Gastkommentar: «Also macht endlich die Grenzen auf!»

Der Autor und Branchen-Insider Erich Witschi arbeitet für Globetrotter und betreut die Helpline.

4,573 Milliarden Mal wurde 2019 das Flugzeug als Transportmittel gewählt. Für 2020 wurde vor Corona das Passagiervolumen auf 4’723 Milliarden geschätzt. Diese Zahl wurde unterdessen auf 2,246 Milliarden ‘korrigiert’ und für 2021 werden zirka 3,3 Milliarden prophezeit. Also in etwa gleich viele wie im Jahr 2014 (ja, ist noch nicht lange her).

Die Zunahme der letzten 5 Jahre kann also durchaus als enorm bezeichnet werden und gibt zu denken, auch wenn man sein tägliches Brot im Tourismus verdient. Wie soll, kann oder muss es nun weiter gehen?  Eine vom WWF Schweiz in Auftrag gegebene Umfrage hat ergeben, dass in den nächsten 5 Jahren 57% der Schweizer weniger oder gar nicht mehr fliegen wollen. 43% gaben an im Jahr 2019 das Flugzeug nie benutzt zu haben.

Umfragen sind bekanntlich gerade mal so viel wert wie das Papier auf dem sie gedruckt sind. Trotzdem muss das Resultat von uns ernst genommen werden. Die Umfragewerte wurden im Juni 2020 ermittelt und dürften jetzt, nach dem unsäglichen Chaos welches uns die Behörden im In- und Ausland mit täglichen Änderungen betreffend Covid-Tests, Quarantäne, Einreisebestimmungen und Massnahmen an Ort bescheren, noch schlimmer aussehen.

Ausserdem kommt voraussichtlich bald die CO2 Abgabe. Auch Greta & Co und die unsägliche ‘Extinction Rebellion’ sind wieder aufgewacht und setzen alles daran die Welt zu retten, respektive zu erpressen. Klar ist jedoch, dass die nächsten 5 Jahre unser Verhalten und den Tourismus als Ganzes stark verändern werden. Oder vielleicht, wer weiss, werden wir in ein paar Jahren auch wieder zu den alten Gewohnheiten zurück kehren – was aber höchst unwahrscheinlich ist.

Der weltweite Tourismus generiert 65,5 Millionen Jobs und 2,7 BILLIONEN US-Dollar Wirtschaftsleistung (3,6% der gesamten Weltwirtschaft). 10 Mio davon arbeiten für Airlines. Die restlichen 55 Millionen Jobs sind bei Hotels, Mietwagenfirmen, Flugzeughersteller und deren Zulieferer, Restaurants, Reiseführer, Reisebüros, DMC,  Museen bis hin zum Rosenverkäufer auf dem Piazza Duomo und vielen weiteren Menschen in der Tourismusindustrie zu finden. Die Branche und allen voran die Fluggesellschaften stehen vor einer Herkulesaufgabe!

Zuerst muss man sich fragen warum die Passagierzahlen seit 2014 von 3,3 auf 4,5 Milliarden gestiegen sind. Die Antwort liegt auf der Hand; es ist der Teufelskreis aus tiefen Preisen und Überkapazitäten. Tiefe Preise schreien nach zusätzlicher Kapazität – und umgekehrt. Überkapazitäten auf der Langstrecke entstanden u.a. mit der Einführung des A380, ein Flugzeug welches von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Auf der Kurzstrecke war es in erster Linie die aggressive Preisgestaltung der LCC. Alle anderen etablierten Fluggesellschaften mussten dann wohl oder übel mitziehen und gleichzeitig ihre Flotten vergrössern um die (Über-)Kapazität zu vergrössern. Und so drehte sich das Rad unaufhörlich und das nicht erst seit 2014.

Es hat aber in den letzten 5 Jahren zu einer veritablen Explosion der Passagierzahlen geführt. Zwei weitere wichtige wirtschaftliche Aspekte für die Zukunft der Airlines sind der ökologische Druck, ausgeübt durch Politik, Umweltorganisationen und der Presse sowie die Entwicklung des Ölpreises. Airlines werden dazu angehalten weniger zu fliegen und gleichzeitig immer neuere und effizientere Flugzeuge zu beschaffen um den CO2-Ausstoss zu senken. ‘Ältere’ Flugzeuge werden als ‘Spritfresser’ degradiert, ausrangiert und teilweise verschrottet und durch neue ersetzt, obschon sie bei guter Wartung noch über 10 Jahre einsatzfähig wären. Wie die Ökobilanz diesbezüglich aussieht wäre interessant zu wissen.

Betreffend Ökonomie wage ich zu behaupten, dass dies meist keinen Sinn macht, denn der höhere Spritverbrauch wird durch die älteren, amortisierten Flugzeuge und tieferen Leasingkosten aufgehoben. Aber ich lasse mich gerne eines besseren belehren.

Dann wäre da noch die Sache mit den Tarifen. Bereits vor Covid-19 wurden Preiserhöhungen gefordert, was sicher berechtigt und nötig war. Nun sieht die Sache schon etwas anders und schwieriger aus. Fast alle Airlines sind wirtschaftlich in eine Ecke gedrängt und eine Preiserhöhung wäre dringend notwendig. Wie aber reagieren die wenigen Passagiere die jetzt noch fliegen auf höhere Tarife.

Das ist die Gret(a)chenfrage: Die beste Strategie wäre wohl behutsame aber beharrliche Preiserhöhungen. Die Preise könnten z.B. alle 2 oder 3 Monate um (je nach Strecke und Tarifniveau) ein paar Franken erhöht werden, was von den meisten Passagieren gar nicht bemerkt würde. Drastische Preisaufschläge sind wohl kaum möglich.

Am Ende des Tages wird das Schicksal der Airlineindustrie (und der Reisebranche) aber durch den Zeitpunkt der Öffnung der Grenzen bestimmt. Wenn die Behörden auf einen Impfstoff warten und die Grenzen bis 2021 geschlossen bleiben ist Ende Feuer – der Letzte löscht das Licht. Der Druck auf den Beamtenschimmel und die Politik muss aufrecht erhalten werden, damit dieser behördliche Nonsens, der uns hierzulande und im Ausland aufgezwungen wird, endlich überdacht wird.

Ich bin überzeugt, WWF Umfrage hin oder her, die meisten Menschen warten nur darauf endlich wieder reisen zu können. Sei es mit dem Flugzeug, mit der Bahn, per Schiff, Velo, Auto oder zu Fuss! Also macht endlich die Grenzen auf!