Reisebüros müssen um die Jungen kämpfen

Während andere über Lehrlingsmangel klagen, ist die Nachfrage in der Schweizer Reisebranche noch ausreichend – allerdings rückläufig. Bei Kuoni gibt es 2017 rund 20% weniger neue Lehrstellen.
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Die Zeit, als Lehrstellen Mangelware waren, ist vorbei. Dies zeigen die Zahlen des Lehrstellenbarometers des Bundes: Vergangenes Jahr wurden lediglich 90% der offenen Stellen besetzt, bei rund 10000 Lehrstellen konnte kein geeigneter Bewerber gefunden werden. Zwar ist die kaufmännische Ausbildung nach wie vor die beliebteste Berufslehre, doch der Kaufmännische Verband Schweiz malt düstere Prognosen: Er rechnet damit, dass in den nächsten fünf bis zehn Jahren rund 100000 Stellen in diesem Sektor gestrichen werden.

Wie sieht es in der Reisebranche aus? Ist auch hier von einem Lehrlingsmangel die Rede? Für den Lehrbeginn im Sommer 2017 sind bei TUI Suisse alle zwölf Stellen vergeben: «Dieses Jahr hatten wir im Retail mit sieben Ausbildungsplätzen sogar mehr Stellen zu besetzen», so Claudia Ackermann, Apprentices Coordinator bei TUI Suisse. Bei Hotelplan Suisse konnten bereits 39 Lehrverträge abgeschlossen werden, nur noch eine Stelle sei offen. Bei Kuoni zeigt sich ein ähnliches Bild: Bisher wurden 28 Lehrstellen vergeben, lediglich drei sind in der Westschweiz noch vakant. Alle drei Veranstalter halten sich übrigens an die (nicht bindende) Leitlinie, freie Stellen nicht mehr als zwölf

ALSO ALLES BESTENS? Nicht ganz: Alle angefragten Veranstalter berichten von generell weniger Bewerbungen auf eine Lehrstelle. «Leider gibt es heute weniger junge Menschen, deren Traumberuf eine Anstellung in einem Reisebüro ist», stellt man bei Kuoni Schweiz fest. Die meisten würden einfach eine gute Ausbildung suchen, wobei die Branche sekundär sei. Auch müsse man auf den Trend hin zum Gymnasium reagieren können: «Es
muss uns gelingen, die Vorzüge der Branche herauszustreichen und Kuoni als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren », heisst es. Diese Themen sollen wieder verstärkt angegangen werden.

Brisant: Kuoni, bisher stets der Arbeitgeber mit den meisten Reisebüro- Ausbildungsplätzen, bietet heuer neun Stellen weniger als vergangenes Jahr an – dies entspricht einem Rückgang von rund 20 %. TUI Suisse spricht wenig euphorisch von «genügend tauglichen Bewerbungen» und Hotelplan berichtet von «weniger passenden Profilen als in vergangenen Jahren».

OFFENBAR ERHALTEN die grossen TOs dennoch genügend valable Bewerbungen – auf Kosten von kleineren Reisebüros? «Wir spüren keinen Trend, dass sich die Jugendlichen primär bei den Grossen bewerben», sagt Beat Obrist, Geschäftsführer der TTS Gruppe. Ein KMU habe durchaus seine Vorteile. «Nirgendwo in der Branche werden junge Mitarbeitende so in Selbstständigkeit und unternehmerischem Handeln gefördert wie beim TTS», zeigt er sich überzeugt. Dennoch sei auch hier die Zahl der Bewerbungen rückläufig und vom Standort abhängig.

«Ein Grund für den Rückgang ist die Tatsache, dass bei den Berufsberatern die Reisebranche als nicht zukunftsträchtig erachtet wird und dies die Eltern und potenzielle Lehrlinge verunsichert», so Obrist. Der TTS hat seine Lehrlingsbetreuung neu koordiniert, um Synergien zu nutzen und den Auszubildenden Aktivitäten zu bieten, die sie im Einzelbetrieb weniger zur Verfügung hätten. So seien nun ein zentraler Einführungstag für alle Lehrlinge, Destinationsschulungen, Vorbereitungsseminare auf die Lehrabschlussprüfung, Stellenbörsen für Lehrabgänger und eine jährliche Sitzung der TTS-Lehrlingsverantwortlichen geplant. Jährlich werden 15–20 Lehrstellen besetzt, wobei für nächstes Jahr alle bereits vergeben sind. Die Anforderungen an die Lernenden im Reisebüro sind hoch, die finanziellen Aussichten verhältnismässig bescheiden. Mit welchen Massnahmen wollen die Reisebüros dennoch das Interesse der Jugendlichen wecken? Dass die Reisebranche ganz generell spannend, dynamisch und nach wie vor beliebt sei, streichen sämtliche Veranstalter hervor. «Es macht mehr Freude, Kunden
für Ferien zu begeistern als für Bankund Versicherungsgeschäfte», so Obrist.

MITARBEITENDE MIT Reisebüroausbildung genössen in anderen Branchen eine hervorragende Reputation – sei es punkto Belastbarkeit, Flexibilität, Mehrsprachigkeit oder Weltoffenheit. Auch seien sie verkaufsgewandt und IT-affin. «Die Ausbildung ist abwechslungsreich, man erhält Einblick in Filialen und Abteilungen, lernt die Welt kennen und kann sich auch in Sozialkompetenz weiterbilden», heisst es bei Hotelplan. Bei Kuoni übernähmen die Lernenden schon in der Lehre viel Verantwortung und wendeten Fremdsprachen an. «Zudem werden sie gefördert und erhalten sehr gute Zusatzleistungen wie Zeugnisgeld, Notenprämien, Übernahme von Schulgebühren oder Sprachaufenthalte, Stützkurse oder Lernlager.»

Die Branche an sich sei mit vielen jungen Leuten attraktiv und dynamisch, heisst es bei TUI. «Wenn sich jemand für die Branche entschieden hat, punktet TUI mit interessanten Benefits, Lehrlingscamp, Internationalität durch den TUI-Konzern sowie Sicherheit und Standfestigkeit in der Branche.»


Neue Lern- und Leistungsdokumentation ab Sommer 2017

Die Lern- und Leistungsdokumentation (LLD) für alle Lernenden mit Lehrstart 2017 wurde vom Schweizer Reise-Verband (SRV) neu angepasst. Einige Leistungsziele oder Teilfähigkeiten wurden gestrichen, während andere neu dazugekommen sind oder umformuliert wurden.

«Für die Lehrbetriebe sind die Änderungen hauptsächlich eine Verbesserung, da die Ziele konkretisiert wurden», erklärt Nadeshda Britschgi vom SRV. Zudem wurden die Ziele oder Teilfähigkeiten bei dieser Gelegenheit auch auf die Aktualität überprüft, insbesondere im Flugwesen. Deshalb seien die Anforderungen an die Lernenden nach wie vor dieselben, lediglich genauer definiert. Konkret gibt es neu 19 statt 18 Pflichtleistungsziele sowie zwölf statt wie bisher 15 Wahlpflicht-Leistungsziele. Mit dem Ziel «Arbeitsplanung und Organisation» sei ein Wahlpflicht-Ziel geändert worden. «Die Erfahrung zeigt, dass in jedem Lehrbetrieb der Lernende eine gute Planung kennenlernen kann und auch muss, damit er sich in seinem späteren Berufsalltag organisieren kann und weiss, wo er welche Informationen erhält», so Britschgi. Zudem wurden die folgenden Leistungsziele/Teilfähigkeiten gestrichen: Daten und Dokumente verwalten, Brief- und Paketpost verarbeiten sowie Umgang mit technischen Geräten. Diese Ziele hätten entweder nicht genügend Verwendung gefunden oder seien zu weit entfernt von den elementaren Branchenthemen.