
Es ist eine ebenso spektakuläre wie visionäre Idee: Norwegen will einen Schifftunnel bauen, der einen der gefährlichsten Abschnitte für den Schiffsverkehr des Landes entschärfen soll. Am 1. Dezember 2024 schrieb der Staat das Millionenprojekt für Baufirmen aus – per Ende Januar 25 soll es konkret werden.
Es ist das weltweit erste Projekt in dieser Grössenordnung: In der Gemeinde Stad an der norwegischen Westküste, unweit des Städtchens Ålesund, soll ein Tunnel für Schiffe entstehen. Jetzt sucht die norwegische Küstenverwaltung (Kystverket) Unternehmen, die sich dem Vorhaben annehmen wollen.
Für 80 Prozent des Schiffverkehrs
Die Rede ist dabei nicht von einer Röhre nur für Sport- oder Fischerboote – der Tunnel soll 1,7 Kilometer (2,2 km mit Einfahrtsbereichen) lang, 50 Metern hoch und 36 Meter breit werden, und ist damit sogar für die Schiffe der Kystruten/Hurtigruten nutzbar.

Nach Angaben der norwegischen Küstenverwaltung können rund 80 Prozent des heutigen Schiffsverkehrs in der Umgebung den Tunnel nutzen. Bisher führt die Route um die Halbinsel Stad.
Die Route wird sicherer
Die neue Schiffsroute durch den Tunnel spart nicht nur Zeit und Treibstoff, sie ist auch bedeutend sicherer: Die Umschiffung der Halbinsel Stad zählt zu den gefährlichsten Abschnitten der norwegischen Küste.
Das Wetter ist oft stürmisch, der Seegang rau. Wellen von bis zu 30 Metern sind keine Seltenheit. Dazu kommt eine schwierige Unterwasser-Topografie mit vielen Felsen, mit denen Schiffe kollidieren können. Über hunderte von Jahren gab es vor der Halbinsel immer wieder Havarien, einige endeten für die Besatzungen und Passagiere tödlich.

Die Idee, an der Stelle einen Schiffstunnel zu bauen, gibt es deshalb schon seit rund 150 Jahren. Erste konkrete Untersuchungen fanden aber erst 1985 statt. Die folgenden Jahre flossen in die Entwicklung von Projektideen. 2021 einigte sich das norwegische Parlament dann auf eine Finanzierung. Rund 5 Milliarden sind veranschlagt. Das entspricht nach aktuellem Kurs etwa 430 Millionen Euro.
Baustart bereits 2026 möglich
Nun soll es vorwärts gehen: Am 17. Dezember 2024 fand die offizielle Angebotskonferenz unweit von Oslo statt. Bis zum 31. Januar 2025 müssen sich interessierte Unternehmen melden.
Im November desselben Jahres soll dann entschieden werden, wer den Auftrag bekommt. Die norwegischen Behörden hoffen auf einen Baustart für den Schiffstunnel im Jahr 2026. «Dieses Großprojekt ist interessant für ausländische Bauunternehmen und Zulieferer», sagt Michael Kern, Geschäftsführer der AHK Norwegen. Z. B. deutsche Firmen kommen bei norwegischen Infrastrukturprojekten immer wieder zum Zug und beweisen ihr Knowhow. (TI)