Kreuzfahrten: Die Azamara-Erfahrung

Die US-internationale Reederei Azamara Cruises ist hierzulande ein Geheimtipp. TRAVEL INSIDE hat das Produkt auf einer Pressereise rund um Italien getestet.
Die Azamara Quest im Hafen von Ravenna. ©BE

Auf der Suche nach alternativen Abfahrtshäfen für Venedig ist Azamara Cruises in Chioggia fündig geworden. Das Städtchen am Südende der Lagune weiss mit seinen Kanälen, einem authentischen Stadtbild und viel weniger Touristen zu gefallen und wird auch als «Klein-Venedig» bezeichnet.

Rund eine Stunde dauert der Transfer vom Flughafen Venedig nach Chioggia. Die Ablege Stellen in den Industriehäfen von Marghera und Fusina liegen zwar näher bei der Lagunenstadt, können aber mit der Attraktivität von Chioggia nicht konkurrieren. Ravenna oder Triest wiederum sind noch weiter vom Airport entfernt.

In Chioggia liegen die Azamara-Schiffe jeweils über Nacht, so dass die Gäste Zeit haben, um das «must» Venedig individuell oder auf Ausflügen zu besuchen. Die Quest startet hier zu einer 10-tägigen Reise rund um Italien bis nach Civitavecchia.

Eine besondere Bauklasse
Pool Deck Azamara Quest. ©BE

Die Azamara Quest ist eines von vier identischen Schiffen der Reederei, die sich durch eine besondere Geschichte auszeichnen. Sie gehören zu einer Serie von acht damals wegweisenden Neubauten, welche die längst verblichene US-Reederei Renaissance Cruises zwischen 1997 und 2001 in St. Nazaire (F) bauen liess.

Die Schiffe der R-Klasse, mit 30’200 BRZ vermessen und auf 680 bis 710 Gäste ausgerichtet, kamen nach dem Konkurs von Renaissance 2001 bei verschiedenen Reedereien unter und wechselten gelegentlich die Hand, heute sind vier bei Oceania Cruises versammelt und vier bei Azamara Cruises.

Die im Jahr 2000 erbaute Azamara Quest trug zum Beispiel Namen wie Delphin Renaissance und Blue Dream, bevor sie 2007 von Azamara übernommen wurde. Der Aufbau ist klassisch mit zwei (resp. drei) unteren Gesellschaftsdecks, drei Kabinendecks und zwei (resp. drei) oberen Tagesdecks.

Die R-Klasse-Schiffe zeichnen sich durch ein grosszügiges Layout der öffentlichen Räumlichkeiten aus, ebenso durch die (zum damaligen Zeitpunkt) hohe Zahl an Balkon-Kabinen: 201 Kabinen von total 352 sind Veranda-State Rooms, dazu kommen 46 Suiten. 79 Oceanview-State Rooms haben ein Fenster, nur 26 liegen innen.

Die Veranda-Kabinen sind komfortabel eingerichtet mit Queen-Size-Bett, das sich in zwei Einzelbetten verwandeln lässt. Der Tisch auf dem Balkon ist gross und erlaubt stilvolles Frühstücken an frischer Luft. Die Nasszelle allerdings ist recht klein, und der Duschvorhang will nicht mehr so recht in unsere Zeit passen.

Stil und Bord-Infrastruktur
Steakhouse Prime C. ©BE

Jede Handänderung hat auf dem Schiff ihre Spuren hinterlassen. Der einst klassisch-traditionelle Stil mit dunklen Holzelementen schimmert da und dort noch durch, viele Bereiche und die Kabinen präsentieren sich aber verschiedentlich renoviert.

Dies führt da und dort zu einem gewissen Stil-Mix, der aber letztlich kaum störend wirkt.

Von Deck 4 mit Guest Relations und Concierge führt ein kleines Atrium auf Deck 5, wo sich zentral moderne Shops und der Treffpunkt Mosaic Café gruppieren. Vorne auf Deck 5 liegt die Cabaret Lounge; hier werden Vorträge, Spiele und allabendlich Shows geboten. Die Decke ist recht tief, die Möblierung konventionell.

The Den ist eine gemütlich-elegante Piano-Lounge mit ausgezeichneter Cocktail-Bar und Ausflugs- sowie Buchungs-Counter. «Hier befand sich einst das Casino, das aber nicht mehr ins Azamara-Konzept passte», erklärt Andrea Baiggoria, Head of PR & Communications, die die Pressereise begleitet.

Hinten auf Deck 5 liegt das grosse Discovery Restaurant mit offenen Sitzungen und freier Tischordnung – auch dies war zu seiner Zeit eine Besonderheit der R-Klasse-Schiffe. Speziell auf Deck 5 sind beidseits zudem die zwei idyllischen Aussendecks mit Liegen, die ein «Transatlantik-Flair» verströmen.

Auf dem Pool-Deck 9 mit Jacuzzis, einer Pool-Bar und dem Snack The Patio sind die vielen bequemen Liegen etwas gar eng aufgereiht. Vorne befindet sich der moderne Spa- und Fitness-Bereich The Sanctium Spa & Fitness, hinten das lichtdurchströmte, zeitgemässe Buffet-Restaurant Windows Café mit recht vielen Aussenplätzen auf der hübschen Sunset Veranda.

Auf Deck 10 schliesslich, wo sich der Jogging-Track dahinzieht, liegen voraus The Living Room, eine offene Observation-Lounge, die abends zum Club wird, und hinten die zwei Spezialitätenrestaurants Aqualina und Prime C. Weitere Liegen gibt es zuoberst auf dem weiten Sonnendeck 11.

Ein besonderer Raum ist auf Deck 10 die in einem stimmungsvollen Retro-Design gehaltene Bibliothek The Drawing Room. «Auf der Onward, unserem jüngsten Schiff, wurde hier eine Atlas-Bar eingerichtet», informiert Baiggoria. Ob diese Umnutzung auch auf anderen Azamara-Schiffen kommt, ist noch offen.

Tolle Destinations-Specials
AzAmazing Day in Siracusa. ©BE

Erster Stopp in Ravenna, wo wir uns für einen Ausflug nach San Marino entscheiden, der stolzen, auf einem Felsenzug über der Region von Rimini thronenden Republik.

Das Schiff legt morgens um halb acht an und fährt nachmittags um halb fünf weiter – lange Aufenthalte in den Häfen zeichnen Azamara fast überall aus.

In jeder Destination werden fünf bis acht Ausflüge angeboten, die verschiedene interessante Themen und Highlights aufgreifen, aber (wie so oft auf Kreuzfahrt) mit recht stolzen Preisschildern versehen sind. Überall legt die Reederei aber Stadtpläne und Kurzinfos für den individuellen Besuch der Destinationen auf.

Über die Adria geht es weiter nach Kotor: Die Fahrt durch den Fjord, die überaus sehenswerte Altstadt und vor allem der schweisstreibende Aufstieg zum Fort, von wo aus sich ein überwältigender Ausblick über die Bucht eröffnet, begeistern.

Der Over Tourismus in Dubrovnik ist bekannt, authentisches Leben in den prächtigen Gemäuern, die heute vor allem eine Kulisse mit Shops und Restaurants bilden, existiert kaum mehr. Wohltuend deshalb eine Exkursion ins nahe Konavle-Gebiet mit Einblicken in die Traditionen des Weinbaus und der Olivenölgewinnung.

«Azamara versteht sich als Destinations-Spezialist und legt mir ihren kleineren Schiffen fortlaufend weltweit ein- bis dreiwöchige Einzelfahrten auf, die sowohl Highlights wie Geheimtipps beinhalten», sagt Baiggoria zum Routenkonzept.

Der Blick in das Programm 2024/25 zeigt, dass die Routenvielfalt tatsächlich ausserordentlich vielfältig ist: Die vier Schiffe besuchen von der Südsee, Australien, Fernost und Südostasien über Südafrika, Südamerika und der Karibik weltweit Ziele bis in Nordeuropa und am Mittelmeer. 2016 findet gar eine 155-tägige Weltreise statt.

Dabei hat sich Azamara mit innovativen und für alle Gäste inkludierten Special-Events einen Namen gemacht. So erleben wir nach einem See Tag in Siracusa (Sizilien) einen «AzAmazing Day», bei dem an verschiedenen Orten in der Stadt exklusive Erlebnisse geboten werden, die man individuell besuchen kann.

Hier auf einem Platz eine ausgezeichnete Opernsängerin, im historischen Theater ein kurzes Kammerkonzert, eine Degustation von lokalen Leckereien in einem versteckten Innenhof und eine Schauspielerin, welche die Geschichte des Fonte Aretusa erzählt – alles hinreissende Präsentationen und eine grandiose Art der Stadt-Entdeckung.

«AzAzamara Days ist eine Weiterentwicklung der AzAmazing Evenings, bei denen wir exklusive Abendveranstaltungen an Land wie zum Beispiel ein spezielles Konzert organisieren», erläutert Baiggoria. Auf jeder Kreuzfahrt kann der eine oder andere dieser speziellen Az-Event erlebt werden.

Das gute Leben an Bord

Wird das Leben an Bord der Azamara Quest einerseits durch die fast täglichen Landanläufe geprägt, ist auf einer Kreuzfahrt anderseits stets auch die gute Küche ein Thema. Diese darf auf der Quest durchaus gelobt werden: Die A-la-Carte-Vielfalt im Hauptrestaurant Discoveries ist recht gross, abwechslungsreich und köstlich.

Die Angebotsbreite der Buffets im Windows-Café überwältigt, abends wird dort jeweils ein Länderthema umgesetzt. Burger, Chicken-Wings und Hot-Dogs gibt es im Patio beim Pool, im Living Room nachmittags Tapas und auch im Mosaic Café liegen stets kleine Häppchen auf.

Im Spezialitätenrestaurant Aqualina wird die italienische Küche gepflegt, und das Prime C ist ein amerikanisches Steakhouse. Hier wird für kleine Gruppen auch ein «Chefs Table» zelebriert, der gegen einen Zuschlag von USD 95 pro Person ein mehrgängiges Fine Dining-Menü mit jeweils passender Weinbegleitung zelebriert.

Das französische Chef-Menu beginnt mit einem Lobster-Salat an grünem Spargel-Mousse mit Bacarii Kaviar und endete nach schier endlosen Gängen mit einem Fondant Au Citron mit Meringue und Himbeer-Sauce – kurz: ein gastronomisches Erlebnis auf Top-Niveau.

Der umtriebige Hotel-Manager Ryszard Gusmann hat aber noch einige weitere Überraschungen in petto: Einmal wird das ganze Pool-Deck mittags für ein äusserst beeindruckendes «Officers-Barbecue» mit Live-Musik umgebaut, an einem anderen Abend ebenso an Deck ein «Al Fresco Italian Dinner» organisiert.

Höhepunkt jeder Fahrt mit Azamara ist aber die legendäre «White Night Party»: Das ganze Pool-Deck verwandelt sich in ein geschmücktes Openair-Restaurant, alle Gäste sind weiss gekleidet und die Buffet-Vielfalt ist grossartig. Ausgelassen tanzen die Gäste bei Live-Musik bis spät.

«Alle Special-Events an Bord und an Land sind im Tagespreis zwischen 300 und 400 US-Dollars pro Person inbegriffen», sagt Baiggoira. Ebenso ausgewählte Getränke und alle Trinkgelder. Suiten-Gäste können zudem kostenlos die Spezialitäten-Restaurants buchen (ansonsten 35 USD pro Person), profitieren von WLAN (ansonsten kostenpflichtig), einem Butler-Service und einem Bordguthaben.

Unterhaltungs-Spektakel ist daneben auf der Azamara Quest kein grosses Thema – es gibt weder Rutschen noch Kletterwände. Fitness- und Lifestyle-Kurse, Trivia oder Vorträge sorgen tagsüber für Kurzweil, und in der Cabaret Lounge ist jeden Abend eine musikalische Show angesagt. Im The Den spielt ein hervorragender Pianist Jazz-Standards, im Living Room wird später zu Live-Musik und DJ getanzt.

Sehr spät wird es aber nie: Das Azamara-Publikum ist eher gesetzteren Alters, aber es sind auch jüngere Paare an Bord. Es sind vor allem Gäste aus den USA, Kanada, Grossbritannien und Australien, aber auch aus vielen weiteren Märkten. Die Bord-Atmosphäre ist «casual» und freundlich, man kommt bald ins Plaudern – Englisch vorausgesetzt.

Was bringt die Zukunft?

Besuch auf der Brücke bei Kapitän Jonas Lyddby, bevor wir die letzten Destinationen der Reise ansteuern.

Der umgängliche Schwede war schon bei TUI Cruises als Kapitän tätig, nahm sich dann als Lotse in Stockholm eine Auszeit und kehrte nun kürzlich bei Azamara auf die Hochsee zurück.

«Die Schiffe von Azamara sind inzwischen zwar schon etwas älter, aber nach wie vor hervorragend im Schuss und werden laufend modernisiert», sagt Lyddby. Aber bis in 10 Jahren muss Azamara Cruises, die bis 2021 zur Royal Caribbean Group gehörte und nun bei der US-Private Equity Sycamore Partners ist, wohl über die Frage von Neubauten entschieden haben.

Dies nicht zuletzt auf Grund der stets steigenden Anforderungen in Sachen Umwelt und Klima. «Die vier Generatoren mit je vier Megawatt Leistung, welche die zwei Schrauben antreiben und den Hotelbetrieb sichern, sind nach wie vor original, verbrennen aber je rund eine Tonne Öl pro Betriebsstunde», sagt Lyddby. Energie-Effizienz ist deshalb gefordert, wenn möglich fährt die Quest mit 14 Knoten oder langsamer.

Zum Einsatz kommt sowohl Schweröl mit 0,5% Schwefelgehalt wie Marinediesel mit 0,1% Schwefelgehalt – je nach geltenden Regularien. Das Schiff verfügt über keine Abgasreinigung wie z.B. Scrubber und auch nicht über einen Landstromanschluss. «Trotzdem entsprechen wir allen geltenden Vorschriften, und künftig wären auch neue ökologische Treibstoffe einsetzbar», versichert der Kapitän.

Nach Siracusa legt die Azamara Quest in Messina (Sizilien) an, wo der Ausflug auf den Ätna und nach Taormina lockt. Danach muss Kapitän Lyddby den Kurs ändern und wegen stark aufkommender Winde auf das Ankern vor Amalfi verzichten. Das Schiff steuert deshalb Sorrento und ausserplanmässig Napoli an, bevor es das Endziel Civitavecchia (Rom) erreicht.

Ausflüge nach der Amalfi-Küste, nach Capri oder Pompeji stehen für die meisten Gäste natürlich im Vordergrund; wer diese Orte bereits kennt, geniesst auf einem individuellen Stadt-Bummel bei einem unvergleichlichen Espresso das italienische Lebensgefühl – insbesondere in den engen Altstadt-Gassen von Napoli.

Azamara mag hierzulande ein Geheimtipp sein – die Erfahrung hat aber gezeigt, dass sich diese Reederei mit ihren kleineren, übersichtlichen Schiffen im gehobenen Segment, ihrem Destinations-Fokus und den speziellen Events in einer durchaus interessanten Nische positioniert, die weltoffene Reisende zu überzeugen vermag. Dass dazu auch das äusserst freundliche asiatische Staff beiträgt, darf als Schlusspunkt unterstrichen werden.

Beat Eichenberger