
Miami ist mit 8,2 Millionen Kreuzfahrt-Passagieren im Jahr 2024 unbestritten die Cruise-Capital der Welt. Kein Wunder, findet hier alljährlich mit der Seatrade Cruise Global auch der wichtigste Industrie-Event der Welt statt.
Die Veranstaltung kam in diesem Jahr vom 7. bis 10. April bereits zum 40. Male zur Durchführung. Hier Highlights aus dem umfangreichen Konferenz-, Ausstellungs- und Event-Programm.

Zur Eröffnung der Seatrade im Miami Beach Convention Center trafen sich am ersten Tag traditionell die Präsidenten & CEOs der vier grössten Cruise-Gesellschaften zu einer jeweils mit Spannung erwarteten State-of-the-Industry-Session.
Dieses Jahr stand das aktuell brennendste Thema auf der Hand: Die Auswirkungen der kontroversen Zoll-Politik von Donald Trump auf die Cruise-Industrie. Nach der Bekanntgabe der Massnahmen durch Trump brachen an der Börse die Werte von Carnival, Norwegian und Royal Caribbean vorübergehend massiv ein.
«Die Unsicherheiten und Veränderungen werden definitiv Auswirkungen auf die Branche haben», war Josh Weinstein, President & CEO von Carnival Corporation, überzeugt. Allerdings, so Pierfrancesco Vago, Executive Chairman Cruise Division der MSC Group, könne man im Moment die möglichen Folgen noch nicht klar abschätzen.
Man versuche derzeit herauszufinden, was die neuen Handelszölle für die Industrie bewirken, so die Top-Shots. Die Branche sei es zwar gewohnt, mit Ungewissheiten umzugehen, das neue Zollregime drohe jedoch die aktuelle Dynamik des Geschäfts mit rekordverdächtigen Vorausbuchungen für das Jahr 2025 zu gefährden.

So stiegen bei Carnival Corp. die Erträge im Quartal bis 28. Februar 2025 um 7%, die On-Board-Einnahmen gar um 9%. Und Harry Sommer, President & CEO von Norwegian Cruise Line Holdings, verwies auf die letztjährigen Rekordzahlen seines Unternehmens und hoffte, dass 2025 das Wachstum weiter anhalte.
Jason Liberty, President & CEO der Royal Caribbean Group, gab sich trotz der ungewissen Zoll-Thematik optimistisch: «Dies wird das massvolle weitere Wachstum der Kreuzfahrtbranche kaum verändern und uns nicht daran hindern, unsere Ambitionen zu erreichen», sagte er.
Zum Thema Cruise-Preise traf Pierfrancesco Vago abschliessend für viele Miami-Besuchende mit seiner Aussage den Nagel auf den Kopf: «Allein das Abendessen in Miami kostet so viel wie ein Tag auf einem Luxusschiff».
Schaufenster der Cruise-Industrie

Gegen 12’000 Teilnehmende aus 120 Ländern trafen sich an der 40. Seatrade in Miami. Rund 600 Aussteller aus allen Zulieferer-, Dienstleistungs- und Technologie-Bereichen sowie Destinationen weltweit präsentierten sich den Reederei-Besuchern.
Das Konferenz-Programm umfasste unzählige Panels, Sessions und Talk-Runden zu allen möglichen Themen mit über 250 Referenten und Gesprächsteilnehmenden.
«Die erste Seatrade-Konferenz fand 1985 mit rund 100 Teilnehmenden in New York statt», blickte Mary Bond, Group Director Seatrade Cruise, zurück. Und sie wies auf die seither gewaltige Entwicklung der Industrie hin: «Vor 40 Jahren zählte man gerade mal zwei Millionen Cruise-Gäste in den USA, heute sind es 18 Millionen».
Nachdem die weltweite Zahl der Kreuzfahrtpassagiere gemäss CLIA 2023 mit 31,7 Mio. Pax das bisherige Rekordjahr 2019 übertraf, ging CLIA-Präsident Bud Darr für 2024 von 34 Mio. Pax aus und rechnete für dieses Jahr mit 37 Mio. Pax. Dabei von speziellem Interesse: «70% der Buchungen werden über Reisebüros getätigt».
Wasserstoff-Premiere von Viking

Natürlich nutzten viele Aussteller die Gelegenheit, an der Seatrade an ihren Ständen ihre News vorzustellen. So präsentierte Pierroberto Folgiero, CEO der italienischen Fincantieri-Werft, zusammen mit Torstein Hagen, President von Viking, das erste wasserstoffbetriebene Kreuzfahrtschiff.
Dabei basiert der Antrieb der im Bau stehenden Viking Libra, die 2026 zur Auslieferung kommt, nebst MGO auch auf verflüssigtem Wasserstoff und zwei Brennstoffzellen der Firma Isotta Fraschini Motori, einer Fincantieri-Tochter. Diese werden eine Leistung von bis zu sechs Megawatt erzeugen – Ziel sind dereinst 30 MW.
Auch die für 2027 geplante Viking Astra wird diesen hybriden Antrieb erhalten. Zudem hat Viking bei Fincantieri zwei weitere Neubauten bestellt, wodurch die Hochseeflotte von Viking bis 2031 auf 21 Schiffe anwachsen wird.
Meyers Senioren-Projekt Serenity

Ein interessantes neues Schiffskonzept gab es am Stand der deutschen Meyer Werft zu entdecken. Das klimaneutrale Schiffsprojekt Serenity ist speziell für die immer ältere Zielgruppe der über 80-Jährigen gedacht. Denn bis im Jahr 2100 werden die über 80-Jährigen in den USA genau so viele Menschen umfassen wie heute die über 65-Jährigen, heisst es.
Serenity soll aber kein «Pflegeheim» werden, sondern spezifisch auf die Bedürfnisse der älteren, gut situierten Zielgruppe ausgerichtet sein, die in unabhängigen Wohnheimen lebt. Dabei geht es an Bord etwa um Anforderungen bezüglich der Laufwege, der sozialen Interaktion, des Passagierflusses oder der Orientierung an Bord.
Rosige Expeditions-Perspektiven

Viel Optimismus verströmten am Expeditions-Panel die CEOs spezialisierter Reedereien. «Wir stehen erst am Anfang der Entwicklung», war etwa Zito überzeugt.
Und Leahy doppelte nach: «Expeditionen und Abenteuer sind die am schnellsten wachsende Sektoren des Reisemarktes». Treiber sei das Bedürfnis der Menschen, mehr über die Umwelt zu lernen und das Eintauchen in neue Erfahrungen, sagte Rodriguez. Expeditionsreisende seinen keine typischen Cruiser, aber «Zulieferer» konventioneller Kreuzfahrten.
Dabei wünschten sich die Gäste einen Hauch von Luxus, aber auch die Robustheit, die eine Expeditionskreuzfahrt bietet, ergänzte Tamis. Alle waren sich einig, dass dabei selbstverständlich alle geltenden Regulationen und Umwelt-Aspekte die Basis allen Handelns darstellten.
Mittelmeer im Fokus

Einen vielbeachteten Auftritt hatte Theodora Riga, Präsidentin von Med Cruise (und der Corfu Port Authority) an der Seatrade. In einer Keynote unterstrich sie mit handfesten Zahlen die Bedeutung des Mittelmeeres als ein führendes und florierendes Cruise-Revier.
«Von weltweit 461 Kreuzfahrtschiffen sind in diesem Jahr 183 Einheiten im Mittelmeer unterwegs», sagte sie. Die Zahl der Cruise-Passagiere wuchs 2024 im Vergleich zu 2019 um 15,5%, die Zahl der Anläufe gar um 16,4%.
Med Cruise ist die Vereinigung der Cruise-Häfen am Mittelmeer und in angrenzenden Regionen wie das Rote Meer oder den Kanaren. Sie verfolgt die Interessen von derzeit 158 Kreuzfahrt-Häfen.
Residenz-Schiffe im Aufwind

Für einige Beachtung sorgte vor wenigen Wochen die Ankündigung des ex-Prestige-Cruises-CEO und heutigen Immobilien-Unternehmers Russell Galbut (Crescent Hights), mit Crescent Seas eine Flotte von fünf edlen Residenz-Schiffen aufzubauen. Bereits bekannt ist die Übernahme der Seven Seas Navigator von Regent Seven Seas Cruises, die ab Herbst 2026 als Navigator für Crescent Seas in See stechen soll.
An der Seatrade gab Russel nun die Übernahme eines zweiten Schiffes bekannt, der Insignia von Oceania Cruises. Das Schiff soll Ende 2027 zu Crescent Seas wechseln und nach Umbau 210 Wohneinheiten aufweisen, die zwischen 650’000 USD und einer Million USD kosten werden – inklusive Butler-Service und Gourmet-Küche.
Ein anderes hochkarätiges Residenz-Projekt stellte Meyer Yachts in Zusammenarbeit mit Ulyssia Residences des Schweizer Milliardärs und Pharma-Erben (Merck Group) Frank Binder vor: Die 320 Meter lange Ulyssia ist als luxuriöses Residenz-Schiff mit 133 Wohneinheiten und 22 Suiten geplant und soll bis in vier oder fünf Jahren Realität werden.
Die Flut der Reederei-News

Für die Reedereien ist die Seatrade der ideale Zeitpunkt, ihre Neuigkeiten bekannt zu geben. Hier ein kurzer Überblick wichtiger Meldungen:
Aida Cruises hat bei der Fincantieri-Werft zwei Schiffe einer neuen Bauklasse mit je 2100 Kabinen bestellt, die 2030 und 2031 zur Auslieferung kommen und die Aida-Flotte auf 13 Einheiten erweitern werden. Zum Einsatz kommt ein Multi-Fuel-Antrieb für LNG, Bio- und E-Fuels.
Carnival Cruise Line plant eine neue Baureihe Ace, die bis zu 8000 Gäste aufnehmen kann. Die neuen Gigaliner sollen 2029, 2031 und 2033 in Betrieb gehen. Die Reederei hat zudem die Namen der zwei nächsten Schiffe ihrer Excel-Klasse (Nr. 4 und 5) bekannt gegeben und dabei historische Namen wiederbelebt: Die Carnival Festivale wird 2027 in Dienst gestellt, die Carnival Tropicale 2028.
Emerald Cruises weitet ihre Hochsee-Flotte (aktuell Emerald Azzurra, Emerald Sakara und 2026 Emerald Kaia) im Jahr 2027 mit zwei weiteren neuen Superyachten aus, der Emerald Rajya und Emerald Xara. Und die Flussflotte wird 2026 mit der neuen Emerald Astra ergänzt, dem zehnten Star-Schiff auf europäischen Wasserstrassen.
MSC Cruises nutzte die Seatrade geschickt für Öffentlichkeits-wirksame Events im Rahmen ihrer USA-Initiative: Am 7.4. wurde das neue Terminal in Miami eröffnet, das mit 45’000 qm grösste Cruise-Terminal der Welt. Hier können täglich bis zu 36’000 Passagiere abgefertigt werden.
Und tags darauf sorgte im Hafen von Miami die Taufe der neuen MSC World America mit Taufpatin Drew Barrymore und einer spektakulären Drohnenschau über dem Hafen für Aufsehen, dem zweiten Schiff der World-Class, das nun ab Miami regelmässig in die Karibik kreuzt. TRAVEL INSIDE war an Bord und wird bald im Detail das neue Schiff vorstellen.
Aman at Sea gab den Namen ihrer ersten, mit Spannung erwarteten Luxus-Megayacht bekannt: Die Amangati der italienischen T. Mariotti-Werft in Genua wird 2027 in See stechen und über 47 Suiten verfügen.
Norwegian Cruise Line gab bekannt, dass die zwei ältesten Einheiten, die Norwegian Sun und Norwegian Sky, 2026/27 die Flotte verlassen werden und an die indische Cordelia Cruises gehen. NCL hat kürzlich die neue Norwegian Aqua in Betrieb genommen und erhält bis 2036 sieben weitere neue Schiffe.
Marella Cruises, die britische TUI-Reederei, hat bei Fincantieri zwei neue Schiffe für je ca. 3000 Gäste bestellt, die 2030 und 2033 in Dienst gehen sollen. Marella ist mit vier älteren Einheiten im britischen Markt aktiv.
Transcend Cruises, die neue Charter-only Flussfahrt-Gesellschaft, hat den Namen ihrer zwei Neubauten für je 120 Gäste bekannt gegeben, die in Holland erbaut werden und 2026 zur Auslieferung kommen: Die Transcend Connect und Transcend Evolve wollen sich als luxuriöse «state-of-the-art»-Charterschiffe positionieren.
Hochkarätige Splitter

Die Seatrade ist nicht zuletzt eine einzigartige Plattform für spontane hochkarätige Begegnungen. Vor Ort war zum Beispiel auch die Branchen-Koryphäe Manfredi Lefebvre d’Ovidio (auf dem Foto mit Torstein Hagen), dessen Vater Antonio einst die Reederei Silversea gründete und der Manfredi zwei Jahrzehnte als Chairman vorstand und die er als führende Luxus-Reederei positionierte.
Nach dem Verkauf von Silversea an die Royal Caribbean Group (2018) übernahm Manfredi Lefebvre d’Ovidio mehrheitlich den US-Luxusreiseanbieter Abercrombie & Kent und ist seither Co-Vorsitzender von A&K (sowie Vorsitzender der Familien-Finanzgruppe Heritage). 2022 kaufte A&K die Reederei Crystal Cruises mit zwei Schiffen und lässt zwei neue Einheiten bauen.

Und wie an jeder grossen Messe mangelte es an der Seatrade auch nicht an vielen Side-Events. So lud etwa Gebhard Rainer, der CEO von HX (Hurtigruten Expeditions) zum stimmungsvollen Cocktail auf der Dachterrasse im Betsy Hotel in Miami Beach.
Seine Absicht war klar: Seit der rechtlichen Trennung der beiden Hurtigruten-Sparten «Postschiff» und «Expedition» gilt es, den in HX umbenannten Expeditions-Spezialisten auch in den USA zu stärken. Gleichzeitig machte er auf die neuen Markenfarben «Indigoblau» und «Sand» aufmerksam, die nun den Look der Schiffe und der Marke prägen.
Mit den zwei modernen Hybrid-Schiffen Fridtjof Nansen und Roald Amundsen, den zwei renovierten Einheiten Fram und Spitsbergen sowie dem Galapagos-Schiff Santa Cruz ist HX ein führender Expeditions-Anbieter und wird 2026 das 130-Jahre Jubiläum mit speziellen Angeboten und Events feiern.
Beat Eichenberger, Miami Beach