht. Die IMO hat per 1. Januar 2020 eine neue Regulierung zur Reduktion der Emissionen erlassen, der nebst dem Einsatz von LNG oder Marine Gasoil bei weiterer Nutzung von Schweröl mit technischen Systemen wie Scrubber und Katalysatoren entsprochen werden kann. Sind heute alle MSC-Schiffe damit ausgerüstet?

Mit Ausnahme der Schiffe der Lirica-Klasse, bei denen dies technisch nicht möglich ist, verfügen inzwischen fast alle Schiffe über ein hybrides Abgasreinigungssystem, das die Schadstoffwerte weit unter die vorgeschriebenen Werte senkt. Ausserdem haben wir uns verpflichtet, an bestimmten Standorten und Häfen schwefelreduziertes Marine Gasoil zu verwenden.

Zum Schluss noch ein genereller Blick in die Zukunft: Muss man nicht davon ausgehen, dass Corona das künftige Reiseverhalten beeinflusst und auch das Massen-Erlebnisse eines grossen Cruiseships beeinträchtigt?

Ich bin fest davon überzeugt, dass diese momentane Erfahrung keinen nachhaltigen Einfluss haben wird – die Leute werden auch wieder in Massen in Grossraum-Flugzeugen nach Dubai reisen und dortige Grosshotels buchen. Wir haben ja schon diesen Sommer gesehen, dass unsere Schiffe optimal ausgelastet werden können. Ich bin auch überzeugt, dass die grossen Schiffe mit ihrem umfassenden Resort-Angebot und immer mehr Aussenflächen an frischer Luft von einer wachsenden Nachfrage als faszinierende Destination an sich profitieren werden. Zudem investiert MSC Cruises mit Explora Journeys ja auch in kleinere Schiffe.

Werden somit – ähnlich wie in der Karibik – auch im Mittelmeer künftig mehr Fahrten mit Megalinern kommen, die mehr Seetage, weniger Destinationen und dafür eine Privatinsel umfassen?

Eine Privatinsel dürfte im Mittelmeer schwierig werden, aber wir haben in diesem Jahr ja einen exklusiven Strandaufenthalt in Taranto lanciert, der gerade bei Familien sehr gut ankam – ja, das ist möglich. Auch ein zusätzlicher Seetag ist denkbar, aber in Europa kann man nicht auf Destinations-Besuche verzichten, das gehört hier zum Verständnis einer Kreuzfahrt. Aber die unglaubliche Vielfalt eines tollen, modernen Resort-Schiffs wird ohne Zweifel noch an Bedeutung gewinnen.

Wenn somit das Massengeschäft wie vor Corona zurückkommt, kehrt in gewissen Hafenstädten auch das Thema Overtourismus zurück.

Tatsache ist doch, dass vor Corona in Venedig nur rund fünf Prozent der Besucher durch Kreuzfahrten generiert wurden, in Barcelona rund acht Prozent. Treiber des Overtourismus sind in erster Linie die Billigflieger, welche die schieren Massen an einigen neuralgischen Destinationen verursachen. Aber ja, bezüglich der Cruiseships ist es eine Frage der Steuerung und Limitierung der Anläufe, so wie dies etwa in Dubrovnik bereits gilt oder in Venedig mit einem Durchfahrtverbot angepackt wurde. Es führt wohl kein Weg daran vorbei, dass an gewissen Hotspots in Zukunft stärker reguliert werden muss, aber das ist auch in unserem Sinne: Wir möchten schliesslich ebenfalls, dass die Destinationen für unsere Gäste attraktiv bleiben.

(Interview: Beat Eichenberger)


Im 1. Teil des TRAVEL INSIDE-Interviews berichtet Sebastian Selke, wie der totale Shutdown für MSC war und wie der jetzige Restart bei MSC Cruises läuft.