«Die monopolähnliche Stellung der Swiss in Zürich wird noch stärker sein»

Airline-Experte André Dosé über die Zukunft des Fliegens.
André Dosé, Präsident Garantiefonds

André Dosé ist einer der besten Kenner der Luftfahrt in der Schweiz. Der in den USA ausgebildete Berufspilot arbeitete von 1986 bis 2002 bei Moritz Suters Crossair. Anschliessend war Dosé war von März 2002 bis 2004 erster CEO der Swiss, der mit staatlicher Unterstützung enstandene indirekte Nachfolgerin der in Konkurs gegangenen Swissair. 2007 war er kurzzeitig CEO der Gulf Air. Seit Anfang 2014 präsidiert er den Garantiefonds der Schweizer Reisebranche. Ausserdem hat der bald 63-Jährige Verwaltungsratsmandate und ist als Berater tätig. TRAVEL INSIDE hat mit ihm über die Zukunft des Fliegens und der Airlines gesprochen.

Den Airlines geht das Geld aus, viele suchen Hilfe beim Staat. Kommt jetzt, in der Corona-Krise, auch Schub in die Forderung nach einer Airline-Insolvenzabsicherung analog der Kundengeldabsicherung der Reisebüros?

Ja, ich glaube, das wird in der Nachbehandlung dieser Krise kommen. Wegen der globalen Geschäfte der Airlines ist es allerdings nicht so einfach, dies aus einem einzelnen Land heraus zu machen. Aber der Druck wird sicher steigen, gerade auch weil die Airlines bei Annullationen jetzt keine Rückabwicklungen machen oder nur Bons abgeben wollen.

Wie sehen Sie die Airline-Branche nach Corona?

Ich sehe sie sehr kritisch. Es wird sicher nicht mehr der vorherige Normalbetrieb sein, und es wird sicherlich auch Fall-out und eine Bereinigung geben. Bis die Krise verdaut ist, wird es nicht Monate, sondern Jahre dauern.

Wo liegen die Probleme?

Nehmen wir zum Beispiel Norwegian, die schon vor der Krise in Schwierigkeiten steckte. Sie hatte sich durch Wachstum finanziert, und das funktioniert in der Krise natürlich überhaupt nicht mehr.

Welches werden die konkreten Auswirkungen der Corona-Krise sein bei den grossen Airlines?

Ich gehe davon aus, dass die Flotten massiv reduziert werden und damit leider auch Arbeitsplätze verloren gehen. Zur Erinnerung: Bei der Sars-Pandemie 2003, die nicht mit der Covid-19-Pandemie vergleichbar ist, mussten wir in der Aufbauphase der Swiss über 30 Flugzeuge stilllegen und 3000 Mitarbeiter entlassen. Die jetzige Krise ist viel globaler, damals waren vor allem unsere Cash-Cows nach Asien betroffen.

Die meisten Jets weltweit stehen am Boden. Gehen die je wieder in die Luft?

Es wird Airlines geben, welche die Leasingraten für ihre Flugzeuge nicht mehr bezahlen können. Wenn sich die Situation wieder ein wenig normalisiert hat, werden diese Flugzeuge zu absoluten Tiefpreisen auf den Leasingmarkt geworfen. In der Airline-Branche gibt es immer wieder Leute, die neu auf den Markt kommen und ihr Glück versuchen.

Das tönt, als ob Sie ein Projekt hätten?

(lacht)

Swiss (LH Gruppe) hatte vor der Pandemie-Krise eine monopolähnliche Stellung am Flughafen Zürich. Und nach der Krise?

Das wird noch stärker so sein. Und das ist für niemanden gut, auch für die Swiss nicht!

Soll man die Swiss unter diesen Umständen überhaupt mit Staatsgeld retten?

Die Swiss ist für die Schweizer Wirtschaft absolut systemrelevant, mit allen Arbeitsplätzen, die direkt oder indirekt von ihr abhängen. Die Schweizer Wirtschaft braucht einen funktionierenden Luftverkehr. Man kann natürlich immer darüber diskutieren, wer diesen wahrnimmt. Wenn es die Swiss nicht mehr gäbe, würde nicht einfach so eine ausländische Airline in die Bresche springen. Da würden viele Linien verloren gehen.

Was passiert mit den Netzwerk-Airlines?

Ich sehe eine grosse Korrektur bei den traditionellen Netzwerk-Airlines mit ihren sehr anfälligen Hub-Systemen. Wenn eine Verbindung mit viel Anschlusspassagieren zusammenbricht, gibt es einen Domino-Effekt, es brechen automatisch weitere Linien ein. Man sieht ja, dass die Lufthansa Gruppe ihre Hubs bereits überdenkt. Die grossen Netzwerk-Carrier werden sicher nicht mehr so gross und damit viel weniger dominant sein, als sie vor der Krise waren. Auch in den USA werden Airlines wie American oder Delta bleiben, aber ihre Systeme überdenken müssen.

Wird es Billig-Airlines wie Easyjet und Ryan Air noch geben?

Dieses Segment wird sicher nicht einfach verschwinden. Billig-Airlines ist so ein Begriff – das sind Airlines, die sehr erfolgreich ein neues Marktsegment aufgemacht haben. Sie werden sicher auf dem Markt bleiben. Easyjet hat die gleichen Probleme wie alle anderen, hat aber sehr gut gewirtschaftet und ist sehr gut aufgestellt.

Wichtiges Standbein der grossen Airlines ist der Business Travel. Wie geht es da weiter?

Das Volumen wird in den Jahren nach der Krise sicher nicht mehr das gleiche sein. Ich habe mich ja selber gefragt in diesen Tagen, warum wir überhaupt so viele Meetings machen – es geht auch anders! Erst wenn es eine Covid-19-Impfung gibt, werden die Reisen wieder anziehen. Solange es noch Unsicherheiten und Risiken gibt, wird auch der Geschäftsreiseverkehr nicht mehr boomen wie vor der Krise.

Wird man in der nächsten Zeit überhaupt noch fliegen können?

Es wird nicht einfacher werden. Die Maskenpflicht wird kommen, auch an den Flughäfen. Geprüft wird auch, allen ankommenden Passagieren die Temperatur zu messen, wie ich von Mallorca weiss.

Abstandhalten im Flugzeug geht aber nicht.

Das ist schwierig. Es gab auch Airlines, die liessen jede zweite Sitzreihe leer. Das ist nicht nachhaltig und funktioniert nicht. Man weiss ja, wie hoch die Auslastung sein muss, damit eine Airline profitabel ist.

Wird fliegen wieder teurer?

Daran zweifle ich. Es werden wieder alle um die Passagiere kämpfen. Auch über den Preis.

Die Corona-Krise hat die Klimadiskussion in den Hintergrund gedrängt. Wird sie nach der Krise wieder gleich aufkommen wir vorher?

Diese politische Diskussion wird nicht gleich an erster Stelle stehen. Sie wird aber sicher nicht ganz verschwinden, auch im Zusammenhang mit den Staatshilfen für die Airlines. Hier werden die politischen Parteien, die sehr stark in Umweltthemen engagiert sind, die Klimaschutzforderungen einbringen. Aber ich muss schon festhalten, dass die Luftfahrtindustrie für den Klimaschutz viel tut und investiert hat.

Ist die Verknüpfung von Staatshilfe und Ökologie-Massnahmen sinnvoll?

Man kann jetzt nicht Diskussionen führen bis ins letzte Detail. Es geht in der Krise auch um Geschwindigkeit. Wenn man etwas retten will, muss man es jetzt machen. Das gilt für die Airlines und die Reisebranche gleichermassen. (CM)