Neue No-Refund-Policy der Lufthansa Group auf wackligen Beinen

Aktualisiert am 24.03.2020
Rechtsexperten sehen Gesetze verletzt. Swiss widerspricht.
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Die Verweigerung der Refunds für stornierte Flüge halten Rechtsexperten für widerrechtlich. «Aus meiner Sicht ein Fall von OR 62, ungerechtfertigte Bereicherung. Es ist Geld für eine Leistung, die nicht erbracht wurde», sagt eine Reiserechtsexpertin. Für einen anderen Reiserechtler ist klar: «Kann die Fluggesellschaft aus objektiven Gründen den Transport nicht durchführen, zum Beispiel wegen staatlicher Einreiseverbote, so fällt der Transportvertrag dahin. Gemäss Art. 119 OR und nach herrschender Lehre ist dann der gesamte bezahlte Preis zurückzubezahlen – in bar oder per Banküberweisung, Gutschrift auf verwendeter Kreditkarte. Gutscheine muss der Kunde nicht akzeptieren.»

Seit Samstag verweigern die Airlines der Lufthansa Group, also auch die Swiss, die Rückerstattung des Ticketpreises für annullierte Flüge. Dazu wurde still und heimlich die Refund-Funktion in den Reservationssystemen deaktiviert. Agenten und Reisebüros bekommen so ihr Geld nicht zurück, wie es das Gesetz verlangt.

Inzwischen hat Swiss reagiert und dementiert, dass es kein Geld mehr gebe. «Wir sind uns der Rechtslage bewusst, Erstattungen bleiben natürlich weiterhin möglich. Wir bitten jedoch um Verständnis, dass dies in der aktuellen Situation nicht in den sonst üblichen Fristen möglich ist», so Sprecherin Sonja Ptassek gegenüber TRAVEL INSIDE. «Kunden und Reisebüros werden gebeten, sich an die jeweiligen Service Center für Geschäfts- und Einzelkunden zu wenden. Die Umstellung im System erfolgt aufgrund des derzeitig aussergewöhnlich hohen Anfragevolumens, aufgrund dessen die Erstattungsprozesse angepasst wurden.»

Generell gibt’s Geld zurück, nicht Gutscheine

Generell gilt laut Rechtsexperten: Wenn aufgrund gesetzlicher Bestimmungen der Kunde einen Rückerstattungsanspruch hat, ist dieser in Geld zu bezahlen. Der Unternehmen könne natürlich mit dem Kunden diskutieren und einen Gutschein anbieten, allenfalls mit einem höheren Betrag als Incentive. Der Kunde muss aber diese Variante nicht annehmen.

Wenn es sich ausschliesslich um einen vertraglichen Rückerstattungsanspruch handelt, das heisst nicht von Gesetzes wegen, müsste man nichts zurückbezahlen, kann vertraglich vereinbart sein, dass es Gutscheine gibt. Dies ist nach Ansicht der Rechtsexperten bei Airlines nicht der Fall. Da werde einfach von Refund gesprochen, also von Geld. Nachträglich könne auch keine solche Gutscheinklausel einseitig von der Fluggesellschaft eingeführt werden.

SRV will Rückerstattung mit Gutscheinen erlauben lassen

Gewisse Leistungsträger wie Airlines, aber auch diverse grosse Veranstalter haben bereits angefangen, für annullierte Reisen den Kunden Gutscheine statt Bargeld anzubieten. Damit wollen sie einen Cash drain verhindern, der ihre Liquidität bedroht. Der Schweizer Reise-Verband (SRV) ist mehrfach beim Staatssekretariat für Wirtschaft Seco vorstellig geworden, um die Rückerstattungspflicht über Gutscheine statt Bargeld rechtlich zu ermöglichen. (TI)