«Für Ungeimpfte wird es sicher ungemütlich»

TRAVEL INSIDE fragt Christian Laesser, Professor der Universität St. Gallen, was die Reisebranche bei einer Ablehnung des Covid-Gesetzes erwarten muss.
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Am 28. November 2021 entscheiden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der Schweiz über das Covid-19-Gesetz. Das Parlament hat das Gesetz mehrmals dem Verlauf der Pandemie angepasst: es hat unter anderem Finanzhilfen ausgeweitet und die rechtlichen Grundlagen für das Covid-Zertifikat geschaffen. 

Am 13. Juni hatte die Schweizer Stimmbevölkerung ein erstes Mal über das Covid-19-Gesetz gestimmt und es mit über 60 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Abgestimmt werden muss ein zweites Mal, weil mehrere Bürgerbewegungen das Referendum gegen die Anpassungen von letztem März ergriffen haben.


Christian Laesser ©LS

Christian Laesser, Ende November stimmt die Schweiz über das Covid-Gesetz ab. Was muss die Schweizer Reisebranche bei einer Ablehnung erwarten?

Das ist sehr komplex. Beim Wegfall des Covid-Zertifikates ist die Frage, wie lange es dauern wird, bis wir eine andere Lösung haben. Ich traue unseren Dienstleistern in Bern zu, dass sie relativ schnell mit einem Notnagel kommen würden. Ich gehe allerdings nicht davon aus, dass das Referendum durchkommt. Falls aber doch, wäre das ein grosser Schluckauf – auch für die Reiseindustrie.

Das Zertifikat erleichtert das Reisen. Sollte man beim Reisen vermehrt zwischen Geimpften und Ungeimpften unterscheiden, bzw. Geimpfte bei Reiseangeboten bevorzugen?

Grundsätzlich wird der Regulator, also der Staat, das kaum machen. Damit würde er in die Gewerbefreiheit eingreifen. Es ist jedem Anbieter freigestellt, welche Massnahmen gelten sollen. Der Regulator kann vorschreiben, was sein soll, wenn man in Innenräumen ist, aber am Ende des Tages wird jeder Anbieter selbst entscheiden müssen. Die Lufthansa hat beispielsweise erste Nordatlantik-Flüge nur für Geimpfte.

Ich kann mir vorerst noch nicht vorstellen, dass eine Regierung den Nerv hat, Nicht-Geimpfte komplett auszuschliessen. Aber die Ungeimpften werden die Tests selbst bezahlen müssen. Man kann davon ausgehen, dass der Grossteil der Bevölkerung geimpft sein wird, 70 bis 80%. Bei den restlichen 20% gibt es auch einige, die sich aus gesundheitlichen Gründen gar nicht impfen lassen können. Das ist nicht zu unterschätzen.

Der Druck auf Ungeimpfte steigt.

Es wird sicher ungemütlich.

Werden Ungeimpfte künftig noch Reiseversicherung erhalten, die Covid-Fälle abdecken?

Das müssen die Versicherer entscheiden, aber so eine Diskriminierung wäre möglich. Die Reiseversicherung untersteht ja nicht dem Krankenversicherungsgesetzes (KVG). Aber eine Vergünstigung der Prämie für Geimpfte auf KVG-Ebene wäre legal wahrscheinlich grenzwertig. Wenn wir damit anfangen, öffnen wir die Büchse der Pandora. Dann müsste man in Zukunft womöglich auch melden, wie viele Kalorien man pro Tag zu sich nimmt. oder wie viel man raucht. Das KVG ist genau dafür da, dass ich mich unabhängig von meiner Lebensweise versichern kann.

Anders im Rahmen des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG). Da ist man relativ frei. In Bezug auf Reiseversicherung hätte ich Verständnis dafür, wenn eine Versicherung sagt, sie trage keine Covid-Krankheitskosten, wenn man nicht geimpft ist.

(Interview: Christian Maurer/Luisa Schmidt)


Morgen im TRAVEL INSIDE: Christian Laessers Meinung über die Rückkehr der Reisebranche in die Normalität und warum eine Flugticketabgabe zu mehr Flugverkehr führen kann.