My Experience: Kurzferien mit dem Camper im Corona-Sommer

In Corona-Zeiten nimmt man gerne seine eigenen vier Wände mit. TRAVEL INSIDE-Vize-Chefredaktor Christian Maurer war mit einen VW Grand California unterwegs.

Ferien mit dem Camper boomen – so wars zu lesen seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Lieber nicht nicht ins Hotel oder in die Ferienwohnung, sondern raus an die frische Luft, mit grossem Abstand zu den anderen und, vor allem, mit den eigenen vier Wänden. Und zwar nicht für eine Reise quer durch die USA oder Australien, wie das in den letzten Jahren auch von spezialisierten Schweizer Reiseveranstaltern gepusht worden ist, sondern pandemiebedingt auch für Kurztrips oder Ferien im eigenen Land.

Zeit also, einen Versuch zu wagen und die eigene Camper-tauglichkeit zu prüfen. Kann man wirklich gut und bequem schlafen drin? Sind Dusche und WC ferienalltagstauglich? Sind Wassertank und Batterie für zwei Tage ohne Anschlussmöglichkeit gerüstet? Wie funktioniert das mit dem Kochen und dem Kühlschrank? Und schliesslich: Wird man mit dem Riesenvehikel zum Verkehrshindernis in den Alpen – wie früher unsere nördlichen Nachbarn mit dem Wohnwagen und Tempo 25 auf dem Weg über den Gotthard nach Italien.

Die Ausgangslage: Drei Tage unterwegs, ein grosses Modell mit viel Platz, über die Berge muss es gehen, einmal auf dem Campingplatz, einmal wild campieren – die ganze Palett, wie sich das der Novize vorstellt. Erste Erkenntnis: Trotz aller Unkenrufe («ist doch eh alles ausgebucht») ist es kein Problem, einen VW Grand California bei  Europcar zu bekommen. Billig ist das allerdings nicht. Alles in Allem, mit Versicherung und Bereitstellungsgebühr (CHF 150) kostete das Vehikel gute CHF 200 pro Tag – und damit sind nicht 3 mal 24 Stunden gemeint, sondern von morgens 10 Uhr bis 20 Uhr am übernächsten Tag – also 58 statt 72 Stunden. Kilometer unbegrenzt, wie bei einem normalen Mietwagen.

Erhältlich ist der Camper nur an wenigen Stationen, in der Region Zürich stand grad nur Kloten zur Verfügung. Dort steht Riesen-VW parat – und man erschrickt! Der Grand California ist nicht nur riesig lang und riesig breit, sondern auch riesig hoch. «Wenn der bloss nicht kippt in der Kurve», denkt man und hofft, dass das Ding den Elchtest bestanden hat.

Die Erklärungen zu den richtigen Einstellungen fürs Füllen des Wassertanks, den Gebrauch und das Leeren des Chemie-WC, die Regulierung von Heizung/Lüftung geht schnell und rudimentär von statten – zu schnell, wie sich weisen wird. Die Dame vom Schalter, vermuten wir, hatte von dem Gefährt auch nicht die profundeste Ahnung. Für die ansehnliche Bereitsstellungsgebühr könnte man mehr erwarten, zum Beispiel auch einen vollen Wassertank.

Wie die Hebel für den Wassertank gestellt werden müssen, bleibt bis zum Ende der Reise unklar. Auch mit Hilfe der Gebrauchsanweisung blieb das Wasser nicht im Tank. Und auch das Chemie-WC versagte nach dem ersten Mal die Spülung, was auch mit dem Manual nicht zu ändern war. Etwas mehr Zeit und Sorgfalt bei der Einweisung und eine klare Beschreibung, gerne mit Fotos, für die Wohnmobil-Funktionen wäre sicher sinnvoll – am besten mit einer To-Do-Liste für den Fall, dass etwas nicht so funktioniert, wie es sollte. Hilfreich wäre auch eine Vorab-Information, was man alles selber mitbringen muss – nämlich alles. Anders als in einer Ferienwohnung hat der Camper weder Bettwäsche noch Küchenutensilien an Bord. Wer nicht nach der Buchungsbestätigung fragt, hat Pech gehabt. So fahren wir halt ohne Pfannen und Teller los.

Fahren lässt sich der Riesen-VW erstaunlich leicht. Nach den ersten paar vorsichtigen Kurven schwindet auch die Angst vor einem ungewollten Elchtest. Durch die Stadt auf die Autobahn in Richtung Alpen gehts zügig vorwärts. Der Diesel hat ein Drehmoment, das ordentlich greift, was sich auch später in den Alpen auf den Passtrassen über den Brünig und den Nufenen ins Tessin als sehr angenehm erweist. Wir kommen viel schneller vorwärts als je gedacht. Sogar mit einem moderaten Spritverbrauch von gut 10 Litern/100 Kilometer, wie sich zeigen wird.

Zum Übernachten (und endlich den Wassertank füllen) gehts in Agno auf den Campingplatz. Der Wasserhahn hat dort einen Schlauch, der bis zum Wassertankstutzen reicht; zur Ausrüstung des Wohnmobils gehört er nicht. Und weil ja keine Pfannen vorhanden sind, gehts ins Restaurant zum Essen. Kurz nach 22 Uhr auf dem Campingplatz zurück ist es totenstill – es hiess ja «silenzio alle dieci». Wir wagen es nicht, ein Glas Wein vor dem Camper zu trinken und zu plaudern und versuchen uns unter den Decken zum Schlafen einzurichten. Im Heck eine Doppelmatratze, nicht dick, aber erstaunlich bequem. Allerdings liegt man quer, das Bett ist so etwa 1,8 Meter lang, trotz einer Wagenbreite von 2,1 Meter. Etwas knapp für mich, aber es geht. Praktisch ist, dass man nicht zum Kollektiv-WC muss und sich auch die Zähne in den eigenen vier Wänden putzen kann. Leider leert sich der Wassertank fast so schnell wie er sich füllt – den Grund für den ständigen Wasserverlust finden wir nicht heraus. Am zweiten Abend finden wir einen fast wilden Übernachtungsplatz – auf dem Parkplatz des Restaurants, in dem wir uns mangels Pfannen verpflegen. Mangels Wasser im Tank ein bisschen mühsam, aber wir können die Infrastruktur des Hauses benützen. Die volle Freiheit mit dem Camper unterwegs zu sein, geht uns damit verloren. Immerhin ist das Chemie-WC auch ohne Wasser benützbar. Hier hilft die Gebrauchsanleitung beim Entleeren an einer entsprechenden Station auf der Rückfahrt auf einer Autobahnraststätte kurz vor Zürich.

Fazit: Der Camper ist ein tolles Ding für lange Abenteuerreisen quer durch einen Kontinent, wenn man total unabhängig sein will, weil man nie weiss, wann man wieder auf ein Hotel oder ein Restaurant trifft. Dann muss man das Auto und seine Features aber gut kennen und auch selber gut ausgerüstet sein. Für kürzere Reisen in der Nähe ist die Vorbereitung zu aufwändig und letztlich auch ziemlich teuer gemessen Komfort – ausser man hat ein ganz ausgeprägtes Camper-Gen.

(Christian Maurer)