SH Vega – das neuste Expeditionsschiff

TRAVEL INSIDE hat an der Taufe in Helsinki das zweite Schiff des neuen Expeditionsanbieters Swan Hellenic unter die Lupe genommen.
SH Vega ©BE

Es geht Schlag auf Schlag vorwärts für Swan Hellenic, den wieder auferstandenen Anbieter von Expeditionsfahrten: Im letzten Spätherbst wurde nur 26 Monate nach der Vertragsunterzeichnung die SH Minerva, der erste Neubau der Reederei, von der Bauwerft Helsinki Shipyards ausgeliefert. Das Schiff verbrachte anschliessend seine Premierensaison in der Antarktis.

CEO Andrea Zito mit Ehefrau (und Taufpatin) Patrizia. ©BE

Nun folgt bereits die baugleiche Nummer zwei, die SH Vega. Es sind zwei Dinge, die beim ersten Blick auf das Schiff in der Werft in Helsinki auffallen: Das kompakte, beinahe etwas gedrungene Profil des 113 Meter langen Schiffes mit einem bulligen, von der Aussichtsplattform Swan’s Nest gekrönten Bug. Und der dunkelgrüne Anstrich des Rumpfs – ein Markenzeichen von Swan Hellenic.

Die Taufe vor Ort verläuft intim und ungezwungen. Eine kurze Ansprache von Shipyard-Manager Jonas Packalén, einige Worte von Swan Hellenic CEO Andrea Zito, die Segnung durch einen Priester und schon lässt Taufpatin Patrizia Zito, die Ehefrau von Andrea Zito, die Flasche am Bug zerschellen. Die geladenen Gäste aus aller Welt stossen gut gelaunt unter der strahlenden nördlichen Sonne mit Champagner an.

Polarklasse PC5 und umweltbewusst

Die SH Vega zählt wie ihre identische Vorgängerin SH Minerva mit 10’600 BRZ (Bruttoregisterzahl) zu den kleineren Expeditionsschiffen. In 76 Kabinen finden 152 Gäste Platz und sie verfügt ebenfalls über die hohe Polarklasse PC5; ab PC4 spricht man von Eisbrechern.

Die SH Diana im Bau auf der Helsinki Shipyard. ©BE

Angetrieben wird das Schiff von einem dieselelektrischen 5-Megawatt-System, zudem besteht die Möglichkeit, später für einen Hybrid-Antrieb noch Batteriepakete einzubauen. Ein SCR-Katalysator reinigt die Abgase, und selbstverständlich verfügt auch die SH Vega über modernste Abwasserreinigungssysteme. Das Schiff kann 40 Tage lang (oder über 8000 Seemeilen) autark operieren, was spezielle Routen erlaubt.

Wie ein Augenschein vor Ort zeigt, ist im grossen Trockendock der Helsinki Shipyard – von dort stammen rund 60% der weltweit eingesetzten Eisbrecher – der Bau des dritten SH-Schiffes weit fortgeschritten. Die SH Diana wird etwas grösser als die beiden ersten Schiffe ausfallen (192 Gäste) und erhält die Polarklasse PC6. Die Auslieferung ist auf Frühjahr 2023 terminiert.

Hochklassig, elegant und authentisch
Balkonkabine ©BE

«Swan Hellenic positioniert sich nicht als explizites Luxus-Produkt, sondern will kulturell inspirierte Expeditionsreisen in einem authentischen, hochklassigen und eleganten Rahmen bieten – die Show findet draussen statt», erklärt CEO Andrea Zito. Das äussert sich im Innern in einem hellen, skandinavischen Design mit viel Holz, lichtdurchströmten Räumlichkeiten und stilvoll-moderner Möblierung.

Die Bord-Infrastruktur umfasst zuunterst auf Deck drei das Lokal des Schiffsarztes, eine Bibliothek, einen Beauty Salon und das Basecamp für die Zodiac-Ausflüge. Auf Deck vier liegt die Rezeption und das Swan Restaurant (offene Sitzung), auf Deck sieben voraus die grosszügige Observation Lounge: Hier informieren auch die Lektoren und abends spielt ein Pianist.

Club Lounge ©BE

Ebenfalls auf Deck sieben gibt es eine Club Lounge und hinten am Heck ein Pool-Deck mit Aussenbar und Grill. Gym, Sauna, Jacuzzi und Spa sowie weitere Aussenflächen befinden sich auf Deck acht, das oberste Deck neun ist eine grosse Freiluftplattform. Die weitläufigen Aussenflächen wie auch die grosszügigen Platzverhältnisse im Innern zeichnen die Swan Hellenic-Schiffe aus.

Über das Deck vier vorne erstrecken sich die 19 qm grossen Oceanview-Kabinen, über das Deck fünf und sechs die Balkon-Kabinen (28 qm, davon 6 qm Balkon) und die sechs Suiten zwischen 44 qm und 49 qm. Die Kabinen präsentieren sich sehr stimmig, mit viel Stauraum in Schränken und Schubladen und einer Kaffeemaschine. Auch ein Fernglas liegt bereit und vor dem Bett knistert gar ein (holografisches) Holzfeuer.

Schweizer Hotelmanager Philipp Reutener
Hotelmanager Philipp Reutener ©BE

Das Hotelmanagement auf der SH Vega liegt in den Händen eines Schweizers: Philipp Reutener ist in Altdorf aufgewachsen und verfolgt seit der Kochlehre und der Hotelfachschule Luzern eine Karriere in der Hotellerie. «Ich wollte schon immer mal auf einem Schiff arbeiten», sagt Reutener, der den Einstieg dazu einst bei Norwegian Cruise Line fand.

Nach einigen Jahren zurück an Land als Resident Manager in Thailand und auf Jamaika zog es ihn wieder zurück aufs Wasser. Von 2013 bis 2018 war er bei Seabourn als Hotelmanager tätig, dann ergab sich die Möglichkeit bei Swan Hellenic einzusteigen. «So konnte ich im vergangenen Winter die erste Saison der SH Minerva in der Antarktis mitgestalten – eine grossartige Erfahrung».

Nun ist Reutener für die Küche, die Restaurants, das Housekeeping etc. auf der neuen SH Vega verantwortlich. Die Dining-Optionen an Bord charakterisiert er so: «Im Swan Restaurant gibt es morgens und mittags ein Buffet, abends wird à-la-carte gespiesen. In der unkomplizierten Club Lounge gibt es tagsüber Häppchen und abends Tapas, und an der Pool-Bar werden Grilladen aufbereitet». Für die gehobene Küche ist Chef Avhier Singh zuständig.

Wechselhafte Geschichte und Comeback
CEO Andrea Zito (l.) und SVP Alfredo Spadon. ©BE

Die Geschichte von Swan Hellenic reicht in die 1950er-Jahre zurück, als sich der britische Anbieter mit kulturellen Schiffsreisen einen Namen machte. Nach einigen Handänderungen versandete die Marke schliesslich in Inaktivität. Im Sommer 2020 übernahm eine Investorengruppe um Andrea Zito, der u.a. auf eine Karriere bei Silversea zurückblicken kann, die Marke Swan Hellenic, die nun mit drei neuen Expeditionsschiffen wieder Fahrt aufnimmt.

Zuletzt sorgte noch die Finanzierung der SH Vega durch eine russische Leasinggesellschaft für einige Aufregung: Wegen der Russland-Sanktionen konnten keinen Zahlungen mehr geleistet werden. Das Schiff wurde inzwischen von Swan Hellenic übernommen, eine ähnliche Lösung wird nun auch für die SH Minvera angestrebt.

«Der Aufbau und der Start von Swan Hellenic waren wegen der Pandemie eine riesige Herausforderung, und nun bereitet der Krieg in der Ukraine Schwierigkeiten», sagt Alfredo Spadon, SVP Global Sales & Marketing mit Sitz in Düsseldorf. Auch er blickt, wie Andrea Zito, auf eine Karriere bei Silversea zurück.

DACH als einer der Key-Märkte

Spadon beschreibt Swan Hellenic als eine international ausgerichtete Reederei, die ein internationales, reiseerfahrenes und kulturell interessiertes Publikum ansprechen will. Inzwischen wurde ein globales Vertriebsnetz aufgebaut mit Büros von Sydney über Hongkong und Ft. Lauderdale bis London, Monaco, Düsseldorf und Kopenhagen. Der Hauptsitz befindet sich auf Zypern.

«Unsere Key-Märkte sind DACH, UK, Nordamerika und Australien», so Spadon. Aber er rechnet damit, dass sich der chinesische und asiatische Markt früher oder später wieder stark erholen wird, das entsprechende Netz in der Region baut er deshalb zielstrebig weiter aus.

Der DACH-Markt wird vom Büro in Düsseldorf aus betreut. In der Schweiz arbeitet Swan Hellenic mit den vier Veranstaltern und Spezialisten Kuoni Cruises, MCCM Master Cruises, Delphi Reisen und Glur Reisen zusammen, aber selbstverständlich ist man auch für individuelle Reisebüros offen.

Weltweite Entdecker-Routen
Basecamp für Zodiac-Ausflüge. ©BE

‘See what others don’t’ lautet der Slogan von Swan Hellenic bezüglich ihrer Routen. Gemäss CEO Zito setzt man dabei auf die vier Pfeiler Natur, Kultur, Geschichte und geopolitische Aktualitäten. «Die Vielzahl kaum bekannter und aussergewöhnlicher Destinationen zeichnen unsere Routen aus», sagt Zito.

Die SH Vega sticht am 20. Juli zu ihrer Jungfernfahrt von Tromsø in die Arktis in See, zieht weiter über Island und Grönland in den Norden Kanadas und im Herbst entlang der Ostküste von Nord- und Südamerika nach Ushuaia. Nach der Antarktis-Saison 2022/23 steht die selten angebotene Überfahrt von Ushuaia nach Kapstadt mit Besuch von Tristan da Cunha auf dem Programm, und via Westküste Afrikas wird das Schiff im nächsten Sommer erneut in der Arktis unterwegs sein.

Nach ihrer Premierensaison in der Antarktis liegt die SH Minerva derzeit inaktiv in Montevideo auf, denn das ursprünglich geplante Sommerprogramm nach russischen Zielen in der Arktis musste abgesagt werden. Das Schiff wird nun im Spätherbst wieder mit Antarktis-Fahrten starten, darunter eine seltene Halbumrundung des 5. Kontinents. Anschliessend zieht das Schiff von Frühling bis Herbst 2023 über den Südpazifik weiter nach Neuseeland, Südostasien, Japan, Australien und wieder über den Pazifik zurück nach Südamerika.

Die SH Diana, die im Frühling 2023 in See stechen wird, hat vorerst das Mittelmeer und Nordeuropa bis Spitzbergen auf dem Programm, danach geht es via Suezkanal in den Indischen Ozean und entlang der Ostküste Afrikas nach Kapstadt und weiter über den Südatlantik nach Ushuaia.

Ein All-inklusive Angebot

Die All-inklusive-Tagespreise pro Passagier unterscheiden sich je nach Fahrtgebiet. In der Antarktis liegen diese bei EUR 800 bis 900, im Mittelmeer bei gut EUR 600. Inbegriffen sind nebst allen Mahlzeiten auch fast alle Getränke, ein Ausflug pro Destination, Trinkgelder und WLAN sowie natürlich das Programm der ausgewiesenen Lektoren und Parkas.

Auf jeder Fahrt ist übrigens ein deutschsprachiger Lektor an Bord. Und in der Antarktis zusätzlich inbegriffen sind die Anschlussflüge von Buenos Aires nach Ushuaia, eine Hotelübernachtung und alle Transfers.

Beat Eichenberger, Helsinki