Ist ‘Hire – Train – Deploy’ das Mittel gegen Fachkräftemangel?

Manfred Ritschard, Betriebsausbilder und Tourismus-Experte, sagt ja und erklärt warum.
Manfred Ritschard, Betriebsausbilder, Coach und Tourismus-Experte ©zVg

Auch die Reisebranche leidet unter dem Fachkräftemangel und sucht händeringend nach Personal mit Fachwissen. Dass dieses nicht zu finden ist auch auch in Zukunft nicht zu finden sein wird, hat nicht nur mit den Abgängen wegen der Pandemie oder zu tiefen Löhnen zu tun, sondern vor allem damit, dass sich die Berufstätigkeit der geburtenstarken Jahrgänge vor der Erfindung der Pille ihrem Ende zuneigt.

Noch immer werden Stellen mit mehr oder weniger anspruchsvollen Anforderungsprofilen ausgeschrieben, obwohl sich niemand bewirbt, der diesen entspricht. Deshalb propagiert Manfred Ritschard, der in der Branche bekannte Betriebsausbilder, Verkaufstrainer und Gründer von Manfred Ritschard & Partner GmbH die Methode ‘Hire – Train – Deploy’. Im folgenden Interview mit TRAVEL INSIDE erklärt er warum und wie vorgegangen werden sollte.


Manfred Ritschard, wir leben in Zeiten des Fachkräftemangels wovon auch die Reisebranche stark betroffen ist. Als Betriebsausbilder, Coach und Tourismus-Experte propagieren Sie das Vorgehen ‘Hire – Train – Deploy’. Können Sie erläutern weshalb und was darunter zu verstehen ist?

Hire heisst Einstellen, Train heisst Ausbilden und Deploy heisst Einsetzen. Früher sagte man, man muss zuerst Ausbilden und erst dann Einstellen. Zu Beginn steht aber Deploy, sprich das Einsatzgebiet. Basierend darauf wurde ein Anforderungsprofil erstellt, diesem entsprechende, bereits ausgebildete Fachkraft gesucht und eingestellt. Dies funktionierte zu Zeiten als es genügend Fachkräfte im Markt gab.

Die Ausgangslage ist heute eine andere, weshalb man schauen muss wen man überhaupt bekommen kann, wo man die Person einsetzen möchte und wie man sie für diese Position ausbilden muss. Langfristig kann man in einem Unternehmen auf diese Art Fachkräfte aufbauen.

Gibt es konkrete Beispiele aus anderen Branchen?

Natürlich machen das Firmen heute, beispielsweise in der Pharmabranche oder in der Hightech-Industrie. Im Fachhandel, d.h. dort wo es um Kundenkommunikation und Verkauf geht, kann man mit relativ überschaubaren Aufwand neue Mitarbeitende, schulen, trainieren und befähigen zu bestimmten Aufgaben im Umgang mit Kundschaft, beispielsweise im Verkauf.

Es geht ja darum Kräfte einzustellen, auszubilden und einzusetzen, die kein spezifisches Branchenwissen mitbringen. Wie rekrutiert man solches Personal?

In der Kommunikation gegenüber dem Arbeitsmarkt muss das Unternehmen vermitteln, dass es einstellt, einen Lohn bezahlt, ausbildet und dann einsetzt. Natürlich gibt es keine Stelleninserate in denen steht «kommen Sie zu uns, wir stellen Sie ein, bezahlen Ihnen einen Lohn, schauen wo wir sie einsetzen wollen und bilden Sie entsprechend aus».

Heute funktioniert eine Rekrutierung auf diese Art und Weise viel mehr über die Netzwerke der Manager und der Mitarbeitenden. Diese suchen in ihren Netzwerken aktiv nach motivierten Kandidat*innen und vermitteln diesen konkret das Prinzip ‘Einstellen – Ausbilden – Einsetzen’.

Wie soll man mit diesem Vorgehen umgehen? Was für vorhergehende Massnahmen empfehlen Sie?

Im Bereich der Rekrutierung eines Unternehmens sollte diese Rekrutierungsmethode als Projekt gestartet werden. Dieses soll in Teilprojekte unterteilt werden, wovon eines beinhaltet, wie und worüber dies gegenüber dem Arbeitsmarkt kommuniziert werden soll, beispielsweise über Job-Plattformen, Social Media wie Linkedin etc. und über die bestehenden Mitarbeitenden.

Ein weiteres Teilprojekt ist ‘Train the Trainer’, wo es darum geht, bestehende Mitarbeiter*innen, allenfalls mit Unterstützung externer Fachleute, zu befähigen, neue Mitarbeitende auszubilden und zu coachen. Diese bestehenden Mitarbeiter*innen verfügen bereits über das Fachwissen, weshalb es bei deren Training viel mehr darum geht, ihnen didaktische und methodische Fähigkeiten zu vermitteln.

Wenn das ganze Konzept steht geht man an die internen Schulungen. Dies ist dann ein fortlaufendes Projekt neue Mitarbeitende zu befähigen im Unternehmen bestimmte Funktionen ausführen zu können, damit man diese dann einsetzen kann.

Könnte Manfred Ritschard & Partner bei der Train the Trainer – Ausbildung unterstützen?

Ja wir können unterstützen beim Erarbeiten der Gesamtkonzeption und dann natürlich insbesondere bei der Train the Trainer – Ausbildung. Ich würde das eher Train the Coach nennen, wo es darum geht, Leute im Unternehmen zu befähigen, dass sie andere befähigen können und zwar nicht in Form von Schulungen sondern von Coaching on the Job von Einzelpersonen oder Kleinstgruppen.

Bieten Sie entsprechende Kurse an?

Wir arbeiten mit grösseren Unternehmen entsprechend zusammen. Allerdings ist es eine Tatsache, dass kleinere Unternehmen wie Reisebüros oder kleine Touroperator, gerade wegen des Fachkräftemangels, nicht noch neben her ein solches Projekt stemmen können.

Könnten nicht Verbände bzw. Vereinigungen wie SRV, TPS und STAR eine Plattform für solche Kurse bieten? Sind Sie auf diese mit konkreten Angeboten zugegangen?

Das wäre eine Möglichkeit über diese Organisationen ‘Train the Coach’ – Kurse anzubieten. Das didaktisch-methodische Wissen, wie man Coaching im Betrieb macht, könnte innert zwei bis drei Tagen vermittelt werden. Man müsste aber auch weitere Inhalte, beispielsweise wie man eine Reiseberatung macht und gewisse technische Fähigkeiten aufbereiten und vermitteln, damit der Coach mit einem Gesamtpaket in das Unternehmen zurückgehen und mit dem Coaching beginnen kann.

Gäbe es noch andere Ansätze?

Grundsätzlich ist es doch so, dass im heutigen Arbeitsmarktumfeld niemand bereit ist, für eine Umschulung etwas zu bezahlen. Eine Umschulung ist bis auf wenige Ausnahmesituationen gar nicht notwendig, da es ja im erlernten Beruf genügend Möglichkeiten gibt.

Deshalb wäre das Anbieten von für die Teilnehmenden kostenlosen Quereinsteigerkursen, finanziert durch die Branchenverbände bzw. -Vereinigungen, eine weitere Möglichkeit um den Fachkräftemangel zu mildern.

Wie lange rechnen Sie dauert es, bis eine branchenfremde Kraft so weit ist, um im Reisebüro, bei einem Spezialisten oder Generalisten voll einsatzfähig ist?

Mit einem guten Coaching Programm, welches beispielsweise pro Woche einen halben Tag Training nach einem vorab festgelegten Programm beinhaltet, und der Mitarbeiter während der Arbeit täglich beobachtet, on the Job ausgebildet und auch korrigiert wird, bringt man bei einem motivierten Mitarbeitenden innerhalb eines Monats gute Resultate hin.

Wenn man dies als Projekt gut plant, kann man jemanden in einem Monat soweit befähigen, dass er einen wesentlichen Beitrag leistet und seinen Lohn rechtfertigt. Aber natürlich kommt die Person nur, wenn sie einen vollen Lohn erhält.

Interview: Hans-Peter Brasser