So ist die Prima-Klasse von NCL

TRAVEL INSIDE-Kreuzfahrtexperte Beat Eichenberger war auf der Premierenfahrt an Bord der Norwegian Prima dabei und berichtet von der neuen Bauklasse der Reederei.
Norwegian Prima in Cobh/Irland ©BE

Es ist die spezielle Rumpfbemalung des italienischen Graffiti-Künstlers Peeta, die beim ersten Blick auf die Norwegian Prima auffällt. Oder die sich seitlich über zehn Decks hinunterstürzenden Rutschen. Vielleicht auch der abgerundete Heck-Bereich oder die Speedway-Anlage, die sich prominent über drei Decks um das Kamin zieht.

Harry Sommer, Präsident und CEO NCL ©BE

Mit 143’535 BRZ vermessen, gehört das neue Schiff aber nicht zu den grössten Megalinern, was für eine Volumen-Reederei doch eher ungewöhnlich ist: NCL hatte nicht die Absicht, immer grössere Schiffe zu bauen – im Gegenteil: Die Prima fällt gar etwas kleiner aus als die vorherigen Breakaway-Plus-Schiffe und nimmt «nur» 3100 Gäste auf, rund 900 weniger als der letzte Neubau Norwegian Encore.

«Obwohl die Werft während Corona sechs Wochen schliessen musste, verzögerte sich die Auslieferung der Norwegian Prima schliesslich nur um wenige Tage», lobte Harry Sommer, Präsident und CEO von Norwegian Cruise Line, an der Taufe in Reykjavik die Bauwerft Fincantieri in Marghera. Danach stach das Schiff mit rund 2600 geladenen Gästen auf eine Premierenfahrt von Island via Cobh (Irland), Portland (Grossbritannien) und Le Havre (Frankreich) nach Amsterdam in See.

Modern-Style mit Premium-Anleihen

Während dieser Reise konnte TRAVEL INSIDE in Erfahrung bringen, wie das Grössenverständnis mit der angestrebten Ausrichtung der neuen Bauserie zusammenhängt, mit der NCL das «höchste Personal- und Platzverhältnis aller Contemporary-Kreuzfahrtschiffe» bieten will. Auch das Innendesign zeigt auf, dass man sich in diesem (Volumen)-Segment an einem eleganten Premium-Standard orientiert.

Ein topmoderner, schnörkelloser, oft in weiss und Beigetönen gehaltener Stil dominiert, der weitgehend auf Effekthascherei verzichtet und da und dort – etwa in den grosszügigen und komfortablen Kabinen – beinahe etwas nüchtern wirkt. Doch Kunst und smarte Designelemente bilden dezente Kontrapunkte, die Anmutung über das ganze Schiff wirkt unaufgeregt und gediegen.

Flächen und Linien: Design im Atrium ©BE

So dominieren etwa im Penrose Atrium geschwungene Linien und Flächen; weite Fensterfronten lassen das Meer vorüberziehen und an der Decke schwirrt ein Heer dezenter Lichterfalter. Das Atrium zieht sich über drei Decks und bildet mit Bars, den Servicestellen und Shops ein eigentlicher zentraler Treffpunkt.

Was beim Gang über das weitläufige Schiff weiter auffällt, ist die Kleinteiligkeit der öffentlichen Räumlichkeiten, die – natürlich mit Ausnahme des Theaters – in einer überblickbaren Grösse gehalten und abwechslungsreich gestaltet nirgends grosse Massenaufläufe provozieren und so für eine gewisse Individualität sorgen.

Gar das Prädikat ‘Premium Plus’ verdient ohne Wenn und Aber der luxuriöse Suitenbereich The Haven, der auf der Prima weiter ausgebaut wurde und erstmals nach hinten ans Heck des Schiffes rückte. Er bietet über acht Decks 107 Suiten, die über einen speziellen Lift zugänglich sind. Ein edles Restaurant, eine Lounge mit Bar und ein herrliches Sonnendeck mit Infinity-Pool sowie einem Outdoor-Spa mit Glaswand-Sauna und Kälteraum stehen den Haven-Gästen exklusiv zur Verfügung – eine hochkarätige Schiff-in-Schiff-Infrastruktur.

Meeresnähe, Pools und Entertainment
Näher beim Meer: Infinity Beach auf dem Ocean Boulevard ©BE

Ein absolutes Highlight der Norwegian Prima ist der Ocean Boulevard, eine 4000 qm grosse Flaniermeile im Freien auf Deck 8, die sich rund um das Schiff zieht. Hier reihen sich Aussenplätze von Restaurants und Bars an weitläufige Liegenterrassen mit kleinen Infinity Pools, gar ein Skulpturengarten gibt es und kuschlige Abschnitte zum Relaxen an frischer Luft – eine einmalige Aussenwelt in Meeresnähe.

Ein weiterer hübscher Aussenbereich ist auf Deck 17 voraus der Vibe Beach Club mit Liegen, Bar und Infinity Hot Tubs, der ab 18 Jahren zugänglich ist und eine Zuschlagszahlung verlangt. Dafür vermag die zentrale Poolanlage mit Kids-Bereich nicht gänzlich zu überzeugen, die sich recht klein und uninspiriert zwischen zwei Aufbauten zwängt.

Indes: Mit den zusätzlichen kleineren Pools und Hot Tubs auf dem Ocean Boulevard, im Vibe Beach Club und im Suiten-Bereich The Haven wird das Wasser-Bedürfnis der Gäste entflechtet, was wohl durchaus gewollt ist und wiederum für sich spricht. Was allerdings auch fehlt ist ein Innenpool für Schlechtwetter-Fahrten.

Dafür wartet die Norwegian Prima mit einigen Action-Attraktionen auf, die es in sich haben: So zieht sich die bereits von den letzten Neubauten bekannte Go-Kart-Bahn Speedway hoch oben mit 15 Kurven und 420 Meter Länge erstmals über drei Decks dahin. Und die zwei schwindelerregenden Rutschen an den Schiffsseiten sind gemäss Reederei die schnellsten auf See. Ein spezieller Tummelplatz ist auch der Galaxy Pavillon, wo es modernste High-Tech- und Virtual-Reality-Spielereien zu entdecken gibt.

Vielseitige, gehobene Kulinarik
Hauptrestaurant Hudsons’s ©BE

Die Zahl der Restaurants ist gross und vielfältig: Das inkludierte Hudson’s, eines von zwei Hauptrestaurants, gefällt mit seiner weiten Fensterfront. Gar 24 Stunden offen ist das Local mit «Fingerlicking-Food» und auf Deck 17 mit weitem Blick übers Meer befindet sich das Self-Buffet des Surfside Cafés.

Mit der Indulge Food Hall wurde zudem ein gänzlich neues Konzept entwickelt. Hier werden an verschiedenen Outlets Schmankerl aus der ganzen Welt frisch zubereitet, die man an einem Tablet am Tisch bestellt und von Kellnern wieselflink serviert bekommt. Eine tolle neue Location, die auch Aussenplätze am Heck bietet.

Bei den zahlungspflichtigen Spezialitäten-Restaurants gibt es neu und erstmals bei NCL ein Palomar mit mediterranen Seafood-Spezialitäten zu vermelden. Das italienische Onda, das französische Le Bistro, das japanische Hasuki oder das Los Lobos mit köstlichen mexikanischen Klassikern und Interpretationen – sowie einer grossartigen Margarita – sind weitere Renner.

Im Cagney’s Steakhouse testete TRAVEL INSIDE das Tuna Tatar (USD 15) sowie ein Surf & Turf (USD 55) – dieselben Gerichte wie vor wenigen Wochen auf einer Reise mit der – zu Recht – kulinarisch hochgelobten Schwesterreederei Oceania Cruises. Ein qualitatives Gefälle war im Vergleich nicht zu beklagen – auch die Kulinarik auf der Norwegian Prima strebt generell einem Premium-Level zu; die etwas gar ölige Fisch-Fritture im The Local sei als einmaliger Ausreisser abgehakt.

Bars & Night Life
Rock-Schuppen Syd Norman’s ©BE

Zu den Bars und Lounges sei namentlich das neue Metropolitan erwähnt, das sich mit nachhaltigen Drinks und biozertifizierten Weine auszeichnet. Daran angegliedert ist eine kleine schicke Humidor Cigar Lounge: das gibt es heute längst nicht mehr auf jedem Schiff. Eine spezielle Erwähnung verdient auch die elegante Observation Lounge mit Bar und bodentiefen Fensterfronten, die sich U-förmig über den vorderen Teil des Deck 17 zieht und von allen Sitzgelegenheiten den Blick übers Meer bietet.

Eine andere beliebte Location ist Syd Norman’s Pour House, ein stimmungsvoller Live-Club, wo abends die Rock’n’Roll-Post abgeht. Gleich nebenan ist im Improv at Sea Standup-Comedy angesagt, und in der Local Bar und in der Penrose Bar wechseln sich Musiker und Duos ab. Die Preise für Cocktails bewegen sich übrigens zwischen USD 10 und 13; natürlich sind Getränkepakete buchbar.

Die grossen Shows – dafür ist Norwegian Cruise Line auch bekannt – werden im Prima Theater geboten. Hier steht das ‘Donna Sommer Musical’ im Mittelpunkt, das das Leben der berühmten Disco-Queen erzählt. Das Musical feiert am Broadway Erfolge und kommt hier erstmals auf See zur Aufführung: eine höchst professionelle Produktion, die mit grossartigen Stimmen überzeugt.

Der Clou ist aber, dass sich das Theater handkehrum auch in einen waschechten dreistöckigen Mega-Club mit grosser Tanzfläche umbauen lässt. DJs sorgen für Stimmung, aber auch Konzerte von Gast-Musikern sind möglich. So konnten auf der Premierenreise etwa Kool & The Gang und Chaka Khan bejubelt werden. Erholung findet man am Morgen danach im vielseitigen Mandara Spa mit Fitness Center.

Noch ein Wort zur Umwelt
Heck-Blick von Deck 17 auf Deck 8 ©BE

Die Norwegian Prima ist die erste Einheit einer neuen Bauserie von sechs Einheiten, die nun bis 2027 im Jahrestakt zur Auslieferung kommen; der Start der Nummer zwei, Norwegian Viva, ist auf August 2023 terminiert. Betrieben werden die Schiffe nach wie vor mit Schweröl und nicht mit Flüssigerdgas (LNG), was doch etwas überrascht. Aber natürlich werden die Schadstoffe über Scrubber und Katalysatoren eliminiert oder reduziert, und auch Landstrom kann bezogen werden.

Wie CEO Harry Sommer an Bord andeutete, werden nun für die Nummer fünf und sechs LNG und andere neue Elemente wie E-Fuel oder Brennstoffzellen evaluiert. Für die vorherigen Einheiten sei die Planung und der Bau für wesentliche Änderungen schon zu weit fortgeschritten.

Auch wenn Norwegian in Sachen Umwelt eher zu den konservativen Reedereien gehören mag und nicht mit grossen Schlagzeilen von sich reden macht, gilt es gleichwohl klar festzuhalten, dass auch diese Reederei alle heute selbstverständlich geltenden Massnahmen in Bezug auf Entsorgung, Energieeffizienz etc. mit modernster Technologie umsetzt und auf der Prima weiter entwickelt hat.

Die Norwegian Prima ist derzeit auf ersten Fahrten in Nordeuropa unterwegs, bevor es in die USA geht. Dort wird sie in der Kreuzfahrtsaison 2023 und 2024 Fahrten in die Karibik ab Galveston und Miami auflegen.

Beat Eichenberger, Amsterdam