Weshalb erhalten Firmen mit Verlust Kapitalspritzen?

Der Touristik-Unternehmer Gaurav Bhatnagar, selber Start-up-Gründer, erklärt das Modell des Venture Capital.
©Shutterstock

Gaurav Bhatnagar ist Gründer des damaligen Start-up TBO Holidays und heute CEO des globalen B2B-Reiseanbieters TBO.com.

Im Oktober 2022 nahm er Einsitz im Vorstand des World Travel and Tourism Council (WTTC).

Gaurav Bhatnager kommentiert öfters Entwicklungen in der Branche. Mit dem folgenden Kommentar trifft er den Nagel auf den Kopf.

Hans-Peter Brasser


«Wenn Sie sich jemals gefragt haben, wie verlustbringende Unternehmen weiterhin Geld zu höheren Bewertungen aufnehmen können, dann finden Sie hier die Antwort. Der Zugang zu billigem und reichlich vorhandenem Kapital führte zu einem sehr interessanten Investitionsmodell.

Das Geschäftsmodell des Venture Capital hängt davon ab, dass das Unternehmen in einer nachfolgenden Kapitalbeschaffungsrunde eine höhere Bewertung erhält. Wann würde eine weitere Kapitalerhöhung stattfinden? Wenn ein Unternehmen mehr Geld braucht. Wann würde ein Unternehmen mehr Geld benötigen? Wenn es das gesamte Geld aus der vorherigen Kapitalbeschaffungsrunde aufgebraucht hat.

Das ideale Modell, welches die Bewertung eines frühen Investors maximiert, ist dasjenige, welches jetzt Geld aufnimmt und es schnell verbrennt, während es ein Wachstum bei einigen Kennzahlen zeigt, jedoch nicht bei der Rentabilität, denn dann bräuchte es ja keine nächste Runde.

Je mehr Geld verbrannt wird, desto höher wird die Bewertung ausfallen. Und warum? Weil die Investoren bei jeder Finanzierungsrunde ungefähr den gleichen Prozentsatz an Eigenkapital übernehmen (sagen wir 10-20 %), unabhängig vom Umfang der Runde. Dies wird noch interessanter, weil die Investoren den Gründern neuerdings erlauben, in jeder Runde auch ihre eigenen Anteile zu verkaufen.

Das ist ein nahezu perfektes Geschäftsmodell. Investoren und Gründer haben gleichgerichtete Anreize für eine schnelle Verwässerung bei höheren Bewertungen, indem sie einen massiven Cash-Burn rechtfertigen und die Rentabilität hinauszögern.

All dies war eine Folge der leichten Verfügbarkeit von sehr billigem Bargeld in den letzten rund zehn Jahren. Wenn die Kapitalkosten weiterhin hoch bleiben, werden wir im kommenden Jahrzehnt ein ganz anderes Investitionsmodell erleben. Der Cashflow wird wieder König sein, und das sollte er auch!»