«Der Markt Schweiz ist am zögerlichsten»

Kevin Bubolz, Managing Director Europa von Norwegian Cruise Line, stellte sich an Bord der neuen Norwegian Prima den Fragen von TRAVEL INSIDE.
Kevin Bubolz, Managing Director Europa NCL. © NCL

Kevin Bubolz, die Norwegian Prima läutet für NCL eine neue Schiffsklasse ein – was bedeutet das für die Reederei?

Eine neue Schiffsklasse ist immer ein Schritt nach vorne und der Beginn einer neuen Ära. Nach der Breakaway-Klasse, die wir 2013 lancierten und die mit den Plus-Erweiterungen sechs Einheiten umfasst, beginnt nun das nächste Kapitel mit erneut sechs innovativen Schiffen. Dabei geht es weiter Richtung mehr Qualität und einer gezielten Aufwertung des Produkts.

Wie äussert sich dieses Upgrade in Ihren Augen?

Auf der Norwegian Prima hält ein neuer Stil Einzug, der sich etwa in einer modernen Design-Sprache, hochwertigeren Materialien, mehr Platz für jeden Passagier wie auch einer Aufwertung in Küche und Service äussert.

Dabei flossen gar gewisse Elemente unserer Schwesterreedereien Oceania Cruises und Regent Seven Seas Cruises ein, was bemerkenswert ist: Die drei Marken der Holding-Familie haben untereinander keine Berührungsängste und lernen voneinander. Zudem: Schon die Breakaway-Schiffe zeichnen sich ja mit dem Aussenbereich der Waterfront aus. Dieser wurde nun auf der Norwegian Prima mit dem Ocean Boulevard und generell mehr offener Deckfläche massiv erweitert und noch attraktiver gestaltet, was eine Besonderheit dieser Schiffsklasse ist.

Sie zitieren Oceania und Regent – wird mit mehr Premium-Anleihen nun nicht die klare Positionierung von Norwegian etwas verwässert?

Dazu muss man den Begriff Premium erst mal im Detail definieren… Nein, wir verstehen uns als Contemporary Cruiseline und sind mit unserem Produkt und Angebot unverändert im Mainstream-Segment für eine breite Zielgruppe angesiedelt – dort aber ganz klar am oberen Ende der Skala!

Im Vergleich dazu versteht sich Regent eindeutig als Luxus- und Oceania als Upper Premium-Marke, wobei sich auch diese Reedereien in ihren jeweiligen Segmenten am oberen Ende bewegen. Jede Gesellschaft der Holding ist somit klar positioniert.

Wie kann Norwegian als US-internationale Reederei eine europäische, respektive deutschsprachige Kundschaft ansprechen?

Im Gegensatz zu Schiffen, auf denen eine einzige Kultur und Sprache herrschen, unterscheidet sich Norwegian Cruise Line durch eine internationale Atmosphäre. Das ist – nebst der Routenvielfalt und unseren Schiffen – eine wesentliche Motivation für unsere Gäste, die nicht aus englischsprachigen Märkten stammen.

Bei uns mischen sich Nationalitäten und Sprachen in einem gehobenen und unkomplizierten Rahmen. Natürlich sollten deutschsprachige Gäste der englischen Sprache etwas mächtig sein, doch wir lassen niemanden allein: Es gibt stets deutschsprachige Ansprechpartner an Bord wie auch gewisse deutschsprachige Informationen.

Wie hoch ist denn der Anteil europäischer Gäste bei Norwegian Cruise Line überhaupt?

Die grösste einzelne Kundengruppe bilden natürlich die amerikanischen Gäste, aber je nach Fahrtgebiet sind diese nicht unbedingt immer in der Mehrheit. In der Karibik können die Amerikaner bis gegen 90 Prozent ausmachen, während wir in Europa und auf weltweiten Fahrten je nach Saison eine ganz andere Struktur mit Gästen aus der ganzen Welt kennen.

So sind während der Sommerferien Abfahrten ab Barcelona auch mal mit 70 Prozent spanischen Gästen belegt. Schweizer Gäste wiederum können wir auf fast allen unseren Routen begrüssen.

Bis 2027 werden nun sechs neue Schiffe die Kapazitäten steigern. Werden dafür ältere Schiffe abgegeben?

Nein, das ist Stand heute nicht vorgesehen. Finanziell gesprochen sind ja die älteren Einheiten abgeschrieben und solange sie den NCL-Standard bieten gibt es auch keinen Grund, sich davon zu trennen – im Gegenteil: Wir investieren laufend in Renovationen und haben etwa eben die Norwegian Spirit für einen dreistelligen Millionen-Dollar-Betrag komplett überholt.

Ältere Schiffe haben einen ganz besonderen Charme, sind kleiner und letztlich von grossem Nutzen: Wir benötigen eine flexible Flotte mit unterschiedlich grossen Schiffen für unsere weltweite Routenvielfalt.

Wo erwarten Sie nun das stärkere Wachstum für die kommenden Mehrkapazitäten: Aus dem amerikanischen oder dem internationalen Markt?

Die Wachstumsperspektiven im nordamerikanischen Markt sind unserer Ansicht nach überschaubar und dürften sich über die nächsten Jahre im unteren einstelligen Prozentbereich bewegen. Wir wollen deshalb international überproportional wachsen, das ist unsere Strategie.

Wie hat sich nun die Nachfrage nach Corona in Europa und insbesondere in der Schweiz entwickelt?

In den nordischen Märkten oder in Deutschlang entwickelt sich der Neustart recht positiv und wir liegen für kommenden Winter nur noch rund 20 Prozent hinter den Zahlen von 2019.

Noch nicht ganz auf diesem Level sind Südeuropa und die Schweiz, wo noch mehr Zurückhaltung herrscht als wir es gerne sehen würden. Die Schweiz ist einer der Märkte, der am zögerlichsten wieder aus der Corona-Krise rauskommt.

Wie erklären Sie sich das?

In der Schweiz haben wir traditionell einen wichtigen Langstrecken-Anteil mit Routen in Südamerika, im Pazifik oder in Asien, Destinationen also, die sich generell erst jetzt wieder zurückhaltend erholen. In anderen Märkten stehen eher Europa-Fahrten im Vordergrund, was in der Schweiz etwas weniger der Fall ist.

Wir empfehlen unseren Vertriebspartnern deshalb, ihren Kunden im Moment noch etwas «einfachere» Langstrecken-Ziele zu empfehlen wie etwa diesen Winter die Karibik oder im nächsten Sommer Alaska.

Und wie sieht es mit der NCL-Stärke Südamerika aus?

In Südamerika kommt der Umstand hinzu, dass vermehrt Fahrten bis in die Antarktis durchgeführt werden, was für den amerikanischen Markt zwar attraktiv ist, während der europäische Markt die «klassische» Südamerika-Route vorzieht und die Antarktis lieber mit einer Expeditionsreise besuchen möchte.

Inflation und Teuerung gehen um: Wie wirkt sich das auf das Preisbild von Norwegian Cruise Line für 2023 aus?

Unser Pricing wird nicht von Preissteigerungen getrieben sondern von der Nachfrage. Unsere Preise steigen tendenziell laufend leicht und werden das auch in Zukunft tun. Die veröffentlichten Zahlen für das 2. Quartal 2022 zeigen ein Plus von elf Prozent gegenüber 2019, die höchste Preisentwicklung der drei grossen Cruise-Gesellschaften.

Auf der anderen Seite hatten wir die niedrigste Auslastung, was unserer Strategie entspricht: Wir wollen die Auslastung schrittweise wieder hochfahren und gleichzeitig ein vernünftiges Preisniveau halten und nicht in eine Spirale abwärts geraten. So werden wir 2023 mit leicht gestiegenen Preisen zu einer gewohnten Auslastung zurückkehren können, was das Ziel ist. Es ist deshalb gut möglich, dass 2023 für Norwegian Cruise Line ein Rekordjahr wird.

Interview: Beat Eichenberger, Reykjavik