Forum: Corona – Reisebüro was jetzt?

Yves Bruttin, Teuhand-Unternehmer und spezialisiert auf die Reisebranche, rechnet vor, was die Corona-Krise buchhalterisch bewirkt und gibt nützliche Tipps.
Yves Bruttin

«Wir können uns kurz fassen: die heutige Lage ist ein Desaster und bedeutet eine einmalige Zäsur für die Outgoing Reisebranche. Was sind die Folgen? Was ist zu tun? Was sind die Möglichkeiten? Der nachfolgende Artikel soll eine Hilfe für unternehmerische Entscheide sein.

Auswirkungen

Da jedes Reisebüro und jeder Veranstalter mit einem Umsatz- und damit Ertragsrückgang von sicher 70% oder mehr rechnen muss, werden die Auswirkungen auf die Erfolgsrechnung und damit auf die Bilanz katastrophal sein. Eine einfache Rechnung soll zeigen, wohin die Reise geht.

Im Reisebüro belaufen sich die Lohnkosten inklusive Sozialleistungen auf 50% bis 60% des Bruttogewinns. Bei Eingabe von Kurzarbeit reduzieren sich die Lohnaufwände lediglich auf 40% bis 50% der «vor Corona» Kosten. Zu Jahresbeginn wurde voll gearbeitet, ab Herbst ist das Personal wieder zu vielleicht der Hälfte der Zeit anwesend. Im Durchschnitt über das ganze Jahr werden sich also die Lohnkosten auf die Hälfte reduzieren.

Ein weiterer Faktor sind die Mietkosten welche je nach Entgegenkommen des Vermieters gleich bleiben oder reduziert werden konnten. Die übrigen Betriebsaufwände (Verwaltung, Unterhalt und Reparaturen, Systemmiete, Werbung) sind sicher etwas reduziert aber wahrscheinlich auch nicht im gewünschten Umfang.

Wenn auch Neubuchungen getätigt werden können, wird ein Teil erst 2021 ertragswirksam da ja das Abreisedatum für die Erfassung in den Büchern massgebend ist.

Modellrechnungen, welche wir erstellt haben, zeigen, dass das Jahresergebnis 2020 mit diesen Parametern einen Verlust in tiefer sechsstelliger Höhe nach sich ziehen wird. Dies für Unternehmen im Umsatzbereich zwischen 3 und 6 Mio.

Reisebüros mit mehr oder weniger Umsatz schliessen natürlich entsprechend diesen Umsätzen mit höheren oder tieferen Verlusten ab. Allerdings ist bei diesen Büros auch das Eigenkapital anders aufgestellt (siehe Zwischenlösung).

Folgen

Ein Reisebüro als Aktiengesellschaft organisiert, verfügt über ein Eigenkapital von CHF 100’000, vielleicht mit Reserven CHF 120’000. Bei einem möglichen Verlust von CHF 130’000 ist das Reisebüro also bereits überschuldet und muss die Bilanz beim Gericht deponieren d.h. Konkurs anmelden.

Schlimmer sieht es natürlich aus, wenn es sich um eine GmbH handelt. Das minimale Eigenkapital beläuft sich hier auf CHF 20’000, mit etwas Reserven sind es vielleicht CHF 25’000. Ist der Verlust über diesem Wert kommt wieder der Gang ans Gericht.

Zwischenlösung

Der Bund stellt Covid-19 Kredite zur Verfügung, bis zum Betrag von 10% des Umsatzes werden diese ohne Prüfung gewährt. Diese Kredite können noch bis Ende Juli 2020 beantragt werden. Nachher gibt es Darlehen nur noch mit der normalen Bankprüfung. Was in der heutigen Situation kaum zum Erfolg führen dürfte.

Wichtig zu wissen: diese Kredite sind nur im ersten Jahr zins- und spesenfrei, ab dem 2. Jahr können diese Kosten belastet werden. Der Bundesrat wird dies zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden.

Noch wichtiger zu wissen: Die ersten zwei Jahre, also für die Abschlüsse 2020 und 2021 darf gemäss Entscheid des Bundesrates dieser Covid-Kredit zum Eigenkapital gezählt werden. In Zahlen: ein Reisebüro mit einem Umsatz von 2.5 Mio. hat einen Kredit von CHF 250’000 beantragt und erhalten. Das Eigenkapital (GmbH) beläuft sich auf CHF 25’000, somit beträgt das Eigenkapital gesamthaft CHF 275’000. Eine Überschuldung wäre also nicht mehr gegeben.

Fazit: Sollte noch kein Kredit verlangt worden sein, sofort einen beantragen!

Umgekehrt heisst das aber auch, dass der Verlust aus 2020 und eventuell noch aus 2021 spätestens im Jahr 2022 ganz abgetragen oder zumindest auf das ursprüngliche Eigenkapital reduziert werden muss. Sonst ist eine Überschuldung immer noch gegeben da die Covid-19 Kredite ab diesem Jahr nicht mehr zum Eigenkapital zählen. Viel Zeit bleibt also nicht.

Eine Alternative in zwei Jahren ist die Möglichkeit, Covid-19 Kredite durch private Kredite zu ersetzen. Diese Darlehen können dann mit einem Rangrücktritt belegt werden und zählen so wieder zum Eigenkapital.

Zukunft

Wie oben ausgeführt, bleibt nicht viel Zeit, das Unternehmen wieder auf eine solide Basis zu stellen. Bereits heute müssen langfristige Entscheide getroffen werden, da nach allgemeiner Einschätzung auch 2021 nicht die grosse Rückkehr zum Ertrag und Gewinn bringen wird.

Sofortige Massnahmen sind eigentlich nur auf der Kostenseite möglich. Die grossen Faktoren sind der Personalaufwand und die Miete oder Werbung. Bei Letzterem gilt: bin ich an zentraler Lage und bezahle teure Miete habe ich tiefe Werbekosten und umgekehrt. Hier ist also der Hebel für die Zukunft anzusetzen.

Kundengeldabsicherungen

Kaum ein Teilnehmer wird 2020 einen positiven Abschluss präsentieren. Es wäre darum wichtig zu wissen, wie die verschiedenen Kundengeldabsicherungen darauf reagieren.

Werden nun Verträge gekündigt? Dann stünden die Kundengeldabsicherungen relativ schnell ohne Teilnehmer da. Oder wird reihenweise die Garantiesumme erhöht? In einer Zeit, in der jedes Unternehmen mit der Liquidität kämpft? Das würde dann auch wieder das Ende vieler Reisebüros und Veranstalter bedeuten.

Da sich bereits vor Corona diverse Kundengeldabsicherungen mit der Rückzahlung von Garantien bei reduziertem Umsatz schwer taten, ist eigentlich mit dem Schlimmsten zu rechnen. Bereits jetzt wird mit zum Teil fadenscheinigen Begründungen und Hinweis auf die Corona Krise eine berechtigte Reduktion verweigert.

Eine Kommunikation, womit ein Reisebüro oder Veranstalter rechnen muss, wäre eigentlich in dieser Situation sehr hilfreich und fair im Sinne von Partnerschaft! Es wäre schade, wenn ein Unternehmen die Probleme heute meistert und dann von den Kundengeldabsicherungen den Todesstoss erhält.»

(Yves Bruttin)