«Die Grossen tragen die Krise auf dem Buckel der Mitarbeitenden aus»

TTS-Verwaltungsrat Stephan Roemer über den Mittelstand in der Reisebranche und seine Enttäuschung über die drei Grossen.
Stephan Roemer. ©TI

Stephan Roemer ist CEO und Mehrheitsbesitzer des Asienspezialisten Tourasia und besitzt eine qualifizierte Minderheitsbeteiligung an Let’s go Tours, wo er auch im Verwaltungsrat einsitzt. Beide Spezialisten sind Mitglied beim TTS, Roemer seinerseits ist TTS-Verwaltungsrat. Er weiss deshalb sehr genau, wie es beim Mittelstand der Schweizer Reisebranche derzeit aussieht.


Stephan Roemer, Let’s go ist bei mehreren TTS-Mitgliedern finanziell eingestiegen. Ist das aus Ihrer Sicht als TTS-Verwaltungsrat der Anfang eines Konzentrationsprozesses?

Nein gar nicht. Dahinter stecken ganz andere Überlegungen. Marcel Gehring als neuer Geschäftsführer von Let’s go muss sich überlegen, wie er mit der Firma erfolgreich in die Zukunft gehen will. Er hat grosse Pläne und dabei die volle Unterstützung des Verwaltungsrats und der Aktionäre. Er macht das sehr gut.

Also eine Expansionsstrategie von Let’s go?

Ich sehe das nicht als Expansionsstrategie. Let’s go ist sehr solide aufgestellt und hat noch keine Härtefallhilfe bezogen – nicht qualifiziert im Kanton Schaffhausen. Jetzt hat Let’s go die Chance genutzt, wenn etwas auf dem Markt war. Man muss sich natürlich als mittelgrosser Veranstalter etwas überlegen, wenn man selber wenig Direktkundengeschäft hat.

Gibt es Synergien zwischen Tourasia und Let’s go?

Über den TTS natürlich, die Marketingstrategie und indem wir unterschiedliche Spezialistendestinationen abdecken.

Und wie stehen Sie zur Wachstumsstrategie des neuen TTS-Präsidenten Kurt Eberhard?

Es ist Zeit, dass der Mittelstand schaut, wo er sich positioniert. Gerade in dieser Krise haben wir gesehen, dass sich die Grossveranstalter ganz anders organisiert haben als der Mittelstand. Die Grossen haben sehr schnell mit Entlassungen und Massnahmen wie strenge Kurzarbeitsregimes reagiert. Das bekamen vor allem die Mitarbeiter zu spüren. Die KMU haben besser zu ihren Mitarbeitern geschaut, die sind parat und hochmotiviert. Bei Tourasia beispielsweise haben wir keinen Braindrain.

Sie kritisieren die Grossen?

Ich kann die Grossen nicht loben, dazu stehe ich. Sie waren die ersten, welche die Krise auf dem Buckel der Mitarbeitenden austrugen. Und dies in einer Branche, in der nicht die höchsten Löhne bezahlt werden, sondern die Motivation der Leute zählt.

Bei Knecht Reisen sind viele Abgänge bekannt, auch von Kadern. Wie wirkt sich das im TTS-Gefüge aus?

Der TTS kann sich nicht gross dazu äussern. Für mich ist das bedauerlich, weil Knecht eigentlich eine grundsolide Firma ist, sich aber in der Krise eher an den Grossen orientiert hat. Das hat mich enttäuscht.

Haben Sie einen Überblick, wie es den TTS-Mitgliedern geht?

Die besten haben minus 50 bis 60 Prozent Umsatz. Ich bin mit minus 98,6 Proezent der schlechteste.

Und wie geht es dem DCM Diethelm Keller, den Sie als CEO in Asien leiten und an dem Sie beteiligt sind?

Zu DK kann ich nichts sagen, weil die Firma zu einem börsenkotierten Konzern gehört.

Haben Sie den Einstieg in den letzten Monaten nie bereut?

Nein, überhaupt nicht.

Und was sagen Sie zum SRV in der Coronakrise?

In der Krise waren wir alle überrascht, da mache ich dem SRV keinen Vorwurf. Aber ohne André Lüthi hätte er ein Problem gehabt. Lüthi hat die Branche aus dem Sumpf gezogen. Sicher ist, dass sich der SRV reformieren muss. Er muss agiler werden. Ein Anfang wäre, den Vorstand zu verkleinern.

Und die Kleinen besser vertreten?

Ich glaube, es braucht einen Vertreter der Grossen, der deren Interessen vertritt. Und natürlich auch einen KMU-Vertreter, sowie jemand aus der Westschweiz. Das reicht schon bald.

Wie stehen Sie in der Präsidentschaftsdiskussion, soll ein Politiker ran?

Es muss es jemand machen. Ein Zuckerjob ist es nicht.

(Interview: Christian Maurer/Angelo Heuberger)