SRV-Katz: «Konstruktive Kritik unserer Mitglieder nehmen wir sehr ernst»

Der SRV-Präsident Max E. Katz stellt sich den Fragen von TRAVEL INSIDE zur aktuellen Situation.
Max E. Katz, Präsident SRV

Max E. Katz, an der Basis brodelt es und die Kritik an den Verbänden, vorab dem SRV, wird immer lauter. Wie beurteilen Sie diese Situation, ging da was schief?

Was ist denn die konkrete Kritik am SRV? Tatsache ist, dass die Corona-Krise zu noch nie da gewesenen Verwerfungen in unserer Branche geführt hat und bei den meisten Unternehmen zu grossen Verlusten, Arbeitsplatzabbau und – leider – bei einer nicht kleinen Anzahl Marktteilnehmer auch zur Schliessung führen wird.

Natürlich war unsere Arbeit nicht ohne Fehl und Tadel, auch für uns war Covid-19 Neuland vom Ausmass und von den Auswirkungen her. Wir hatten – wie die meisten – keinen Notfallplan Pandemie in der Schublade und mussten Tag für Tag entscheiden, was unter den aktuellen Umständen zu tun ist.

Konstruktive Kritik durch unsere Mitglieder nehmen wir sehr ernst und haben auch bereits Bereiche identifiziert, wo wir uns verbessern können und werden. Aber es gab auch oft irgendwelche Rundumschläge von Personen, die keinem Verband angehören und seit Jahren Solidarität in der Branche vermissen lassen aber jetzt Forderungen an die Verbände stellen. Und dann gab es oft auch Lob und Anerkennung für das, was unser Geschäftsführer Walter Kunz und die Geschäftsstelle geleistet haben und was in Bern erreicht wurde.

Ist André Lüthi eigentlich der Verhandler für den SRV?

André Lüthi hat sich als Verantwortlicher Politik im SRV mit seinem grossen Netzwerk in Bundes-Bern seit Beginn der Corona-Krise in hohem Masse für die Schweizer Reisebranche engagiert. Er wurde dann auch – als Vertreter eines mittelgrossen Unternehmens – vom Seco als Berater beauftragt, ihnen die Zusammenhänge und Konsequenzen im Tourismus und mögliche Lösungsansätze aufzuzeigen. Dies hat sich mit seiner Aufgabe im Verband ergänzt. Dass er bei allem was er tut es auch für seine Firma tut liegt in der Natur der Sache und ist kein Widerspruch.

Eine Online-Umfrage von TRAVEL INSIDE ergab kürzlich den Wunsch nach einem Dachverband, der die bestehenden Verbände zusammenfasst. Eine gute Idee?

Es ist jetzt nicht der Zeitpunkt, um über Strukturen und Verbände zu diskutieren. Wir müssen alles daransetzen, mit möglichst geringem Schaden die Krise zu überstehen und können danach Grundsatzdiskussionen führen.

Wie ist die Zusammenarbeit der Branchenverbände SRV, STAR und TPA heute?

Wir arbeiten seit anfangs April gemeinsam in einer Arbeitsgruppe mit dem SECO an möglichen Lösungen für die Schweizer Reisebranche. Die Zusammenarbeit ist sehr gut und konstruktiv.

Ein Drittel der Umfrageteilnehmer kann sich den SRV als Leader für einen Dachverband vorstellen. Sind sie bereit dies zu lancieren und präsidieren?

Wie gesagt ist es jetzt nicht die Zeit für solche Diskussionen.

In der Zwischenzeit haben sich Basis-Gruppen zu Wort gemeldet. Werten Sie dies als Zeichen dafür, dass der SRV zu wenig mit der Basis kommuniziert?

Wir haben seit dem 6. Februar 2020 weit über 40 ‘Infos aus erster Hand’ an unsere Mitglieder verschickt und diese jeweils über die Fachpresse auch allen Nicht-Mitgliedern zukommen lassen. Aber wenn der Eindruck da ist, dass wir nicht gut kommuniziert haben, dann ist das so: ‚Perception is reality‘! Anlässlich unserer letzten Vorstandssitzung haben wir uns selbstkritisch mit der Krisenkommunikation auseinandergesetzt und werden diese in einer nächsten Sitzung auf Optimierungen und Modernisierungen überprüfen.

Wie beurteilen und empfinden Sie diese Gruppen wie die Aktion Mayday oder die Gruppe der 58 besorgten Reisebüros?

Ich verstehe die Sorgen und Ängste der Reisebüros und auch ihr Wunsch nach raschen Lösungen und finanziellen Unterstützungen. Doch sie sollen sich an ihre Verbände wenden. Denn wichtig ist, dass wir alle mit einer Stimme in Bern auftreten und damit die Arbeitsgruppe von SRV/STAR/TPA nicht schwächen.

Wie ist das Verhältnis des SRV zu diesen Gruppen heute, redet man miteinander?

Mit Natalie Dové und Roland Zeller hatte ich verschiedentlich Kontakt, von der ‘Gruppe der 58’ hat mich niemand kontaktiert.

Was sind die Ergebnisse der Gespräche mit den Bundesräten Cassis und Parmelin?

Erstmals in der Geschichte der Schweizer Reisebranche hatten wir Gelegenheit, unsere Anliegen an oberster Stelle anzubringen. Solche Möglichkeiten haben auch in dieser schwierigen Zeit bei weitem nicht jede Branche. Wie üblich wird an solchen Gesprächen Stillschweigen vereinbart.

Aber es ist natürlich nicht so, dass man erwarten darf, mit einem Check aus einem solchen Treffen herauszulaufen. Es geht darum, im langen politischen Prozess die Entscheidungsträger zu sensibilisieren und Verständnis für unseren Härtefall zu wecken. Am 1. Juli 2020 findet ja die nächste Bundesratssitzung statt und die Erwerbsersatzentschädigung für Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung dürfte nochmals besprochen werden. Wir haben die Gelegenheit benutzt, spezifisch auf dieses für unsere Branche überlebenswichtige Thema hinzuweisen.

Zu einem späteren Zeitpunkt werden auch die Vorschläge des Seco im Bundesrat besprochen und danach muss das Parlament diese genehmigen. Auch dieser Prozess wird wichtig sein und wir brauchen dann jede Unterstützung aus der Branche, wie wir sie anfangs Mai für die Verlängerung des Rechtsstillstands erhalten haben.

Wo stehen Seco-Gespräche – KAE, Kurzarbeit verlängern, Hilfsfonds?

Das Seco hat von der Arbeitsgruppe aus SRV/STAR/TPA ein rund 20-seitiges Dokument mit Lösungsoptionen und Berechnungen erhalten und überprüft diese auch mit externer Hilfe. Danach gehen die vom Seco bevorzugten Varianten an den Bundesrat und dann an das Parlament. Wir hoffen auf eine Entscheidung in der Herbstsession im September.

Wo stehen die Bemühungen, das PRG zu ändern?

Dies ist ein wichtiges mittelfristiges Thema und wird – bedingt durch die politischen Prozesse -Jahre in Anspruch nehmen. Denken Sie nur an die ‘Motion Markwalder’ die seit 2014 in Bern in den verschiedenen Gremien behandelt wurde und nun beim Bundesamt für Justiz liegt.

Tourismusstrategie Bund: bisher nur Incoming. Brauchts jetzt auch für Outgoing?

Wir haben nun – mit Ausnahme der ‘Motion Markwalder’ – erstmals offene Ohren für unsere Anliegen in Bern gefunden. Aber wir müssen auch realistisch bleiben: die Incoming Branche hat etwa 230‘000 Beschäftigte, in unseren Firmen sind es etwa 8‘000. Die Bedeutung des Incomings für die Schweizer Wirtschaft wird immer deutlich grösser bleiben.

Bereits im Mai hatte ein Drittel der Teilnehmer einer Online-Umfrage von TRAVEL INSIDE mehr Lobby-Arbeit gewünscht – was meinen Sie, braucht es eine Parlamentarische Gruppe Reisebranche?

Wir haben heute eine sehr gute Lobby-Arbeit im Parlament und beim Bundesrat dank vieler unserer Branche freundlich gestimmter National- und Ständeräte.

Krise in der Branche – Wie dramatisch ist sie wirklich, Ihre persönliche Insider-Beurteilung?

Die Situation ist dramatisch und wird leider zu vielen Arbeitsplatzverlusten führen. Im Jahr 2020 werden wir mit einem Umsatzverlust von 70-80% rechnen müssen und auch 2021 wird noch 30-40% unter dem ‘Normaljahr’ 2019 liegen.

Der SRV hat für das Seco die Branche nach der Finanzlage und die Beanspruchung der Nothilfekredite sowie Kurzarbeit befragt – was ist dabei herausgekommen?

Die Umfrage hat ergeben, dass mehr als 70% der Reisebüros bereits Covid-19 Kredite bezogen hat und etwa 15% dies noch innerhalb der Frist machen wollten. In welchem Ausmass die Kredite auch schon genutzt wurden konnte nicht ermittelt werden. Bei der Kurzarbeit für Selbständige haben 88% in arbeitgeberähnlicher Stellung Erwerbsersatzentschädigung bezogen und zusätzlich 30% dies auch für mitarbeitende Ehegatten oder PartnerInnen.

Sind Bereinigungen zu erwarten, wie viele Reisebüros werden überleben? Welche Grossen?

Ich schätze, dass es zur Schliessung von zahlreichen Reisebüros kommen wird, und zwar sowohl von Filialen von grossen Firmen als auch von Einzelfirmen. Dies kann 20-25% der Reisebüros betreffen.

Gibt es eine Konzentration, eine Branchenkonsolidierung, ist das willkommen?

Als Folge der Corona-Krise werden weniger Reisebüros den Markt unter sich aufteilen und die Überlebenden damit eine bessere Existenzgrundlage haben. Ich hätte mir gewünscht, dass dies nicht notwendig ist, denn die digitalisierungsbegründete Konzentration hat schon in den letzten zwanzig Jahren die Anzahl der Reisebüros mehr als halbiert. Ich war – vor Corona – der Meinung, dass die nun noch bestehenden Reisebüros eine gute Chance für die Zukunft haben, denn sie hatten sich am Markt behaupten können.

Wie schätzen Sie das Szenario Hotelplan mit Kuoni, was würde dies für den Markt bedeuten?

Dies ist ein rein spekulatives Szenario.

Was kam bei den Gesprächen mit der Swiss über deren Refund-Politik heraus?

Die Vertreter der Reiseveranstalter und des SRV haben gefordert, dass nun endlich die Rückerstattungen erfolgen und dies am einfachsten mit der Reaktivierung der Stornierungsfunktion in den GDS zu bewältigen wäre. Dies wurde jedoch von der Swiss abgelehnt. Nachdem jetzt die Lufthansa-Rettung durch die GV genehmigt wurde, hat Swiss versprochen, ab Juli die Rückerstattungen abzuarbeiten.

(Interview: Christian Maurer)