«Härtefallhilfen sind ein föderalistischer Flickenteppich»

Die Reisebranche kommt im «SRF-Kassensturz» vom 23. Februar zu Wort.
René Bättig (rechts, RMR Schaffhausen) informiert sich in der TV-Sendung auf TRAVEL INSIDE Online. © Sceenshot SRF.ch

Über 10 Milliarden Franken hat der Bundesrat als Hilfe für die Härtefälle in der Coronakrise schweizweit gesprochen. Die Beurteilung und Verteilung dieser Gelder obliegt den jeweiligen Kantonen, und diese wenden dabei teils stark unterschiedliche Regeln an. Die Reisebranche, bekanntermassen unschuldigerweise mit am Stärksten von der Krise betroffen, hat schweizweit grosse Probleme mit Umsatzeinbussen.

Je nach Kanton bekommen einzelne Reisebüros nun aber  sehr unterschiedlich variiende Härtefallgelder gesprochen. Das Spektrum reicht dabei von «ausreichend» bis hin zu «wenig bis gar nichts». Eine absolut untragbare Ungerechtigkeit. Der «SRF-Kassensturz» nahm sich am 23. Februar dieser Problematik an und liess Betroffene aus der Reisebranche zu Wort kommen.

Michael Mettler, Helbling Reisen, Gossau, Kanton St. Gallen

Der Kanton St.Gallen entscheidet, wie vom Bund gefordert, schnell und unkompliziert, auf Basis des Umsatzes, und spricht Helbling Reisen schon Ende Januar mehrere Hunderttausend Franken «à fonds perdu» zu. Inhaber Michael Mettler gibt sich, auch im Namen seiner 20 Angestellten, die nunmehr seit 11 Monaten kaum Umsatz generieren können, entsprechend erleichtert: «Wir haben haben alles auf diesen Punkt ausgerichtet, und darauf hingearbeitet, um diese Unterstützung zu bekommen, und die Freude und Emotionalität waren entsprechend gross, als uns dieser wunderbare Entscheid erreicht hat», strahlt er in die SRF-Kamera.

Nicht Nachvollziehbar sei aber für ihn die Ungerechtigkeit bei der Verteilung aufgrund kantonal unterschiedlicher Ansätze: «Das sind alles Kollegen in der Branche, die im Prinzip denselben Anspruch auf Härtefallhilfen haben wie wir, und diese nur aufgrund einer anderen Kantonszugehörigkeit nun nicht bekommen.»

René Bättig, Rolf Meier Reisen, Kanton Schaffhausen

Anders als bei Mettler präsentiert sich die Gefühlslage im Kanton Schaffhausen, wo bei RMR Reisen eine Absage der Härtefallhilfe für viel berechtigten Frust sorgt. RMR Reisen hatte sich über 30 Jahre gewisse Eigenkapitalreserven erwirtschaftet. Dies wurde dem Unternehmen nun zum Verhängnis, da der Kanton Schaffhausen zuerst den Aufbrauch dieses Eigenkapitals verlangt, bevor allfällig Hilfe geboten würde.

Inhaber René Bättig fühlt sich dabei wie ein (Zitat) «Geprügelter Hund» und fügt an: «Ich habe natürlich auch Altersreserven in meinem Unternehmen und hatte in all den Jahren immer Kapitalreserven für eine Krise vorgesehen. Nun haben wir eine Krise, für die nicht wir selbst verantwortlich, sondern unverschuldet in Not geraten sind. Der Föderalismus in allen Ehren, aber bei einer Krise von solcher Tragweite gehört eine einheitliche Regelung auf Bundesebene her – diese kantonale Regelung ist ein absolut falscher Ansatz.»

Sarah Weidmann, Leiterin Härtefall-Taskforce SRV
Sarah Weidmann, SRV-Leiterin Taskforce Härtefallhilfe. © TRAVEL INSIDE

Deutliche Worte findet dabei auch Sarah Weidmann, welche diese sehr unterschiedlichen Lösungen in den Kantonen als «föderalistischen Flickenteppich» bezeichnet. «Schon die Anforderungen der Kantone an die Gesuchssteller sind dermassen unterschiedlich: In einzelnen Kantonen reichen Umsatzzahlen, in anderen müssen Liquiditätsplanungen oder Budgets eingereicht werden. Das ist sehr unübersichtlich. Und auch bei den Auszahlungen werden entsprechend sehr unterschiedliche Massstäbe angewandt.»

Während einzelne Kantone den Maximalbetrag von 750’000 Franken als à fond perdu Beträge sprechen, also als Hilfe ohne Rückzahlungspflicht, knausern andere und sprechen höchstens Darlehen aus. «Die Diskrepanzen sind aber sehr gross, weil die Kantone die Hilfemassnahmen selbst festlegen können», so Weidmann weiter. In der ganzen Branche wird dieser Kantönligeist als höchst ungerecht beurteilt.

Kantone Thurgau und Schaffhausen als restriktivste Schlusslichter

Der Bund schiebt die Verantwortung dabei auf die Kantone ab, das macht Finanzminister Ueli Maurer deutlich: «Letztendlich stehen die Kantone in der Pflicht, und es ist klar, dass leider einige Leute durch die Maschen fallen werden bei dieser Verteilung, das ist leider eine Folge dieser Krise. Wir können nur hoffen, dass dabei die Kantone in die Pflicht springen.»

Von allen Kantonen schneiden der Thurgau und Schaffhausen am «schlechtesten» ab: Während wie oben beschrieben, in Schaffhausen ein Unternehmen erst seine Reserven abbauen muss, müssen im Thurgau zuerst allfällige Covid-Kredite aufgebraucht werden und danach werden, wenn, dann höchstens Darlehen gesprochen.

Immerhin stellt der Kanton Thurgau noch die Option in Aussicht, dass diese Darlehen in besonderen Fällen nachträglich zu «à fonds perdu»- Beträgen umgewandelt werden können. (CF)