Opinion: Reisebranche muss entlassen, Kritik über das Wie wird immer lauter

Nach Hotelplan wird jetzt auch Globetrotter medial scharf attackiert: Die Globokratie – gut gemeint – stösst auf kritische Kommentare.
Angelo Heuberger, Chefredaktor TRAVEL INSIDE

Die Reise- und Tourismusindustrie weltweit ist gewaltig betroffen, und auch die Schweizer Reisewirtschaft – kleine wie grosse Unternehmen – leiden enorm. Konnte man eine zeitlang noch Hoffnung auf einen sich einigermassen erholenden Herbst oder Winter haben, ist diese inzwischen jedoch abrupt abgestorben. Es geht der Branche elendig versch…reckend und die Aussicht auf Besserung ist nirgends. Die Hoffnungen ruhen auf dem Bundesratsentscheid vom Mittwoch, 26. August.

In den Publikums-Medien ist die Misere der Reisebranche natürlich ein Riesenthema und wohl niemand im Lande ist sich dieser Situation nicht bewusst. Während jedoch die Schweizer für ein Jahr auf Auslandferien verzichten und vielleicht auch etwas sparen können, sehen sich die Reiseunternehmen mit einer Entlassungswelle konfrontiert. Diese Situation ist für alle in der Branche extrem schwierig und auch sehr belastend.

Hotelplan wurde in den Medien wegen ihrer Kommunikation – per E-Mail – heftig kritisiert, TUI Suisse, Knecht und vor allem DER Touristik kamen in der Beurteilung der Öffentlichkeit noch glimpflich davon. In den vergangenen Tagen wurde nun Globetrotter in den Medien heftig kritisiert und in Social Media Kommentaren arg verunglimpft und sogar zum Boykott aufgerufen. Die sogenannte Globokratie – bereits Ende Juni offen kommuniziert – wurde jetzt nach zwei Monaten aufgenommen und von Experten hinterfragt.

Der Chef – in diesem Falle GTS (Globetrotter Travel Service) – delegierte die Entscheidungsfindung eines rigorosen Sparkurses für 2021 an die einzelnen Teams. Damit baute er intern mächtig Druck auf die einzelnen Mitarbeitenden aus, jedoch im Interesse der Firma, um den Teams die Möglichkeit zur Selbstregulierung zu geben. Die Teams hätten dem GTS-CEO bei Vorgaben zur Reduktion ihre Umsatz- und Ebit-Ziele darlegen müssen, sowie die entsprechenden Stellen-Prozente dafür.

Aus seiner Sicht hat diese Strategie funktioniert, wie er in den Medien ausführt. Viele Gruppen hätten sich zu einer gemeinsamen Reduktion der zeitlichen Pensen durchgerungen und damit Entlassungen im grossen Stil verhindert. Dennoch muss Globetrotter – wie die meisten anderen grossen Reiseunternehmen – Leute entlassen. Spekulativ wird in den Medien die Zahl von 30% der Belegschaft von total 240 Personen kolportiert, dies dürfte vermutlich in Tat und Wahrheit zu hoch greifen.

Interessant ist in dieser Krisenzeit das eher unüblich anmutende Fehlen des Globetrotter Group-CEO, der praktisch täglich in den Medien und auf Social Media zu sehen ist und keine PR-Gelegenheit auslässt: Gerade auch auf einer SRF-Soap-Serie zu bestaunen, während im Hauptbetrieb seiner Gruppe die Hölle los ist, sehr unglücklich und bestimmt nicht gewollt. Aber auch der Globetrotter-Gründer und Übervater scheint nicht präsent zu sein. Immerhin, der Group-CEO – derzeit mit vier Bundesräten im Namen der gesamten Reisebranche stark engagiert – wendet sich von Zeit zu Zeit per Video-Botschaft an seine Belegschaft. Letzthin allerdings mit wenig zuversichtlicher Ausstrahlung, wie intern zu hören ist.

Interessant ist auch der Fakt, dass die Globetrotter Group zu 50% der Diethelm Keller Group – genauer der Diethelm Keller Travel Gesellschaft – gehört. STA Travel und  Diethelm Travel sind ebenfalls im Portfolio dieser Gruppe. STA hat bereits seit längerer Zeit grössere Schwierigkeiten: Weltweit zwar ein grosser Player, ist STA in der Schweiz eher eine kleinere Nummer. Und um die Probleme von Diethelm Travel in Asien kümmert sich seit kurzer Zeit der Tourasia-Chef als neuer Minderheitsbesitzer intensiv. Was ist mit diesen Unternehmen bloss los, kommt auch Globetrotter in einen Abwärtsstrudel, will sich die Diethelm Keller Holding am Ende gar seiner Travel Sparte entledigen?

Art und Weise die Entlassungen durchzuführen unterscheiden sich in der Schweizer Reisebranche offenbar stark, den Unternehmen und deren Verantwortlichen ein Strick zu drehen ist indes unfair. Niemand hat an diesem Vorgehen Freude, mangelnde Professionalität im Umgang sollte man ebenfalls vermeiden. So eine noch nie dagewesene Situation überfordert die besten ManagerInnen. Die Frage bleibt: was bleibt von dieser Branche – ohne externe Unterstützung – in diesem Winter und im kommenden Frühjahr noch übrig? Wird TRAVEL INSIDE je noch einmal einen TTW in Zürich und Montreux durchführen können?

(Kommentar: Angelo Heuberger)