Gastkommentar: «Politiker und Virologen im Panikmodus»

Reto E. Wild, langjähriger Journalist im Touristikbereich, ärgert sich über die Quarantäne-Liste des BAG.

«Ich wollte Mitte Oktober zusammen mit meiner Familie zum zweiten Mal in dieser Coronazeit einen Anlauf nehmen, um meinen in Portugal lebenden Bruder zu besuchen und dort sowie auf den Azoren meine Ferien verbringen. Die Flüge habe ich im Mai auf Mitte Oktober umgebucht. Dann hat das BAG quasi innerhalb von ein paar Stunden Portugal auf die Quarantäneliste genommen. Ausschlaggebend dürfte die Zahl der positiven Fällen pro 100 000 Einwohner sein.

Ich möchte hier nicht mit privaten Angelegenheiten langweilen. Dazu ist die Zeit viel zu wertvoll. Ich schreibe, weil dieses Beispiel Bände spricht. Das BAG hat also ganz Portugal inklusive die Azoren und Madeira auf die Quarantäneliste genommen, obwohl die Inseln nachweislich besonders tiefe Fallzahlen haben. Offenbar weiss das BAG nicht, dass die Azoren auch zu Portugal gehören, denn es macht keinen Unterschied zwischen Festland und den Inseln.

Wenn ich die Liste analysiere, könnte ich beispielsweise laut BAG problemlos nach Ägypten reisen, weil dort die Zahlen offiziell tief sind. Wieso? Viele Ägypter sind zu arm, um Coronatests zu machen. Die Zahl der Fälle (Dunkelziffer) dürfte ähnlich hoch wie in anderen Ländern sein. Das BAG aber kümmert sich nur um offizielle Zahlen. In Luxemburg beispielsweise wurden rund 60 Prozent (!) der gesamten Bevölkerung getestet. Das wären bei uns 5,3 Millionen. Entsprechend hoch sind dort die Zahlen pro Kopf. Deshalb ist auch das Herzogtum auf der Quarantäneliste des BAG.

Das zeigt, dass diese Liste nicht durchdacht, zufällig und fragwürdig ist. Weshalb macht man bei Österreich regionale Unterschiede, bei Portugal aber nicht? Weil wir zufälligerweise an Österreich grenzen? Weshalb werden Länder mit einer besonders hohen Testdichte bestraft? Gibt es in einem Land kein Geld für Tests, wie etwa in vielen Teilen Afrikas, ist dann alles gut?

Im Prinzip könnte es mir ja egal sein, was mit dieser Liste ist. Ich könnte einfach immer dorthin reisen, wo grünes Licht ist. Aber nochmals: Es geht nicht um mich. Ich denke an all die Leidtragenden.

  1. Die Reisebüros in der Schweiz: Der Azorenspezialist, bei dem ich buchen wollte, erfährt, dass Portugal per sofort auf der Liste ist. Er muss nun alle abreisenden Kunden informieren und sie warnen, dass sie nach Rückkehr in die Schweiz in die Quarantäne müssen. Der Inhaber des Reisebüros ist Unternehmer und musste bereits mehrere Angestellte entlassen und konnte in den letzten Monaten niemand in die Kurzarbeit schicken, weil er ständig BAG-Entscheide ausbaden muss. Null Umsatz, null Ertrag und sehr viel Aufwand, für den die Kunden nicht aufkommen. Aber für unseren Bundesrat sind halt die Reisebüros mit ‘nur’ schweizweit 10 000 Beschäftigten nicht systemrelevant.
  2. Die Hoteliers in der Schweiz und im Ausland leiden unter solchen verheerenden Entscheiden – und damit alle Beteiligten der Wertschöpfungskette, also Fluggesellschaften, Mietwagenfirmen, Restaurants, Bars, Läden, Anbieter von touristischen Dienstleistungen, Souvenirverkäufer, Kofferträger, das Zimmermädchen etc.

Es ist absolut verantwortungslos, Entscheide lediglich auf Basis von Zahlen zu fällen. Damit schaden die Beamten der Wirtschaft erheblich. Das Swissôtel in Zürich-Oerlikon ist das jüngste Opfer. Beamte, die keinen Bezug zur Wirtschaft haben, sollten nicht mehr entscheiden. Sie sind sich kaum bewusst, was sie damit zerstören – oder es ist ihnen egal.

Wir müssen dringend beim Umgang mit diesem durchaus heimtückischen Virus mit einer gewissen Nüchternheit agieren. Ich sehe aber die meisten Politiker und Virologen in einem Panikmodus. Sie jagen der Bevölkerung mit immer weiteren Massnahmen Angst und Schrecken ein. Und die verschiedenen Länder schaukeln sich gegenseitig hoch. Von Planungssicherheit kann nicht die Rede sein.

Immerhin: Gegen Christian Drosten, eben in Deutschland mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, wird eine Sammelklage erhoben. Grund: Er entscheidet aufgrund von Zahlen, die nicht über alle Zweifel erhaben sind – so wie das BAG.»


Reto E. Wild (51) ist Tourismusprofi und Chefredaktor des «GastroJournals».