STAR: «Manchmal braucht es einen gemeinsamen Feind»

STAR-Präsident Luc Vuilleumier über sein langes Schweigen, die neue Zusammenarbeit der Verbände in der Task Force und deren Forderungen an den Staat.
Luc Vuilleumier. ©TI

Luc Vuilleumier, als Präsident von STAR waren Sie seit Jahren für klare und auch unbequeme Worte. Noch zu Beginn der Corona-Krise kritisierten Sie den SRV heftig. Warum hört man derzeit so wenig von Ihnen?

Das war durchaus beabsichtigt. Ich hatte das Gefühl, es sei zu viel geworden. Ich war, das stimmt, immer und überall präsent. Das kam nicht überall und bei allen gut an. Von Mitgliedern höre ich aber auch die Frage, wo ich denn stecke, man vermisse mein Poltern. Wir wollten aber gezielt mehr in die Breite gehen und auch andere Mitarbeiter vermehrt zu Wort kommen lassen.

Von solchen haben wir aber nichts gehört.

Das hat sich auch nicht bewährt. Wer STAR anfragt, will mit mir reden.

Trotzdem hat man von Ihnen nichts mehr gehört, auffallenderweise seit Sie mit dem SRV und der TPA in der Corona-Task-Force sitzen, die mit Bundesbern über Hilfen für die Branche verhandelt.

Die Task Force ist eine andere Geschichte. Dort arbeiten wir drei Verbände zusammen, was eine gute und auch erstaunliche Sache ist. Die Zusammenarbeit ist richtig gut, es geht ja auch darum, dass wir politisch etwas erreichen. Da bin ich ein bisschen stolz auf uns, dass wir das so hinbekommen haben und mit einer Stimme, jener der Task Force, reden.

Warum klappt das jetzt, schliesslich haben sich STAR und SRV Anfang Jahr noch öffentlich angefeindet?

Manchmal braucht es einen gemeinsamen Feind, damit man seine Gemeinsamkeiten erkennt. Den haben wir jetzt, er heisst Covid-19.

Sind SRV und STAR jetzt dicke Freunde?

Wir müssen nicht immer gleicher Meinung sein, auch nicht innerhalb der Task Force. Es wird sicher auch wieder Themen geben, bei denen wir nicht gleicher Meinung sind. Der SRV vertritt nach wie vor mehr die Interessen der Tour Operator, und damit meine ich nicht nur die ganz Grossen. STAR auf der anderen Seite vertritt klar die Interessen der Retailer.

Wo sehen Sie weiterhin Differenzen?

Zum Beispiel bei der Motion Markwalder, die im Pauschalreisegesetz den Zwang zur Kundengeldabsicherung mit Sanktionen, wenn man es nicht tut, festschreiben will. Der SRV als TO-Vertreter findet das gut. STAR als Retailer-Vertreter ist dagegen. Hier bleiben wir dran und werden alles daran setzen, eine unnötige Überregulierung und Kriminalisierung zu verhindern.

STAR hat eben viele Mitglieder, die keine Kundengeldabsicherung haben. Beim SRV muss man eine haben, um Mitglied zu werden.

Wir haben Mitglieder, die brauchen von Gesetzes wegen keine Kundengeldabsicherung, weil sie nur Reisevermittler und nicht TO sind. Im übrigen haben die STAR-Mitglieder ohne Kundengelder auch kein Stimmrecht, sind also sozusagen Passivmitglieder. Auch die Passivmitglieder des SRV haben meines Wissens keine Kundengeldabsicherung.

Welches sind die wichtigen Dinge, die Sie erwähnt haben – nebst Corona?

Ganz sicher und eindeutig die Branche zu retten.

Wie beurteilen Sie das bisher für die Reisebranche in der Politik erreichte?

Ich würde sagen, das ist gar nicht so schlecht. Es sieht manchmal gegen aussen nach wenig aus, ist es aber nicht. Es steckt auch harte Arbeit darin.

Harte Arbeit heisst noch nicht, dass man auch Erfolg hat.

Stimmt. Aber dass das Covid-19-Gesetz jetzt auf so gutem Weg ist, ist ein Resultat dieser harten Arbeit der Task Force.

Bevor Sie Mitglied der Task Force wurden hatten Sie dem SRV unter anderem mangelnde Transparenz zu den Inhalten seiner Verhandlungen mit dem Bund vorgeworfen. Jetzt sind Sie dran: Wie läuft die Arbeit in der Task Force und welches sind ihre Forderungen und Positionen in den Gesprächen mit Bundesbern?

Für mich ist der absolut wichtigste Punkt ist die Hilfe für die Einzelunternehmer und die Angestellten in arbeitgeberähnlicher Position. Wie die konkrete Ausgestaltung der Nothilfe aussehen wird, wissen wir im Moment auch noch nicht. Federführend ist das Seco, und wir werden sicher dabei sein.

Das ist so weit bekan  nt. Was hat die Task Force eingebracht, was noch nicht jeder weiss?

Das absolut wichtigste habe ich erwähnt. Natürlich gibt es noch andere Themen.

Ist der Erlass von Covid-19-Krediten oder eines Teils davon eines dieser Themen?

Das ist ein Thema, das immer wieder aufkommt. In diesem Zusammenhang bin ich ja schon sehr erstaunt, dass es Reisbüros gibt, die den Kredit nicht bezogen haben. Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul! Wir haben unseren Mitgliedern immer wieder geraten, den Kredit zu beanspruchen – wohlgemerkt zunächst als Reserve und weil man das Geld jetzt als Eigenkapital in der Bilanz führen kann, was das Überschuldung- und Konkursrisiko vermindert. Den Kredit zu beziehen heisst ja noch nicht, dass man das geliehene Geld auch ausgeben muss.

Wie viele Ihrer Mitglieder haben den Kredit bezogen?

Es waren schon am Anfang mehr als die Hälfte. Wie das jetzt ist, wollen wir nochmals nachfragen. Uns interessiert natürlich, welche bei unserer Kundengeldabsicherung STS versicherten Reisebüros das Geld bezogen und welche es schon ausgegeben haben.

Würden mehr Reisebüros den Kredit beziehen wenn es Signale gäbe, dass man sie nicht zurückzahlen muss, wenn die Reiseindustrie weiterhin am Boden liegt?

Könnte sein. Ich sehe allerdings nicht, wie man das konkret und gerecht abwickeln könnte. Gehen dann die Reisebüros, die keinen Kredit bezogen haben, einfach leer aus? Andererseits geht es um Nothilfe, und die Firmen, die den Kredit nicht bezogen haben, waren vielleicht nicht in Not.

Allfällige Direkthilfe des Bundes könnte an Bedingungen geknüpft werden. Was halten Sie davon?

Das wird es sicher brauchen. Es geht nicht darum, marode Reisebüros oder grosse Konzerne zu retten, sondern den Ein-Mann- oder Eine-Frau-Büros zu helfen, die seit Monaten kein Einkommen mehr haben. Das muss jetzt auch schnell gehen, 2025 nützt das alles nichts mehr.

Wann ist für Sie ein Reisebüro marode, bei welchen Kennzahlen?

Das hängt sicher nicht von der Grösse ab. Ein Ansatz wäre etwa die Kontrolle in der Swiss Travel Security STS. Dort werden die Reisebüros geprüft, wer dort Mitglied ist, ist sicher kein marodes Büro. Sonst hätte es die Kundengeldabsicherung nicht erhalten.

Es gibt Reisebüros, die gerade mal über die Runden kommen, weil sich der Inhaber kaum Lohn bezahlt. Ist das nicht marode?

Es gibt Reisebüro-Inhaber, die arbeiten mit viel Herzblut und haben ein relativ bescheidenes Einkommen. Diese sehe ich nicht als marode. Gerade ihnen muss man helfen.

Ein Ansatz ist für die Definition eines überlebensfähigen Reisebüros ist: Mindestens 1 Prozent Nettorendite und schwarze Zahlen in den letzten drei Jahren.

Das wären keine gescheiten Regeln. Ein Unternehmen kann durchaus zwei Jahre Verluste schreiben, weil es Investitionen tätigte, und doch kerngesund sein.

Wie viele STAR-Mitglieder sind jetzt in Not?

Ich würde sagen, etwa die Hälfte.

Sehen Sie schon Anzeichen von gehäuften Konkursen und Schliessungen?

Konkurse nein, aber Schliessungen sind schon vermehrt ein Thema bei den Anfragen unserer Mitglieder. Gerade Reisebüro-Inhaber ab 60 überlegen sich, ob sie sich diese Krise noch länger antun wollen.

Was rät STAR diesen, wie sie ihre Firma abwickeln sollen, per Konkurs oder ordentliche Schliessung?

Ein Konkurs ist nicht ganz so einfach, da werden die Geldflüsse schon kontrolliert. In anderen Branchen gab es bereits Probleme mit Missbräuchen.

Wie gross schätzen Sie das Reisebürosterben in den nächsten Monaten?

Wir werden schon 10 bis 20 Prozent weniger haben. Ich bin nicht ganz so optimistisch, dass Reisen schon im Januar wieder losgehen wird. Es wird eher Frühling werden. Die Durststrecke wir lang sein. Ein wichtiger Punkt, den wir aber jetzt angehen müssen, ist «prepare for the future»

Heisst?

Nicht nur jammern und schauen, wie man die akuten Probleme löst.

Wie?

Wir arbeiten konkret an zwei Projekten. Das eine ist Web-Basic, eine Website, die mit unserer Website star.ch verbunden ist. Darauf kann man seine Produkte platzieren und die Reisebüros können alles mit einem CRM selbständig bewirtschaften. Wir haben noch ein paar Mitglieder mit ziemlich veralteten Websites, die so ein Produkt brauchen können. Man muss seine Produkte besser sichtbar machen. Wenn Sie bei Google «suche Reisebüro» eingeben, kommt star.ch an erster Stelle der Resultate. Gerade jetzt und für die Zukunft nach Corona ist es wichtig, die Kunden ins Reisebüro zu holen.

Und das zweite Projekt?

Seit zwei Jahren arbeiten wir an einer neuen Software für Reisebüros, die alles kann – vom Dossier über die Buchhaltung bis zur Mehrwertsteuer. Auch wenn es nicht so aussieht und das Geld dafür zu fehlen scheint, jetzt könnte der richtige Zeitpunkt sein, sich mit seiner IT-Zukunft zu befassen, denn man hat wenig Dossiers und viel Zeit dafür.

Wie hat Corona die STAR selber betroffen?

Wir haben alle sieben Mitarbeiter auf Kurzarbeit im Home Office. Das läuft sehr gut, und wir überlegen nun, was wir mit unseren teuren Büros am Bahnhof Birmensdorf ZH noch anfangen wollen. Die Frage stellt sich umso mehr, als wir den Ticketverkauf für die SBB Ende Jahr einstellen müssen.

Andere Organisationen sind auf Sparkurs, reduzieren Personal. Sie auch?

Es werden wahrscheinlich weniger werden. Zwei Stellen sind mit Praktikanten besetzt, die haben befristete Verträge und wir werden sehen, ob wir sie ersetzen. Eine Praktikantin wird uns bereits Ende des Monats verlassen.

Wird wie bei anderen Organisationen auch der Mitgliederbeitrag reduziert, zur Entlastung der Mitglieder?

Wer jetzt den Mitgliederbeitrag senken kann, hat vorher zu viel verlangt. Für eine Reduktion muss man ja Reserven angehäuft haben, mit denen man den Ausfall finanzieren kann. Unseren Mitgliederbeitrag können wir nicht senken, er ist ohnehin schon der tiefste – tiefer als der günstigste reduzierte Beitrag beim SRV.

Sie betonen stets, STAR sei der grösste Verband der Reisebranche. Wie viele Mitglieder haben Sie jetzt?

Es kommt immer darauf an, wie man das berechnet. Nach Umsatz seiner Mitglieder ist der SRV klar und mit Abstand grösser. Wenn man die unabhängigen Firmen zählt, also nicht die Filialen der Grossen, hat STAR hat mit rund 300 Mitgliedern am meisten unabhängige Retailer.

Wenn STAR so gross ist, warum will STAR nicht einen Drittel des Honorars für die gemeinsame Kommunikationsagentur der Verbände-Task-Force übernehmen, sondern nur gut einen Achtel?

Die Kommunikationsagentur Furrerhugi zu engagieren war nicht auf unserem gemeinsamen Mist gewachsen. Es war eine Privataktion von TPA-Präsidentin Sonja Laborde. Sie kam erst mit dem Fait accompli zu uns, STAR und SRV. Wenn wir bei der Auswahl und der Definition des Auftrags nicht dabei sind, werden wir auch nicht so viel bezahlen. Ausserdem hatte Furrerhugi im Rahmen des Mandats auch Arbeit nur für TPA gemacht. Und das finanzieren wir nicht. Das richtige Vorgehen wäre eine gemeinsame Absprache gewesen, bevor ein Auftrag erteilt wird.

(Interview: Christian Maurer)