Gastkommentar: «Ein schlimmeres Jahr als 2020»

Der TRAVEL INSIDE Autor und Branchen-Insider Erich Witschi arbeitet für Globetrotter und betreut die Helpline.

B A G, diese 3 Buchstaben haben in unserer Branche in den letzten Monaten und ganz besonders in den vergangenen Tagen für rote Köpfe und fassungsloses Staunen gesorgt. Letzten Sommer war es vor allem die unsägliche und grösstenteils sinnfreie Quarantäneliste (branchenintern auch «Shitlist» genannt) die uns auf Trab gehalten hat. Am 8. Februar haben uns die emsigen Beamten des BAG mit den neuen Einreise-bestimmungen nun ein weiteres Straussenei gelegt und damit auch noch die letzten verwegenen Reisewilligen verscheucht.

Seit Ausbruch der Pandemie am 11. März 2020 war es für Besucher aus dem europäischen Raum (EU/EFTA), sowie ein paar weiteren Staaten, problemlos möglich unsere Grenzen ohne wenn und aber zu passieren. Gleichzeitig wurde es für Schweizer zusehends schwieriger ins Ausland zu reisen, da die meisten Länder ihre Grenzen teilweise oder ganz dicht machten, oder die Einreise nur mit Auflagen wie z.B. PCR-Tests möglich war.

Nun haben kluge Köpfe im BAG bemerkt, dass wir diesbezüglich in der Schweiz wohl bislang etwas nachlässig waren. Obschon die Zahlen seit Wochen kontinuierlich sinken, wurde im Prunkbau in Köniz bei Bern beschlossen, für die Einreise in Helvetien doch noch einen negativen PCR-Test zu verlangen, und zwar für alle – böse Ausländer und dreiste Schweizer, die schamlos während einer Pandemie ein paar Tage oder Wochen ins verseuchte Ausland gereist sind.

Grundsätzlich ist gegen diesen Schritt nicht viel einzuwenden, da es andere Länder ja bereits so handhaben. ABER: Die Massnahmen schiessen weit über das Ziel hinaus und es bleibt der Verdacht, dass alles so kurz mal im Znüniraum das BAG zusammengezimmert wurde, ohne sich Gedanken über die Durchführbarkeit zu machen oder etwa auf die Idee zu kommen, dass sich noch Tausende von Eidgenossen im Ausland befinden, die nun selber schauen dürfen wie sie in die heimischen Gefilde zurückkehren und wo sie sich am Aufenthaltsort testen lassen können.

Die absurde Krönung ist jedoch die Tatsache, dass bei der Einreise aus einem sogenannten Risikoland (obwohl diese zum Teil tiefere Insidenzwerte aufweisen) nebst dem negativen Test und dem ausgefüllten Einreiseformular ZUSÄTZLICH noch eine 10-tägige Quarantäne verhängt wird. Die Quarantäne kann auf 7 Tage verkürzt werden, wenn man sich abermals testen lässt (auf eigene Kosten – versteht sich) oder man im Wohnkanton ein «Gesuch» um «vorzeitige Entlassung» stellt.

Dieses Prozedere ist an Sinnlosigkeit kaum noch zu überbieten. Eine 4-köpfige Familie zahlt so unter Umständen für eine Woche Urlaub auf den Kanaren für die diversen Tests mehr als für die gesamte Reise (Tests für Spanien, Tests für Einreise CH und u.U. Tests für reduzierte Quarantäne).

Das Ganze ist faktisch ein Reiseverbot und wurde wohl vor allem ausgeheckt, um den eigenen Landsleuten Auslandreisen gründlich zu vergrämen. Aber es kommt noch besser: Wer mit dem Auto in die Schweiz einreist, braucht weder einen Test noch sonst etwas – freie Fahrt für verseuchte Bürger! Per Bahn braucht es nur ein ausgefülltes Onlineformular (welches vermutlich nie kontrolliert wird).

Somit ergibt sich folgende, absurde Situation. Herr Meier fliegt ab Berlin nach Zürich und hatte während seines Aufenthalts auch noch geschäftlich im Bundesland Brandenburg zu tun (Risikogebiet). Er sitzt zusammen mit ca. 120 Passagieren 1½ Stunden im Flugzeug, wo die Luft durch ein leistungsstarkes Lüftungssystem mit aktiven Filtern ca. alle 3 Minuten komplett erneuert wird. Er muss jedoch bereits beim Check-In einen negativen Test vorweisen und dann nach Ankunft in der Heimat umgehend 10 Tage in die Quarantäne.

Reist er mit der Bahn, sitzt er u.U. mit 500 Fahrgästen in einem schlecht durchlüfteten ICE. Er kann sich dabei die Beine vertreten indem er hustend durch den den ganzen Zug läuft und vielleicht noch den Speisewagen (sofern geöffnet) aufsucht. Für die Einreise in Basel benötigt er lediglich das ausgefüllte Online-Formular und kann danach unbehelligt nach Hause – ohne Quarantäne, ohne negativen PCR-Test!

Wer zudem das Pech hat im Ausland vor dem Heimflug positiv getestet zu werden muss entweder an Ort und Stelle ausharren bis der Test wieder negativ ist, oder auf der Botschaft ein Gesuch für ein «Laissez Passer» stellen. Auf die Frage ob das nicht verfassungswidrig sei, kam folgende zynische Antwort des BAG: «Jeder Schweizer Bürger hat das Recht auf Einreise, er muss nur das richtige Transportmittel benutzen:»

Ich habe leider keine Zugverbindung zwischen den Malediven und der Schweiz gefunden! Dieser ganze Quatsch wird ohne Begründung oder plausible Erklärung und mit dem Segen des Bundesrats der Bevölkerung aufgetischt. Lasst uns hoffen das BAG kommt bald zur Besinnung und lockert so bald wie möglich diese meist unsinnigen Vorschriften oder hebt sie ganz auf. Sonst steht uns allen ein schlimmeres Jahr als 2020 bevor.

(Erich Witschi)