Magische Bilderwelten auf dem Balkan

Reiseziel Nordmazedonien: TRAVEL INSIDE hat die wohl am meisten unterschätzte Destination Europas besucht und analysiert.
Nordmazedonien: Herrlicher Blick auf das Unesco Welterbe, Ohrid. © Silvio Weilenmann

Kurz nach 9 Uhr in der Früh: Der Katamaran gleitet beinahe lautlos über das türkisfarbene Wasser. Am Horizont sind immergrüne Bergketten zu erkennen. Immer wieder tauchen kleine Buchten und pittoreske Fischerdörfchen auf.

Einer der ältesten Seen der Welt strahlt eine unglaubliche Kraft aus. Der Ohridsee.  300 Meter tief, 34 Kilometer lang und 3 Millionen Jahre alt. Ein einmaliger Kraftort mit Bewusstseinserweiterung, zwischen Nordmazedonien und Albanien gelegen.

Und plötzlich fällt es einem wie Schuppen von den Augen. Natürlich, im Jahr 2020 hat ‘LonelyPlanet’ Nordmazedonien und insbesondere die Region Ohridsee zu den Top 10 Reisezielen gewählt. Ungläubiges Staunen über die malerische Landschaft, das kristallklare Wasser, das bis zu 2200 Meter hohe Gebirge und die weitgehend noch unbeschädigte Fauna und Flora.

Die gleichnamige antike Stadt am nordöstlichen Ufer des Ohrid Sees ist eine echte Perle der Architektur mit wertvollem Kulturgut und historischen Denkmälern, auch als Stadt des Lichts und das europäische Jerusalem bezeichnet.

Auf der Terrasse des Fort Cafés hat der Besucher einen herrlichen Panoramablick auf das Unesco Welterbe. Zahlreiche Sehenswürdigkeiten wie die auf einem Felsvorsprung gelegene Kirche des heiligen Johannes von Kaneo, das antike Theater oder die Ausgrabungsstätte Plaoshnik sind geschichtsträchtige Hingucker mit Wow-Effekt.

Krönender Abschluss: Ein sorgloser Bummel durch die Altstadt und entlang der Seepromenade mit unzähligen Cafés, Restaurants, Boutiquen und erfrischenden Bademöglichkeiten.

Ohrid ist aber auch Ausgangspunkt für eine geballte Ladung an Outdoor Adventure und Entdeckeraktivitäten. Hiking, Biking, Wandern im Nationalpark Galicica; Weindegustation in der klösterlichen Monastery Winery; lukullische Genüsse im Restaurant Ostrovo inmitten des Quellflusses Crn Drim , gleich unterhalb des weltberühmten Klosters St. Naum.

HOTAM-Präsident Krste J. Blazeski.

Nicht zu vergessen all die Wassersportaktivitäten am und rund um den Ohridsee. Im Gespräch mit TRAVEL INSIDE bringt Krste J. Blazeski, Präsident der HOTAM – der nationalen Hoteliervereinigung, eine faszinierende Vision ins Gespräch. Ein grenzübergreifendes Hop-On-Hop-Off Konzept für die Schifffahrt, das flexibel die nordmazedonische Seite mit den albanischen Siedlungen verbindet. Ein Ohridsee all-in quasi.

Bleibt für die Region eine echte Trumpfkarte: der schnuckeligen Kleinflughafen. Dank der grossen mazedonischen Diaspora in der Schweiz fliegen Swiss, Edelweiss Air, Chair Airlines und Wizz Air kostengünstig und direkt.  Ohrid positioniert sich mit den Direktverbindungen für Schweizer*innen nicht nur als idealer Hub für Ferien vor Ort, sondern ermöglicht auch Tagesausflüge bis nach Skopje oder Tirana in Albanien.

Investitions-Ruck dringend vonnöten

Nordmazedonien ist ein sehr junges Land. Entsprechend bedarf es nach der Euphorie auch eines kritischen Blicks auf die unausweichlichen Schattenseiten. Die noch nicht in allen Bereichen gefestigten gesellschafspolitischen Rahmenbedingungen sind für ausländische Investoren nach wie vor ein entscheidender Hinderungsgrund, sich im Land zu engagieren.

Für die übergreifende touristische Vermarktung fehlt eine nationale Marketingorganisation. Globaler Masterplan und mittelfristige Strategieentwicklung? Geplant aber noch nicht umgesetzt. Hotel- und Servicefachschulen? Fehlanzeige! Die daraus folgende Negativ-Spirale konnte noch nicht gestoppt werden.

Zu viele motivierte Jugendliche möchten noch nach wie vor das Land verlassen.  Konsequenz: Es fehlen auch und besonders im Hospitality Business die notwendigen Fachkräfte. Dringend anstehende Investitionen in die Hotelinfrastruktur und neue Hotelprojekte sind nach der Pandemie auch noch nicht in Sicht.

Eine allgegenwärtige ausgesprochen herzliche Gastfreundschaft, ja, jedoch allzu häufig verbunden mit bescheidener Servicequalität. In verschiedenen Hotelpalästen wird man auch heute noch an realsozialistische Zeiten erinnert.

Allen Einschränkungen zum Trotz: Nordmazedonien ist ein facettenreiches, faszinierendes, kostengünstiges, gleichzeitig auch unterschätztes Reiseland.

Bekim Hadziu; Head of Department for Tourism, Nordmazedonien.

Was zuversichtlich stimmt: der Tourismus gewinnt stetig an Bedeutung. Dies bestätigt Bekim Hadziu gegenüber TRAVEL INSIDE. Der Manager ist seit sieben Jahren Head of Department for Tourism im Wirtschaftsministerium. «Wir erwarten bis Ende Jahr über 1 Million Gäste, die mehr als 3 Millionen Übernachtungen generieren», präzisiert Bekim den positiven Trend.

Damit würden wieder die Einreisezahlen vor der Corona-Pandemie erreicht. Sehr zufrieden zeigt sich der oberste Tourismusverantwortliche auch mit dem Schweizer Quellmarkt. Um augenzwinkernd anzufügen: «Mein Traum ist es, dass in 10 Jahren unser Land wie die Schweiz sein wird».

Silvio Weilenmann, Skopje