
Auf der jährlichen Hauptversammlung der International Air Transport Association (IATA) im indischen Neu Delhi präsentierte IATA-Chef Willie Walsh seinen Jahresbericht zur Luftfahrtbranche. Er freue sich einerseits, dass diese «weiterhin stark und relevant» sei, was die Zahl der Reisenden, die bald 5 Milliarden pro Jahr überschreiten werde, eindrucksvoll unterstreiche.
Auch die Tatsache, dass die weltweit rund 69 Millionen Tonnen beförderter Luftfracht immerhin einen Drittel des Welthandels ausmachen, stärke den Stellenwert der Fliegerei.
Über andere Themen zeigte sich Walsh aber deutlich weniger amused, wie zum Beispiel die Erreichung der branchenweiten Klimaziele. Bei diesem Thema wählte er denn auch markant deutlichere Worte, speziell um seinem Unmut über die Klimapolitik der EU Luft zu verschaffen.
So unterstellt er den Behörden der EU, zwar ambitionierte Vorgaben bezüglich der Klimaziele für die Luftfahrtindustrie zu erstellen, doch die Öffentlichkeit werde dadurch getäuscht, weil die Politik nicht bereit sei, dafür auch die nötigen Voraussetzungen zu schaffen, wie das deutsche Portal ‘Reisen vor neun’ berichtet.
Walsh fordert mehr staatliche Unterstützung für nachhaltige Flugkraftstoffe (SAF), damit die Umsetzung der Klimaziele bis 2030 nicht blockiert werde. Seine Organisation IATA sieht in den Sustainable Aviation Fuels nämlich die derzeit einzige wirkliche Option, um die Emissionen im Luftverkehr senken zu können.
Regierungen in der Verantwortung
Laut dem IATA-Boss haben sich die Regierungen und die Politik «aus der Verantwortung gezogen», weil sie keine fairen Rahmenbedingungen geschaffen haben, um die ambitionierten Klimaziele mit entsprechender wirtschaftlicher Tragfähigkeit erreichen zu können.
«Ein Skandal»
Grosse Mineralölkonzerne wie Shell oder auch BP hätten wegen des geringen Anreizes bereits ihre Investitionen in die Produktion von SAF reduziert – nun müssen die Airlines bis zu doppelt so viel für SAF zahlen wie für herkömmliches Kerosin, poltert Walsh weiter und bezeichnet dies als Skandal.
Besonders die Europäische Union bekommt ihr Fett weg, weil diese den Fluggesellschaften verbindlich vorschreibt, bis 2030 mindestens zwei Prozent des gesamten Treibstoffaufkommens durch SAF zu ersetzen, ohne einen politischen Rahmen dafür zu schaffen.
Die IATA spricht in diesem Kontext vom «grössten grünen Betrug Europas» und sieht dadurch die Klimaziele, konkret die Reduzierung der CO2-Emissionen um fünf Prozent bis 2030, als kaum realisierbar, weil schlicht klare industriepolitische Impulse fehlen würden. Die Politik müsse umdenken: «Wenn man ernsthaft eine Transformation will, muss man auch den Rahmen mit planbaren Markbedingungen dafür schaffen, und nicht die Verantwortung allein auf die Airlines abwälzen.» (CF)