Fachkräftemangel: wieso, weshalb, warum?

Professor Harald A. Friedl führt zehn Gründe für die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt auf.
©Unsplash / Michael Browning

Schon die TRAVEL INSIDE-Onlineumfrage zeigte: auch in der Schweiz ist der Fachkräftemangel ein Thema, das vor allem auch die Tourismus-Branche in den kommenden Jahren beschäftigen dürfte. Harald A. Friedl, Professor für Tourismusethik an der FH Joanneum in Bad Gleichenberg, hat dieses Thema genauer unter die Lupe genommen und zehn Gründe aufgestellt, wieso die Lage aktuell so akut ist.

Ein immer wieder genannter Grund ist der demografische Wandel. Etwa seit 2015 übersteigt die Zahl der Personen im pensionsfähigen Alter die der Nachwuchskräfte ab 20 Jahren. Ergo: mehr Menschen treten aus dem Arbeitsmarkt aus, als neu eintreten. Zusätzlich wird als Grund genannt, dass weniger junge Leute eine Ausbildung absolvieren. Dadurch entsteht eine Lücke in Berufsgruppen, die man durch eine Lehre ergreifen kann – dazu zählt auch die Gastronomie und Touristik.

Hinzu kommt, dass diese Personen vor einer weiten Bandbreite an Möglichkeiten stehen und sich entscheiden müssen, ob sie eine Laufbahn im Handwerk, Handel oder eben in der Touristik und Gastronomie anstreben wollen. Entscheidend dürfte bei der Wahl einerseits sein, dass das Image der Reise- und Gastronomiebranche nicht nur durch die Pandemie einen Rückschlag erlebt hat: der Job gilt nicht mehr als krisensicher, die Bezahlung ist nicht besonders attraktiv und die Arbeitszeiten sind mitunter wenig familienfreundlich.

Auch für Arbeitskräfte aus dem Ausland sinkt die Attraktivität, beispielsweise für Saisonstellen. Das Lohnniveau im eigenen Land mag in den vergangenen Jahren gestiegen sein und machen eine Abwanderung in ein anderes Land obsolet. Dazu käme auch noch immer eine sogenannte ‘Fremdenangst’ im Land gegenüber Fachkräften, die aus Regionen ausserhalb des europäischen Raumes stammen. Hier würde mittelfristig wohl kein Weg an einer grundlegenden Änderung des migrationspolitischen Mindsets vorbeiführen. Zudem würde bei Unterkunft und Verpflegung fürs Personal schnell gespart: Dieser Mangel an Komfort werde immer weniger akzeptiert.

Ebenfalls im Zusammenhang dessen wird von Harald A. Friedl eine mangelnde Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden angeprangert; besonders im Bereich der Gastronomie. Hier liegt ein grosses Konfliktpotential, denn gleichzeitig ändert sich auch das Werte-System in den jüngeren Generationen. Arbeitswochen mit über 40 Stunden wollen nicht mehr so ganz in die neue Lebensplanung passen und auch einige Studien zeigten in der Vergangenheit auf, dass Mitarbeitende sowieso nur fünf bis sechs Stunden pro Tag produktiv arbeiten könnten. Dies wird auch in den Nachwuchsgenerationen erkannt. Die Folge ist die immer wieder gehörte Aussage: «Die jungen Leute wollen alle nicht mehr arbeiten.»

Ein bislang von der Forschung nur wenig beachteter Aspekt betrifft die Recruiting-Methoden, die oft als sehr konservativ, wenig social-media-affin und somit wenig zielgruppenorientiert erscheinen würden. Die Eltern der angehenden Lernenden könne man noch auf nach wie vor gängigen Wegen erreichen, die Generation Z und jünger bewegt sich dagegen beispielsweise auf Tiktok, Snapchat oder ähnlichen Medien.

Der Fachkräftemangel kann demnach also nur mit einer extremen Kursänderung auf dem Arbeitsmarkt erreicht werden: In den Unternehmen, aber auch in den Köpfen der Mitarbeitenden und im Kollegium.

Luisa Schmidt

Business Traveltip News

Business Traveltip News

Die Business Traveltip News erscheinen jeden Mittwoch und liefern Ihnen schnell und umfassend die wichtigsten News aus der Businesstravel-Welt.

Email Address