IST-Chefin Diermeier: «Wir wissen noch nicht, ob der Grundkurs stattfindet»

Nicole Diermeier, Geschäftsführerin und Gesamtschulleiterin der IST AG, über die Auswirkungen von Corona auf den Branchen-Nachwuchs.
Nicole Diermeier, Geschäftsführerin und Gesamtschulleiterin der IST AG, Höhere Fachschule für Tourismus in Zürich ©Ivo Scholz

In der Schweiz konnten im letzten Spätsommer trotz Corona über 100 Lernende eine Ausbildung in der Reisebürobranche beginnen. Ein starkes Statement für den Glauben an die Zukunft. Obwohl bereits im letzten Jahr zahlreiche Unternehmen Stellen abgebaut haben, wurde noch grosszügig in den Nachwuchs investiert. Als Vergleich: Im Jahr 2019 waren es sogar weniger als 100 Jugendliche, die in der Reisebranche ins Berufsleben gestartet sind.  

Für 2021 könnte der Schweizer Reisebranche aber ein Corona-Jahrgang drohen. TRAVEL INSIDE wollte es genau wissen und hat bei Nicole Diermeier, Geschäftsführerin und Gesamtschulleiterin der IST AG, Höhere Fachschule für Tourismus in Zürich, nachgefragt, wie stark sich Corona in diesem Jahr auf die Ausbildung und die Anzahl der Auszubildenden auswirkt. 

In der heute erschienenen TRAVEL INSIDE-Print-Ausgabe (Nr. 17/18) haben sich auch die fünf grossen Reiseveranstalter zum Thema «Branchen-Nachwuchs während Corona» geäussert.


Frau Diermeier, wie stark wirkt sich Corona in diesem Jahr auf die Tourismus-Ausbildung aus?  

Wir spüren im Moment eine gewisse Verunsicherung bei den jungen Leuten bezüglich der Berufswahl in der Tourismusbranche. Das ist aufgrund der momentanen Situation absolut nachvollziehbar. Dieser Verunsicherung müssen wir mit allen Mitteln entgegenwirken, damit es in der Branche mittelfristig nicht zu einem Vakuum an qualifizierten Tourismusfachkräften kommt.  

Die IST engagiert sich stark in all diesen Themen und ist massgeblich an der Initiierung der Speedating-Days zwischen Schweizer Tourismus-Unternehmen und Studierenden der Tourismusfachschulen, welche durch den VSTM organisiert werden, beteiligt. Eine weitere Massnahme in diese Richtung war der Aufruf vom STV an die Branche für mehr Praktikumsstellen.

Wie verhält sich die Anzahl Schüler im Vergleich zu 2019? 

Wir sind auf Budgetkurs, das heisst, die Anzahl Anmeldungen für das Herbstsemester 2021 verhalten sich in etwa gleich wie in den Vorjahren. Wir können in der Ausbildung zum/zur Tourismusfachmann/-frau wie gewohnt mit zwei Klassen starten, wobei ein leichter Trend zum berufsbegleitenden Studium spürbar ist. Die Angaben beziehen sich auf den HF Studiengang.

Im Bereich Grundkurs sieht es etwas anders aus, d.h. hier können wir im Moment noch nicht definitiv sagen, ob wir diesen Kurs durchführen können. Wir spüren ganz stark auch das Thema «Kurzfristigkeit», d.h. die Anmeldungen kommen später rein.

Wie wird im Moment unterrichtet – gibt es Pläne für den Verlauf des Jahres – wird mehr und mehr von zu Hause gearbeitet? 

Corona hat diesbezüglich einiges verändert und vor allem Themen wie die Digitalisierung beschleunigt. Auch wir an der IST passen uns den aktuellen Herausforderungen an und investieren auf der inhaltlichen sowie methodischen Ebene wie auch in moderne Infrastruktur, um den Ansprüchen der «Next Generation» gerecht zu werden und weil wir an die Zukunft des Tourismus glauben. Die Zukunft wird auf jeden Fall von neuen, zeitgemässen Unterrichtsformen wie beispielsweise der sogenannten «Flipped Classroom»-Methode geprägt sein.  

Im Moment bauen wir die gesamte IST in Zürich um und statten sie mit modernster Technik aus. Zudem lancieren wir ein europaweit einzigartiges NDS HF Angebot in Tourismusmanagement mit Vertiefungsmöglichkeiten in Outdoormanagement, Nachhaltigkeit oder Digital Tourism to go. 

Im Weiteren planen wir eine Charmeoffensive unter dem Titel «#Tourismuszukunft» mit Statements von namhaften Persönlichkeiten aus Tourismus, Politik und Wirtschaft sowie Alumnis der IST. Es geht darum, den zukünftigen Tourismusfachleuten Mut zusprechen und sie spüren zu lassen, dass wir alle an den Tourismus und seine Zukunft glauben. Die Kampagne wird im Rahmen der «Wieder-Eröffnung» der IST am 8. & 9. Juni 2021 lanciert. 

Hat die Nachfrage eine Lehre im Reisebüro zu machen abgenommen? 

Ich glaube nicht, dass die Nachfrage grundsätzlich bei den interessierten Schülern nachgelassen hat. Die Stellen waren seit mehreren Jahren rückläufig, d.h. bereits vor Corona haben wir massiv weniger Lehrstellen als noch vor 5-6 Jahren. Das hat einerseits natürlich mit der schwierigen Situation der Reisebüros zu tun, aber auch, weil nicht immer alle Stellen mit geeigneten Lernenden besetzt werden konnten. 

Wie ist das Feedback Ihrer Schüler – macht die Reisebranche immer noch Spass?  

Diese Frage kann ich mit grosser Überzeugung bejahen. Klar machen sich die Studierenden aus der Tourismusbranche Gedanken zu ihrer Zukunft und da ist es unsere Aufgabe, sie zu begleiten und zu unterstützen. Aber der/die Touristiker/in ist von Natur aus ein positiv denkender Mensch, der in allen Situationen eine Chance sieht. Das stimmt mich zuversichtlich, dass wir auch in Zukunft auf gut ausgebildete und hochmotivierte Fachkräfte im Tourismus zählen dürfen! 

Was können Sie mir weiter noch zum Thema «Lernende während Corona» erzählen? 

Ich komme gerade aus einer Projektwoche mit einer berufsbegleitenden HF-Klasse aus Zermatt zurück. Obwohl die Studierenden eine intensive Arbeitswoche hatten, waren alle überglücklich, sich endlich wieder einmal physisch begegnen und die Praxis spüren zu dürfen. Selbstverständlich immer unter Einhaltung der aktuellen Schutzmassnahmen. 

(Yannick Suter)