Hotelplan-CEO Meyer: «Die Karten werden neu gemischt»

Die neue Chefin der Reisetochter von Migros rechnet mit Umwälzungen bei den Grossen in der Schweizer Reisebranche.
Laura Meyer, CEO Hotelplan Group. ©TI

Laura Meyer, Sie sind in der Reisebranche noch kaum bekannt. Wie würden Sie sich der Branche kurz vorstellen?

Ich bin Laura, 39, CEO der Hotelplan Gruppe seit Januar. Seit 2.5 Jahren kenne ich Unternehmen und Branche aus meiner Tätigkeit als Verwaltungsrätin. Beruflich hat mich schon immer interessiert, wie sich Konsumentenverhalten entwickeln und wie Unternehmen mit ihren Kunden mitwachsen können. Deshalb habe ich mich funktional spezialisiert in Strategie, Digitalisierung, Marketing&Sales. Natürlich reise ich fürs Leben gerne, als Familienmensch heute am liebsten mit meinem Ehemann und unseren 2 Söhnen.

Wie war Ihr Start mitten in der Corona-Zeit, einer Zeit, in der das Geschäft am Boden liegt – fühlte sich das wie ein Himmelfahrtskommando an oder hat die Krise als Herausforderung ihren speziellen Reiz?

Wir werden gut aus dieser Krise herauskommen. Wir sind sehr solid aufgestellt, dies nicht zuletzt auch dank unserem Aktionär. Der Markt wird zurückkommen, die Leute wollen reisen, die Impfkampagnen ziehen an. Ich war mir aber bewusst, dass Hotelplan Group wie auch die gesamte Reisebranche in einer sehr schwierigen Situation ist. Es ist auch eine spannende Situation, denn die Karten werden neu gemischt. Ich glaube, wenn man flexibel und innovativ unterwegs ist, kann man auch Erfolg haben.

Wenn die Karten neu gemischt werden: Rechnen Sie mit einer Strukturbereinigung, wird ein grosser Player verschwinden?

Schwer zu sagen, weil derzeit alle sehr stark unterstützt werden. Ich halte es aber für sehr unwahrscheinlich, dass in drei Jahren die gleichen Player die gleichen Marktanteile haben.

Was heisst das für Hotelplan?

Hotelplan Group wird weiterhin ein starkes und diversifiziertes Unternehmen sein.

Nach rund 100 Tagen im Amt, was macht für Sie der Reiz der Reisebranche aus?

Es sind vor allem die Menschen. Ich bin beeindruckt, wie positiv unsere Mitarbeitenden sind und auch nach einem Jahr Krise pragmatisch vorwärts schauen und anpacken.

Die Reisebranche ist eine Frauenbranche, trotzdem sind Sie die erste Frau an der Spitze eines grossen Reiseunternehmens. Ist die Reisebranche eine strukturell frauenfeindliche Branche?

Ich empfinde die Reisebranche nicht als frauenfeindlich. Über die Hälfte des Kaders von Hotelplan Group in der Schweiz sind Frauen, insgesamt ist der Frauenanteil bei den Mitarbeitenden noch grösser. Mit Nicole Pfammatter ist zum Beispiel auch eine Frau in der Geschäftsleitung von Hotelplan Suisse.

Eine Frau neben drei Männern. Offenbar gibt es doch eine gläserne Decke, die Frauen nur selten durchbrechen können.

Frauen sind vielleicht momentan noch unterrepräsentiert, aber ihr Anteil wächst. Das ist in der Reisebranche nicht anders als in allen anderen Branchen.

Werden es Frauen einfacher haben mit einer Frau an der Spitze von Hotelplan?

Bei Diversität geht es nicht nur Mann oder Frau, sondern um Vielfalt generell. Studien zeige, dass Vielfalt ein wichtige Erfolgsfaktor für Teams ist – und natürlich möchten wir erfolgreich sein.

Wie wichtig ist der Blick von aussen, den Sie als branchenfremde Chefin mitbringen?

Erfolgserbringend ist aus meiner Sicht ein Mix aus Innen- und Aussensicht. Wir haben sehr viel Wissen im Haus, etwa im Tour Operating, und ich bringe komplementäre Kompetenzen mit.

Welche?

Ich bringe Erfahrungen aus verschiedenen Branchen mit, der gemeinsame Nenner sind, wie gesagt, funktionale Kompetenzen: Digitalisierung, Strategie, Marketing und Sales und auch Transformation. Einfach gesagt: Nahe am Kunden sein, sehen wie sich das Kundenverhalten verändert und das Geschäft so anpassen, dass wir langfristig erfolgreich sind.

Stichwort Digitalisierung – das ist Ihr Kerngeschäft. Waren Sie selber bereits am Counter und haben geschaut, welche digitalen Probleme oder welchen Nachholbedarf es da gibt?

In meiner On-boarding-Zeit hätte ich drei Tage in den Filialen unterwegs sein sollen, was wir wegen des Lockdowns leider verschieben mussten. Im Tour Operating hatte ich schon Gelegenheit, die Systeme anzuschauen und auch Systembrüche zu sehen. Einen ersten Eindruck habe ich, er wird sich noch vertiefen.

Werden Sie den Tag bei der Basis nachholen?

Auf jeden Fall. Auch im Call Center und bei den Interhome Local Service Offices, das ist mir sehr wichtig.

Zurück zur Digitalisierung. Ein wichtiger Treiber war der Kauf von Vtours mit deren Online-Verkaufs-Know-how. Was hat das bisher gebracht?

Wir haben schon letztes Jahr mit der Migration angefangen, damit Vtours und Hotelplan Suisse auf dem gleichen System arbeiten. Dabei wurden auch Tools von Vtours integriert. Ein erster konkreter Erfolg, von dem auch unsere Kunden profitieren, sind die Vtours-Produkte die auch in der Schweiz unter dem Label Vtours International vertrieben werden. Längerfristig schauen wir weitere Zusammenarbeitsmöglichkeiten im Volumengeschäft an.

Die dynamische Paketierung bei Hotelplan Suisse war ein kleiner Quantensprung im Tour Operating. Welchen Quantensprung peilen Sie als nächstes jetzt an?

Im digitalen Bereich ist es sicher die konsequente Umsetzung der Multi-Kanal-Strategie, damit Online und Offline stärker verschmelzen. Das zweite Thema der Reisebranche, nach der Digitalisierung, ist Nachhaltigkeit.

Wie wird sich das Verhältnis Online/Offline entwickeln, und wohin geht es mit der Videoberatung?

Grundsätzlich ist unser Ziel, für den Kunden dann da zu sein, wenn er Zeit hat und auf dem Kanal, den er möchte. Das variiert nicht nur von Kunde zu Kunde, sondern ist auch produktabhängig. Wer einfach an die Wärme will, kann Spanien online durchbuchen. Wer Beratung will, kann sie online oder im Reisebüro haben.

Wie viele Filialen hat Hotelplan in der Schweiz noch?

Es sind 81.

Wie viele wurden jetzt wegen Corona geschlossen oder stehen weitere Schliessungen an?

Im letzten Sommer waren es 12, jetzt im März nochmals 4. Weitere Schliessungen sind nicht geplant. Und selbst wenn es doch welche geben sollte, zieht das nicht zwingend einen Stellenabbau nach sich.

Lassen Sie mich das noch in eine Perspektive setzen: Die Zahl der Reisebüros in der Schweiz hat sich insgesamt in den letzten 10 Jahren fast halbiert – die Zahl der Filialen bei Hotelplan Suisse nicht. Wir haben es geschafft, eine grosse Zahl Reisebüros zu halten.

Haben Sie noch genügend Filialen?

Wir haben immer noch ein grosses Filialnetz. Das schauen wir uns natürlich immer wieder an und prüfen auch neue Formate. Aber es gibt ein steigendes Bedürfnis nach virtueller Beratung per Telefon oder Videokonferenz.

Zukauf ist kein Thema?

Wir schauen uns M&A-Optionen natürlich immer an. Wenn es strategisch Sinn macht, dann realisieren wir sie.

Und diese Reisebüros werden dann in der TW AG parkiert?

In der TW AG haben wir erfolgreiche Reisebüros aufgenommen, welche auf der Suche nach einer Nachfolgelösung waren. Im Moment sind es sieben.

Wie steht es um die Liquidität, kann Hotelplan Group immer noch hausintern im Cash-Pool der Migros Geld beziehen? Bei einem Mitbewerber aus Deutschland kennt man die Höhe der Staatshilfe ganz genau…

Der Migros-Genossenschafts-Bund unterstützt uns, das stimmt. Zahlen geben wir dazu nicht bekannt. Aber so viel kann ich sagen: Der Betrag steht in keinem Verhältnis zur Summe bei einem Player, der vertikal integriert ist. Unser Cash-drain ist deutlich tiefer.

Also verhältnismässig deutlich weniger. Wie steht es mit Härtefallhilfe des Staats, ist das immer noch kein Thema für Hotelplan Group?

Wir haben mit der Kurzarbeit ein Instrument, das wir nutzen. Weitere Staatshilfe zu beziehen steht im Moment nicht zur Debatte. Es ist ein klarer Entscheid des Migros Genossenschafts-Bunds, diese Hilfen nicht in Anspruch zu nehmen. Ich persönlich finde, das ist ein schöner Beitrag an den wirtschaftlichen Schaden, den diese Pandemie anrichtet. Wenn wir nicht vom MGB unterstützt würden, würden wir allerdings ziemlich sicher Staatshilfe beanspruchen müssen.

Wie ist die Stellung des Verlustbringers Hotelplan Group neben den Krisen-Durchstartern wie DigitecGalaxus innerhalb der Migros-Gruppe?

Hotelplan Group wurde von Gottlieb Duttweiler gegründet und ist seit 1935 Teil von Migros. Die Migros glaubt an unser Geschäft. Wir haben mit Migros Ferien auch einen erfolgreichen Brand, der die Marke trägt.

Die Hotelplan Gruppe hat derzeit rund 2000 Mitarbeitende. Werden es so viele bleiben oder müssen noch Stellen abgebaut werden?

Im Moment sind keine Entlassungen mehr geplant.

Wie sehen die Finanzahlen in der Schweiz jetzt aus?

Der Anfang dieses Jahres war sehr schwierig, aber wir sind zuversichtlich für Sommer und Herbst. Wir haben Flugkapazitäten beschafft, das Portfolio durchgekämmt und auf die Kundenbedürfnisse in der Pandemie optimiert.

Im Pandemie-Jahr ist der Umsatz von Hotelplan Group weit unter eine Milliarde Franken gefallen – wie lange haben Sie Zeit, diese Marke wieder zu überschreiten?

Umsatz allein ist nicht die wichtigste Kennzahl. Was am Schluss übrig bleibt und Faktoren wie Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit zählen natürlich auch. Verschiedene Prognosen gehen davon aus, dass das Reisegeschäft 2023/24 auf dem Niveau von 2019 sein wird. Bei uns wird das in den einzelnen Geschäftsfeldern unterschiedlich sein. Interhome zum Beispiel ist sehr gut unterwegs und hat auch viel Zukunftspotenzial, auch Destinationen rund ums Mittelmeer werden sich schneller erholen.

Wie verteilen sich jetzt die Anteile?

Die Schweiz ist bis jetzt die grösste Destination in diesem Jahr. Das wird sich wahrscheinlich im Sommer noch ändern. Generell wird weiterhin sehr kurzfristig gebucht, auch für die Schweiz. Eine Ausnahme ist UK: Hier haben wir bereits zahlreiche Buchungen für Skiferien im nächsten Winter.

Kann man daraus schliessen, dass Hotelplan UK fest im Portfolio bleibt und nicht aufgegeben wird?

Wir überprüfen unser Portfolio immer ständig, im Moment ist kein Verkauf geplant. Hotelplan UK hat wie gesagt sehr gute Buchungen für das nächste Jahr und auch ganz innovative Unternehmen wie Explore und Intravel, die beide im Bereich Nachhaltigkeit und Slow Travel Vorreiter sind.

Wie wird sich der Brexit weiter auf das UK-Geschäft auswirken?

Wir haben es schon vor der Krise 2019 im Chalet- und Sommergeschäft gespürt, als Ferien in Europa für die Briten teurer wurden. Das Chalet-Geschäft wird sich auch ändern, weil wir nicht mehr britisches Personal wie zum Beispiel Nannies für unsere britischen Kunden nach Europa einfliegen können.

Wird sich das auf die Umsätze und das Volumen auswirken?

Wir haben während der letzten zwei Jahre die Anzahl Chalets reduziert und setzen vermehrt auf Hotels.

Ein andere Sorgenpaket sind wahrscheinlich die Geschäftsreisen, bei denen niemand mit einer schnellen Erholung rechnet. Werden die beiden Busines-Travel-Firmen BTA First Travel und Finass jetzt fusioniert?

Das ist im Moment kein Thema. Finass und BTA haben unterschiedliche Profile und Kunden. Persönlich rechne ich damit, dass das Gesamtvolumen im Business Travel abnehmen wird, weil die Leute die Vorteile von virtuellen Treffen erkannt haben, auch kostenseitig. Aber man kann ja auch in einem kleiner werdenden Markt neue Markanteile holen. Dafür sind Finass und BTA gut positioniert.

Zum Schluss noch eine Frage zur Nachhaltigkeit, die Sie schon als zweites Thema nach Digitalisierung angesprochen haben: Wie steht Hotelplan Group zur CO2-Abgabe mit Flugticketsteuer, über die demnächst abgestimmt wird?

Zur Politik möchte ich mich nicht äussern. Sicher ist Nachhaltigkeit auch für uns ein wichtiges Thema, das wir in drei Dimensionen anschauen: Alternative Produkte, Kompensation und Transparenz. Auf der Produkteseite sind es zum Beispiel Bahn- oder E-Auto-Reisen. Kompensation bieten wir schon lange an und ein Drittel der Kunden im Reisebüro kompensiert.

Die Migros hat kürzlich eine Nachhaltigkeits-Skala für ihre Produkte eingeführt – wann gibt es das für Reisen bei Hotelplan Group?

Das könnte ein Ansatz sein. M-Check finde ich persönlich eine tolle Initiative, denn sie lässt den Kunden entscheiden, gibt ihm aber auch die Informationen, die er braucht. Transparenz ist eines der wichtigen Themen im Bereich Nachhaltigkeit.

(Interview: Christian Maurer/Angelo Heuberger)