Stephan Roemer: «Wer jetzt nach Asien reist kann nur profitieren»

Stephan Roemer, CEO Tourasia und Diethelm Travel, über die aktuelle Situation vor Ort, die Nachfrage, Kapazitätsengpässe, Preisentwicklungen und Erwartungen.
Stephan Roemer

Stephan Roemer, Sie sind vor wenigen Tagen aus Thailand zurückgekehrt. Wie präsentiert sich dort die aktuelle touristische Situation?

Wir stellen fest, dass die Hotels moderat gebucht sind, es gibt viele freie Kapazitäten und dadurch auch viele Spezialangebote. Zudem gibt es zahlreiche Hotels, die noch geschlossen sind, solche die nicht wieder öffnen werden und solche, die derzeit noch Umbau- oder Renovationsarbeiten vornehmen. Das Hotelangebot ist also kleiner als 2019.

Fahrzeuge für Transfers, Ausflüge oder Rundreisen hat es bedeutend weniger am Markt. Da haben wir bereits schwierige Momente erlebt. Während der Pandemie wurden viele Autos verkauft und die Neubeschaffung dauert im Moment relativ lange. Ein Beispiel: Unser Partner hatte eine Flotte von 230 Autos, im Moment sind es noch 90. In gewissen Bereichen haben wir nun mit Kapazitätsengpässen zu kämpfen, was nicht unerwartet kommt.

Es gibt auch Hotels, die immer geöffnet hatten und sich knapp über Wasser halten konnten und jetzt, wo der Tourismus wieder anzieht und sie Mitarbeitende benötigen, grosse Probleme mit dem erhöhten Finanzbedarf bekommen. Es fehlt das Geld für die Wiederaufnahme des vollen Betriebs.

Wie sehen bei Tourasia die Vorausbuchungen für die Hochsaison von November 2022 bis April 2023 aus?

Die Buchungen kommen sehr kurzfristig herein. Wir haben Buchungen bis zum Sommer 2023, aber im Moment kann ich nur sagen, dass es bis Ende November gut aussieht. Der Dezember zieht etwas an, aber darüber hinaus stehen wir derzeit bei gerade mal 10% von dem, was wir 2019 zum gleichen Zeitpunkt hatten. Vor einem Monat war ich noch nervös was den Oktober betrifft, nun sieht es aber sehr gut aus.

Rechnen Sie letztlich mit einer guten bis sogar sehr guten Saison?

Ich bin Realist und habe für unser Geschäftsjahr 2022/2023, das bis am 30. Juni 2023 läuft, 60% des Umsatzes von 2019 budgetiert. Waren es 2019 rund CHF 36 Mio., so sprechen wir nun von CHF 21 bis 22 Mio. Ich denke, dass wir dieses Ziel erreichen werden.

Wie steht es um die Zimmerpreise in den Hotels?

Die Zimmerpreise sind definitiv gesunken. Einerseits gab es keine Preiserhöhungen, dann hat der thailändische Baht gegenüber dem Schweizer Franken innerhalb eines Jahres 15% verloren. Andererseits gibt es aufgrund der tiefen Auslastung noch immer sehr viele Sonderaktionen. Rabatte von 40 bis 50%, und das bis Ende Jahr, sind keine Seltenheit. Bei den Hotels kann man im Moment von extrem guten Schnäppchen profitieren. Wir haben Preise, wie ich sie seit 2012 nicht mehr gekannt habe.

Auf der anderen Seite sind die Transportkosten gestiegen und auch gewisse importierte Waren.

Auch in Thailand haben sich die Preise für Treibstoff, Lebensmittel und anderes erhöht, was sich auf die Nebenkosten einer Ferienreise auswirkt. Zusammen mit den markant höheren Flugpreisen werden Thailand-Ferien also teurer?

Bei kürzeren Aufenthalten kann es sein, dass der Flugpreis die bedeutend günstigeren Unterkunftspreise auffrisst. Es kommt auch darauf an, wie früh man bucht, im Frühling 2023 sind noch immer recht günstige Flugpreise verfügbar. Aber kurzfristig sind sie wirklich teuer. Wenn man jetzt also längerfristig bucht kann man Asien-Ferien zu unschlagbaren Preisen geniessen.

In touristischen Hochburgen wie etwa Pattaya, Samui oder Phuket sind noch immer etliche Geschäfte, Unterhaltungsbetriebe und Hotels geschlossen. Wie sehen Sie da die Entwicklung?

Wir sind oft in Kontakt mit Sekundäranbietern wie Geschäften, Restaurants usw. Wir haben soeben unsere Liste empfehlenswerter Restaurants in Thailand überarbeitet und mussten feststellen, dass mehr als ein Drittel noch nicht wieder geöffnet oder für immer geschlossen hat. Viele Restaurants gibt es bedauerlicherweise nicht mehr, auf der anderen Seite wurden aber auch viele neue Lokale eröffnet. Das ist eine dynamische Entwicklung.

In Bangkok einen Schneider zu finden ist gar nicht so einfach, vorher gab es an jeder zweiten Strassenecke einen. Die kleinen Geschäfte haben echt gelitten, viele von ihnen mussten aufgeben.

Auf der anderen Seite profitiert man in fast allen Einkaufszentren von massiven Rabatten und Aktionen.

Derzeit sind es vor allem Gäste aus den Quellmärkten Malaysia, Mittlerer Osten und Indien, die den Tourismus in Thailand ankurbeln. Wird sich das auf die Hochsaison hin verändern?

Aus Sicht von Diethelm Travel sind aktuell Indien, Russland und England die treibenden Märkte. Deutschland ist noch sehr verhalten, die Schweiz entwickelt sich gut. Die zentraleuropäischen Quellmärkte werden vor allem auf den Winter hin wieder aktuell, dass sie jetzt noch nicht so stark sind hat mit der bereits erwähnten Kurzfristigkeit der Buchungen zu tun.

2019 besuchten gut 40 Mio. Gäste Thailand. Mit welchen Zahlen rechnen Sie für dieses Jahr und für 2023?

Die offiziellen Stellen sprechen von 10 Mio. Touristen in diesem Jahr. Ich glaube es werden nicht mehr als 9 Mio. sein und dass im nächsten Jahr rund 20 Mio. erreichbar sein könnten. Es fehlt vor allem der grosse Markt China.

Thailand möchte offiziell weg von der Masse hin zur Klasse und spricht von Qualitätstourismus. Wie realistisch ist dieses Ziel und wie soll es erreicht werden?

Ich sehe das nicht als realistisch an, zumal die Infrastruktur nicht darauf ausgelegt ist. Im Moment sieht man, dass auf Volumen fokussiert wird. Indien ist kein teurer Qualitätsmarkt sondern einer der billigsten Quellmärkte, bringt aber Volumen. Die Realität zeigt sich etwas anders als der Wunschgedanke. Thailand würde es sicher gut tun, sich auf ein Kundensegment zu fokussieren. Eher etwas weg von der Masse, da diese immer wieder infrastrukturelle Probleme erzeugen.

Wie sehen Sie die Entwicklungen in den anderen Ländern Asiens, die Sie als Tourasia anbieten und in denen Diethelm Travel als DMC tätig ist?

Indonesien hatte einen sehr guten Sommer, die Kapazitäten wurden voll ausgenutzt. Malaysia hat sich auf den Herbst hin sehr stark entwickelt, vor allem aus England. Gut unterwegs sind auch die Philippinen und Vietnam. Etwas verhalten präsentieren sich noch Laos oder Bhutan, Kambodscha liegt etwa bei 50% gegenüber 2019. Myanmar fehlt uns aufgrund der innenpolitischen Situation und natürlich China, ein sehr grosser Markt. Japan, das sich erst im Oktober so richtig öffnet, hat damit den Herbst verpasst.

China und Japan sind sowohl für Tourasia als auch für Diethelm Travel grosse Märkte, die uns noch immer fehlen.

Aufgrund sehr restriktiver Ausreisebeschränkungen fehlen vielen touristischen Zielen die Gäste aus China, die vor Corona einen Grossteil der Einreisen generierten. Rechnen Sie da mit baldigen Erleichterungen?

Wenn das jemand wüsste, dann könnten wir besser planen. Die Entwicklung in China ist nicht absehbar. Ich bin andauernd in Kontakt mit unserem Büro in China und der Tenor ist immer der gleiche: Wir wollen reisen, wir sind bereit – vor allem die Mittelklasse – aber wir dürfen im Moment nicht reisen.

Sobald sich das Land wieder öffnet, und zwar für Inbound und Outbound, wird die Bereitstellung der Kapazitäten zur grossen Herausforderung. Vor allem bei den Flügen. Aber ich gehe nicht davon aus, dass China sich bereits auf den Winter hin öffnen wird. Hongkong hingegen könnte sich gegen Ende Jahr voll öffnen. Es sieht jedenfalls danach aus.

Wie lange wird es dauern, bis Asien zur alten touristischen Stärke zurückkehren wird?

Ich glaube das hängt hauptsächlich von den Flugkapazitäten ab. Im Moment beschränken die Flugkapazitäten das Volumen. Sobald wir mehr Kapazitäten am Markt haben, werden mehr Menschen reisen und das wird sich auch positiv auf die Flugpreise auswirken. Wir haben viele Anfragen, die ohne Flexibilität kaum zu befriedigen sind. Früher konnte man problemlos innerhalb einer Woche verreisen, das ist zur Zeit unmöglich.

Wie stark werden sich Inflation, Treibstoffknappheit etc. auf die Nachfrage auswirken?

Die grösste Gefahr der Inflation ist Panik. Ich gehe nicht davon aus, dass die Schweiz sehr stark betroffen sein wird. Die letzten zwei Jahre gab es einen gewissen Konsumstau, es gibt Nachholbedarf. Das sehen wir auch, der Dossierwert  pro Person ist höher als 2019. Die Leute geben wieder mehr Geld für Ferien aus.

Der Nachholbedarf zeigt sich u.a. auch an den boomenden Autoverkäufen. Es scheint, dass derzeit mehr Geld für Konsum vorhanden ist, da es einen Rückstau gab. Entsprechend sehe ich die Inflation in der Schweiz nicht als Angstmacher, der sich auf die Nachfrage nach Reisen auswirken könnte.

Wie einfach ist es, nach Asien zu reisen?

In den meisten asiatischen Ländern wurde die Ein- und Ausreise massiv vereinfacht, nicht zuletzt durch moderne Technologie und automatisierte Abläufe. So etwa in Thailand, Malaysia, Kambodscha oder Vietnam. Und es gibt kaum noch grosse Covid-Restriktionen.

Warum sollte man jetzt nach Asien reisen?

Nebst den erwähnten Faktoren sind es die fehlenden Massen, die es dem Besucher ermöglichen, an einsamen Stränden zu liegen oder Sehenswürdigkeiten in Ruhe zu besichtigen. Ich komme mir manchmal fast wie in die 80er-Jahre zurückversetzt vor. Das sind Privilegien, die man jetzt hat und vielleicht noch nächstes Jahr. Wer jetzt nach Asien reist, kann nur profitieren.

Interessant ist auch, dass viele Länder die Pandemie genutzt haben, und viel in die Infrastruktur investiert haben. In Kambodscha zum Beispiel in den Strassenbau und in Velowege. Es ist ein wahres Vergnügen, dort unterwegs zu sein.

Auch auf den Philippinen und in Vietnam wurde viel investiert. Und das asiatische Bahnnetz wird immer umfangreicher und top modern. In Bangkok wird nächstes Jahr die neue Schwebebahn eröffnet und der Flughafen Hua Hin wurde zum internationalen Airport ausgebaut. Die Infrastruktur macht überall riesige Fortschritte, was natürlich auch dem Tourismus zu gute kommt.

Interview: Urs Hirt


Engagement für und in Asien

Stephan Roemer (58), ist Gründer, Mehrheitsaktionär und CEO des Asien-Spezialisten Tourasia, der seit 1992 am Markt tätig ist. Zudem hält er eine substantielle Minderheitsbeteiligung am Asien-Spezialisten Tischler Reisen in Deutschland.

2022 übernahm er zusammen mit zwei Schweizer Partnern zu gleichen Teilen die Destination Management Company (DMC) Diethelm Travel mit Sitz in Bangkok, die er bereits seit 2018 als CEO und Minderheitsaktionär leitete.

Bei Tourasia sind aktuell 24 (2019: 36) Mitarbeitende tätig, die Umsatzerwartung für 2022 liegt bei rund CHF 21-22 Mio., gegenüber rund CHF 36 Mio. vor der Pandemie. Diethelm Travel ist derzeit mit 240 (2019: 550) Mitarbeitenden in 13 Ländern Asiens tätig.