Feedback II: «Keine Ahnung von dem, was ich tue»

TI-Leser Koni Kölbl reagiert mit Humor auf das «Feedback» von Andreas Wandfluh und vermutet ihn höchstwahrscheinlich als ehemaligen Consultant.

Koni Kölbl, Travel-Solutions GmbH, Bern

«Es war einmal ein Schäfer, der in einer einsamen Gegend seine Schafe hütete. Plötzlich tauchte in einer großen Staubwolke ein nagelneuer grauer Audi Quattro auf und hielt direkt neben ihm. Der Fahrer, ein älterer Mann in Brioni Anzug, Cerutti Schuhen, Ray Ban Sonnenbrille und einer YSL Krawatte steigt aus und fragt ihn: ‘Wenn ich errate, wie viele Schafe Sie haben, bekomme ich dann eins?’ Der Schäfer schaut den Mann an, dann seine friedlich grasenden Schafe (es ist eine grosse Herde), und sagt ruhig ‘in Ordnung’.

Der ältere Mann verbindet sein Notebook mit dem Handy, geht im Internet auf eine NASA-Seite, scannt die Gegend mit Hilfe seines GPS-Satellitennavigationssystems, öffnet eine Datenbank und 60 Excel Tabellen mit einer Unmenge Formeln. Schliesslich druckt er einen 150seitigen Bericht auf seinem Hi-Tech-Minidrucker, dreht sich zu dem Schäfer um und sagt: ‘Sie haben hier exakt 742 Schafe.’

Der Schäfer sagt ‘Das ist richtig, suchen Sie sich ein Schaf aus.’ Der Mann nimmt ein Schaf und lädt es in den Audi Quattro ein.

Der Schäfer schaut ihm zu und sagt: ‘Wenn ich Ihren Beruf errate, geben Sie mir das Schaf dann zurück?’ Der Mann antwortet: ‘Klar, warum nicht.’ Der Schäfer sagt: ‘Sie sind Consultant einer Unternehmensberatung.’

‘Das ist richtig, woher wissen Sie das?’ will der Berater wissen.

‘Ganz einfach,’ erklärt der Schäfer:

  • 1. kommen sie hierher, obwohl Sie niemand gerufen hat
  • 2. wollen Sie ein Schaf als Bezahlung haben dafür, dass Sie mir etwas sagen,    was ich ohnehin schon weiss.
  • 3: haben Sie keine Ahnung von dem, was ich tue. Und jetzt geben Sie mir meinen Hund zurück!’

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Andreas Wandfluh, Konsument, per E-Mail

«Ich bin kein Reisebüro-Veranstalter noch hänge ich irgendwie mit dem Travel Business zusammen, bin 70 jährig und bin bis anhin sehr viel in der ganzen Welt gereist.

Ich erlaube mir, auf Ihre Umfrage zu antworten – vielleicht mal aus Sicht des Kunden/Konsumenten – wohl vermutend, dass Sie meine Antworten möglicherweise in den Papierkorb weiterleiten.

1. Wird die Gesundheit gegenüber der Wirtschaft zu hoch gewichtet?

Antwort: Nein, sicher nicht, wenn alle krank sind, reist überhaupt niemand mehr.

2. Wer ist für die wirtschaftlichen Folgen der Corona Pandemie am meisten verantwortlich?

Antwort: Es ist müssig hier jemanden verantwortlich zu machen. Die Pandemie ist da und wir müssen damit umgehen können. Auf Grund der steigenden Fallzahlen (Sept. 2020) ist davon auszugehen, dass das Reisen aus meiner Sicht nicht vor 2023/2024 annähernd in der Grössenordnung von “Vor-Corona” sein wird. Der Reisebranche nützt es gar nichts, irgend jemanden verantwortlich zu machen, sondern sie muss sich ganz intensiv mit den neuen Herausforderungen befassen (siehe mein Punkt 4 weiter unten).

Warum?
Nehmen wir an, Mitte 2021 liegt ein Impfstoff vor. Zuerst werden die Leute im Gesundheitsbereich geimpft und anschliessend die Risikogruppen, bis anschliessend eine Durchimpfung der CH-Bevölkerung erfolgen wird. Das heisst, für den Grossteil der Bevölkerung wird eine Impfung Ende 2021 / anfangs 2022 erfolgen. Nun müssen wir aber berücksichtigen, dass eine Impfung in Europa, v.a. auch Süd-Europa sowie USA / Asien etc. sicher noch später erfolgen wird. Das bedeutet aber auch, dass ich als möglicherweise geimpfte Person sicher nicht 2023 in ein Land reise, um meinen “Impfschutz auszutesten”. Deshalb komme ich auf den Zeitpunkt 2023/2024.

3. Reaktionen Schweiz oder Schweden?

Antwort: Auch diese Frage ist müssig zu beantworten. Wir wissen es einfach nicht und alles andere ist Spekulation. Das Problem scheint mir aber an einem ganz anderen Ort zu sein, nämlich bei der Grundhaltung unserer Wirtschaft!

Warum?

Aus meiner Sicht hat man grundsätzlich viel zu schnell nach staatlicher Hilfe gerufen. Eigentlich wäre es Aufgabe des einzelnen Unternehmers, in guten Zeiten Reserven zu bilden, um eine bestimmte schwierige Zeit zu überbrücken. Dass aber bereits wenige Tage nach dem Lockdown um Hilfe gerufen worden ist, verstehe ich nicht. Sowohl die produzierende Industrie als auch Dienstleistungsunternehmen haben bis Mitte März voll gearbeitet und fakturiert sowie mit Zahlungszielen von 30 – 60 Tagen noch regelmässig Geldeingänge verzeichnen sollen. Bei der Reisebranche dürfte allerdings – und da bin ich voll bei Ihnen – schneller ein Liquiditäts-Loch entstanden sein. Aber wenn die Pandemie noch weiter andauert (und im Moment ist es voraussichtlich so), wird sich dies katastrophal nicht nur auf die Reisebranche, sondern auch auf andere Bereiche auswirken.

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Und hier fehlt mir eigentlich eine letzte Frage im Rahmen Ihrer Umfrage!

4. Welche Chancen ergeben sich aus der Corona-Krise für die Reisebranche?

Diese Branche muss sich gewaltig ändern. Aus meiner Sicht braucht es nicht Reisebüros, sondern Travel-Services. Der Trend zu online Buchungen wird sich ganz extrem verstärken – ich habe heute alle Informationen online und kann direkt und komfortabel buchen, macht Spass und ich habe sofort Feedback, nicht wie beim Reisebüro, das uns dann schriftlich / per mail eine Reisedokumentation zustellt (resp. von Reisebüro-Online-Portal abschreibt…). Die Generation, die sich nicht mit online – Medien befasst und auch fremdsprachliche Probleme hat, wird zu klein sein, um das Überleben von vielen Reisebüros zu sichern. Dass die Folge eine Zunahme der Konkurse, verbunden mit Arbeitslosigkeit sein wird, ist leider die tragische Langzeitfolge.

Warum komme ich zu dieser Ansicht?

Wir waren von Januar 2020 – März 2020 auf einer Weltreise – knapp vor dem Lockdown planmässig zurückgekommen. Alle Flüge, Unterkünfte, Mietwagen, Schiffe etc. selbst und direkt gebucht – alle Unterkünfte mit Stornomöglichkeit bis 24h vor Anreise. Das hat uns ermöglicht, kurzfristig die Reisepläne zu ändern, verschiedene Unterkünfte zu stornieren und neue zu buchen/verlängern, Mietauto an einem anderen Zielort abzugeben als ursprünglich vereinbart und neue Flüge zu buchen. Wenn wir jeweils diese Reiseplan-Änderungen z.B. aus Neuseeland mit einem Reisebüro in der Schweiz hätten koordinieren müssen, wäre dies schon wegen der Zeitverschiebung gescheitert und wäre auch zu Lasten unserer Reiseerlebnisse gegangen.

Nun reisen nicht alle Leute so aufwändig wie wir, das zeigt ja auch der grosse Anteil der Pauschal-Reisenden – aber auch diese Zielgruppe wird früher oder später auf den “Geschmack” kommen, online zu buchen und bestehende Pauschalarrangements mit individuellen weiteren Reiseplänen zu versehen (Baukasten-System). Das bieten Sie ja bereits an in den Reisebüros – nur dauert es bei ganz kurzfristigen Anpassungen u.U. viel zu lange, bis die gewünschten Änderungen bestätigt sind.

Auch wir benutzen gelegentlich ein Pauschalreise-Angebot (in den letzten 10 Jahren gesamthaft 2-3 mal).

Einen Travel-Service resp. Baukasten-System können m.E. nur noch grosse Reiseunternehmen anbieten oder dann ein ganz spezieller Nischen-Player (z.B. Segeltörns oder Reisen zur Beobachtung von Nordlichtern, spezielle Expeditionsreisen, Sport etc). Ein (böse gesagt) 0815 Reisebüro wird keinen Markt mehr finden. Beispiel für ein Travel-Service wäre ich die Möglichkeit, bei sprachliche Barrieren lokale Ansprechpartner anzubieten, die – gegen Entgelt – hier den Reisenden individuell unterstützen (nicht eine Reiseleiterin, die z.B. nur an einem Wochentag für 1 Stunde in einem Hotel ist und sechs andere Hotels mitbetreuen muss).

Persönlich haben wir weltweit (Afrika, Asien, Australien, Neuseeland, Südsee) sehr gute Erfahrungen mit “Get your Guide” gemacht. Das ist sicher eine Extrem-Lösung, aber zwischen einer Reiseleitung im Hotel für eine Stunde und dem “Get your Guide” Führer gäbe es sicher noch viele für die Branche interessante Möglichkeiten. Da auch die Kommissionen in Ihrer Branche noch mehr unter Druck kommen werden, drängen sich solche Lösungen auf und ich bin überzeugt, dass dies der Kunde auch in einem gewissen Umfang honorieren wird.

Nun, das sind meine Gedanken zu Ihrer Umfrage und ich hoffe, sie fliessen in irgend einer Weise in Ihre Auswertung hinein.»