Erica Dillier: «Wir müssen den jungen Fachkräften eine Chance geben»

Noch Finass-CEO Erica Dillier über die Geschichte von Finass Reisen, die Herausforderung nach Corona und ihre Zukunftspläne.

Per 1. November 2021 übergibt Erica Dillier die Geschäftsleitung von Finass Reisen an ihre langjährige Mitarbeiterin Claudine Furrer (31).

Worauf die Managerin im Laufe Ihrer Karriere Wert legte, wie Finass Reisen aufgebaut und zu einem der führenden KMU in der Branche wurde und wie Ihre Zukunftspläne aussehen, erklärt sie im Interview mit TRAVEL INSIDE.


Erica Dillier, am 1. November übergeben Sie die Geschäftsleitung von Finass Reisen in die Hände von Claudine Furrer. Dürfen wir kurz Ihre und die eng mit Ihnen verknüpfte Unternehmensgeschichte rekapitulieren?

Nach meiner Ausbildung beim TCS bin ich 1977 bei Rewi Reisen eingetreten, welche damals unter anderem meinem späteren Geschäftspartner Götz Mundhenke gehörte. Ich war für den Auf- und Ausbau des Filialnetzes, die Rekrutierung sowie die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter*innen zuständig.

Besonders legte ich Wert auf Verkaufsschulung, die wir mit einem renommierten Institut durchführten. Es macht mich stolz, dass Rewi Reisen auch heute noch gut arbeitet und ein starker Brand ist.

Danach kam Finass Reisen. Wie ging der Aufbau dieses Unternehmens von statten?

1994 wurde Rewi Reisen an Kuoni verkauft und Götz und ich übernahmen Finass, die zur Metro-Gruppe gehörte. 1998 wechselte ich dann zusammen mit 15 Mitarbeitenden von Rewi zu Finass. Wir entschieden uns gegen das Filialkonzept und vereinten alles unter einem Dach. Das vereinfachte die Kommunikation, das Fachwissen wurde gebündelt und die Infrastrukturkosten waren überschaubar.

Finass Reisen ist dann kontinuierlich gewachsen. Wie gingen Sie dabei vor?

Wir waren ein gut eingespieltes Team. Mundhenke hatte clevere Geschäftsideen und ich setzte diese gemeinsam mit dem Team beharrlich um. So brachten wir Finass Reisen zum Fliegen und ich wuchs dadurch in die eigentliche Unternehmerrolle hinein.

Welches war Ihr Erfolgsrezept?

Unser Erfolg basiert auf einem kompetenten und gut funktionierenden Team mit speziell hoher Dienstleistungsbereitschaft. Zudem investierten wir immer viel in die Weiterbildung der Mitarbeitenden und ich lege Wert darauf, dass diese auch oft und regelmässig reisen und so Erfahrungen sammeln. Daraus resultiert eine hohe Servicequalität, die von unseren Kunden entsprechend abgegolten wird, was es Finass wiederum ermöglicht, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen überdurchschnittlich zu entlöhnen. Also eine Win-win-Situation für alle.

Nach welchen Grundsätzen führten Sie?

Wichtig ist, dass Führungspersonen ein offenes Ohr für die Anliegen der Teammitglieder haben und ihnen Wertschätzung entgegenbringen. So erfahre ich auch früh genug, wo der Schuh mal drückt. Das führt zu einer grossen Loyalität dem Unternehmen und auch dem Vorgesetzten gegenüber. Entscheidend ist, dass die Mitarbeiter Freude an ihrem Job haben und diesen mit Leidenschaft ausführen.

Wie würden Sie sich selbst als Unternehmerin beschreiben und welche Werte sind Ihnen wichtig?

Ich setze mir klare Ziele, die ich mit grosser Disziplin und konsequent verfolge. Ich glaube, Mitarbeiter und Geschäftspartner schätzen meine Bodenständigkeit und auch eine gewisse Grosszügigkeit. Die wichtigsten Werte für mich sind Offenheit, Loyalität, Ehrlichkeit und eine gute Portion Humor.

Insbesondere in einem Reiseunternehmen mit hohem Anteil an Business Travel ist die IT sehr wichtig. Wie gingen Sie diesbezüglich strategisch vor?

Je besser die Werkzeuge, desto höher die Qualität der Arbeit. Was für Handwerker gilt, trifft auch auf die Reisebranche und insbesondere auf Business-Travel zu. Als Hotelplan HIT einführte, wurden wir deren Partner und konnten so unsere spezifischen Bedürfnisse einbringen, auch bei Weiterentwicklung des Tools. HIT ist eine «All-in-one»-Plattform mit Profilemanagement, GDS-Anbindung und Backoffice. Das ist hervorragend, denn so können wir beispielsweise die VISELIO-Anwendung optimal nutzen. Dank der Verknüpfung zum Profilemanagement können die Einreisebestimmungen abhängig vom Herkunftsland des Reisenden individuell ermittelt werden. Zudem sind wir NDC-Partner von LH, was uns auch in Zukunft den Zugriff auf die besten Preise erlaubt.

Vor drei Jahren verkauften Sie Finass Reisen an die Hotelplan-Gruppe. Wäre mittelfristig eine Weiterführung des Unternehmens durch Ihren Sohn nicht eine Möglichkeit gewesen?

Ziel war, Finass Reisen langfristig unter ein solides Dach zu bringen. Es war vor drei Jahren und es ist auch heute noch ein für beide Partner fairer Deal. Hotelplan kaufte ein wirtschaftlich gut laufendes und solides Unternehmen. Was meinen Sohn betrifft: Er war damals 20 Jahre alt und ich wollte ihm die freie Wahl für seine berufliche Zukunft lassen. Derzeit absolviert er die Hotelfachschule in Lausanne. Es freut mich natürlich besonders, dass er seine Zukunft in der Hospitality-Branche plant.

Würde in diesem Zusammenhang wirtschaftlich eine Fusion mit BTA First Travel nicht Sinn machen?

Nein, denn wir haben kein Volumen- sondern ein Dienstleistungsgeschäft. Zudem ist das Kundenportfolio von BTA und FINASS unterschiedlich. Dank der beiden starken, aber anders positionierten Marken hat die Hotelplan-Gruppe im hart umkämpften Corporate Travel–Markt mit zwei Brands die besseren Chancen, an Neukunden zu kommen.

Mit Claudine Furrer (31) haben Sie etwas überraschend eine junge Persönlichkeit zu Ihrer Nachfolgerin gemacht. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Claudine absolvierte bereits Ihre Lehre bei Finass und bildete sich über die Jahre laufend in der Unternehmensführung weiter. Sie wird vom ganzen Team geschätzt und getragen. Wichtig ist natürlich auch, dass Daniel Wittwer weiterhin den Bereich Geschäftsreisen leitet. Um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern, müssen wir eine jüngere Kundschaft für Finass gewinnen. Diese muss zielgerichtet angesprochen werden. Das war ein weiterer wichtiger Grund, Claudine Furrer mit der Führungsaufgabe zu betrauen.

Wie sehen Sie die Zukunft der Reisebranche?

Ich glaube, das Geschäft erholt sich schneller als wir denken. Die grosse Herausforderung wird sein, zum Zeitpunkt, wenn das Geschäft wieder voll zurückkommt, in jeder Hinsicht bereits zu sein. Ich bin überzeugt, dass es sowohl bei den Ferienreisen wie auch bei den Business-Reisen einen hohen Nachholbedarf gibt. Sobald die Restriktionen aufgehoben oder auf ein erträgliches Mass zurückgeschraubt werden, geht es richtig los. Die Menschen wollen reisen und gerade im Geschäftsbereich sind persönliche Kontakte für den Erfolg entscheidend.

Und wie sehen Ihre persönlichen Zukunftspläne aus?

Finass bleibe ich mit einem Beratermandat erhalten. Claudine Furrer hat die Geschäftsführung voll im Griff, ich unterstütze sie falls nötig. Zu meinen Mandatsaufgaben gehört zudem die Betreuung der Stammkunden und die Akquisition von Neukunden, wozu mir mein grosses Netzwerk hilft. Und ich hoffe, dass mir die Zeit etwas mehr erlaubt, an meinem Golf-Handicap zu arbeiten. Reisen ist und bleibt mein wichtigstes Hobby. Und da ich nicht jemand bin, der den Müssiggang pflegt, bin ich auch für Neues zu haben. Ein Türchen geht zu und ein anderes Türchen geht auf!

Zum Schluss: welchen Rat geben Sie den jungen Menschen in der Branche und generell?

Bildet euch laufend weiter, übernehmt Verantwortung, seit mutig, aber nicht übermütig und tut das was ihr tut mit Freude und Leidenschaft!

(Interview: BRA)