STMF 2021: «Der Anfang vom Krisenende ist da»

Spannende Diskussionen über heikle Themen wie Datenschutz und Nachhaltigkeit in der 15. Ausgabe des Swiss Travel Management Forum.
STMF 2021. ©Armin Grässl

Die 15. Ausgabe des Swiss Travel Management Forum (STMF) und für viele der 1. Kongress seit langer Zeit wartete am Donnerstag, dem 28. Oktober, mit hochkarätigen Referenten und Podiumsteilnehmern auf.

Insgesamt nahmen 130 Business-Travel-Profis, Corporate Travel Manager, Dienstleister und TMC am Forum in der Zürcher Event Location Stage One teil. Nach einem Grusswort von Christoph Carnier, VDR-Präsident, der es extrem schätzte, die Branche endlich wieder persönlich zu treffen, führten die drei Tagesmoderatoren Adrian Matt, Willy Schnyder und Christian Maurer, Chefredaktor «Business Traveltip» durch die diversen Vorträge, Podiumsdiskussionen und Elevator Pitches.

Carnier griff gleich zu Beginn, die wahrscheinlich wichtigsten Themen des diesjährigen STMF auf und sagte: «Heute dreht sich alles um den Restart und um Nachhaltigkeit.» In Bezug auf den Restart meinte Carnier: «Die Pandemie hat Geschäftsreisen komplett verändert.» Die Wertigkeit und Qualität einer Dienstreise würden zunehmen und das Reisen darf auf keinen Fall zu einer Belastung werden.

«Corona ist bei vielen Themen, wie zum Beispiel Digitalisierung, ein Beschleuniger» – heute stelle man sich in einem Betrieb öfter die Frage: was kann ich auch online machen? Die perfekte Einleitung zum Impulsvortrag von Patrick Diemer, Senior Advisor, Arthur D. Little, zum ersten Thema auf dem Programm: «Business Travel – reloaded?»

«Never waste a crisis»

Diemer eröffnete sein Referat mit einem kontroversen Zitat von Bill Gates, der vor ein paar Jahren gesagt hatte, dass über 50% des Business Travel und über 30% der Arbeitstage im Büro verschwinden werden. «Hatte er damit recht?», fragte sich der Ex-CEO von Airplus. Lange Zeit habe er die Aussage von Gates nicht wirklich ernst nehmen können, nun müsse er ihm aber recht geben. Die Faktenlage sei nicht gut. «Im Moment reden zwar alle von Recovery, ein Grossteil des Geschäfts ging aber in den letzten anderthalb Jahren verloren», so Diemer.

Ein Rebound finde noch nicht statt. Langsam kehre zwar wieder was zurück, aber man sei noch weit entfernt von Vor-Corona und werde wohl auch kaum wieder dahin zurückfinden. «In Zukunft werden laut Studien mindestens 30% der Geschäftsreisen virtuell stattfinden – wenn dem so ist, wird es Jahre dauern, bis wir wieder auf dem Niveau von 2019 sind.»

Wir seien nun in einer neuen Realität und es gäbe keine schnelle Erholung für den Business Travel. Dennoch sollte sich die Branche laut Diemer jetzt nicht mehr nur um Pandemie-Themen kümmern. Die Krise ermöglichte auch eine Dynamik für aktuelle Themen «Es ist Zeit nach vorne zu schauen und den Fokus auf andere Dinge zu legen – der Anfang vom Krisenende ist da», schliesst Diemer seinen Vortrag ab.

Welche Reisen sind wirklich notwendig?

In der anschliessenden Podiumsdiskussion mit Andreas Gisler, Head Travel Management, Swiss Re, Marco Willa, Head Sales Switzerland, Swiss und Bernd Schulz, Senior Director Business Development, SAP Concur gab man der Sichtweise Diemers mehrheitlich recht. Andreas Gisler glaubt, dass Bill Gates recht hat – und dies nicht wegen Corona, sondern wegen dem Thema Nachhaltigkeit. Das sei der Grund, weshalb die Geschäftsreisen jetzt und in Zukunft markant zurückgehen werden.

Für Marco Willa war die Krise, «die grösste aller Zeiten». Die Swiss sei aber viel flexibler geworden, weshalb die Pandemie auch gut gemeistert wurde. In Bezug auf die Swiss gibt er Diemer ebenfalls recht, fügt aber hinzu, dass die Schweizer Airline mit dem Runterfahren deutlich weniger Probleme hatte als mit dem Hochfahren. Das Hochfahren sei auch sehr an die Nachfrage gekoppelt. «Eine Autobahn wird in den Ferien saniert», sagte Bernd Schulz und spricht damit den Ausbau von SAP Concur während der Krise an. «Wir sind gut durch die Krise gekommen und haben die Zeit genutzt.»

Einig sind sich die drei Podiumssprecher auch beim Thema Nachhaltigkeit. Der Trend wurde verschärft – Nachhaltigkeit wird die Branche noch lange beschäftigen. «Gerade Reisen im internen Bereich werden im grossen Stil zurückgehen», so Gisler. Auf die Frage, ob Swiss auch in Zukunft auf Business- und First-Class festhalten will, sagt Willa: «Es gibt eine Nachfrage für beides, aus diesem Grund sehen wir keinen Grund nicht an der Business- und First-Class festzuhalten.»

Die Business-Branche ist laut Gisler gefordert. Es gelte herauszufinden, welche Reisen wirklich notwendig sind. «Es braucht immer Leute vor Ort, viele Jobs erfordern das Reisen, es ist nicht alles virtuell lösbar», stellt Schulz klar und damit sind seine Podiumspartner auch einverstanden. Das Fazit der Diskussion ist eindeutig. Business Travel ist noch lange nicht wieder da, wo es mal war – aber immerhin «sehen wir endlich wieder ein Licht am Ende des Tunnels», sagt Andreas Gisler passend zum Abschluss.

«Nach der Pandemie ist vor der Pandemie»

Urban Lederer, Mitgründer und CEO der Sicherheitsberatungsfirma Lexxton, sprach im zweiten Impulsvortrag über Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. «Duty of Care» müsse Hand in Hand mit dem Thema Datenschutz, das in Pandemiezeiten eine noch wichtigere Rolle spielte, gehen. «Die Fürsorgepflicht wurde in der Krise angepasst und das Reisen wurde minimiert.

«Die grossen Herausforderungen waren, dass keine Reisen mehr stattfanden und die Organisation der Rückflüge sehr schwierig war.» Mit Impfungen und Tests seien nun weitere wichtige und zu schützende Daten dazugekommen. Die Daten dürfen laut Lederer zwar erfasst werden, es braucht dafür aber die Einwilligung des Arbeitnehmers. Gerade wenn es um das Testen von Mitarbeiter geht, sei es aktuell schwierig Fürsorgepflicht und Datenschutz unter einen Hut zu bringen. Die grösste Überraschung für Lederer war, dass laut einer Umfrage keine Unternehmen Daten über Mitarbeiter erfasst und gespeichert haben.

Wie man in einem Unternehmen mit dem Thema umgeht, ist laut Lederer eine Frage der Unternehmenskultur. «Die Norm heisst Travel Risk Management (TRM) und damit ist mehr als nur Reisesicherheit in rote Länder gemeint.» Hier gehe es auch um Informationssicherheit auf Reisen. In der Podiumsdiskussion diskutierten daraufhin Daniel Steffen, Managing Director, Checkport Switzerland Ltd, Jürg Müller, Country Manager Switzerland, Emirates und Thomas Spillmann, Managing Director, ABB Intra Ltd über das heikle Thema.

«Jeder hat seine eigene Bibel»

Das grosse Problem bei der Fürsorgepflicht, und auch wenn es darum geht, ein Tool zu entwickeln, dass Sicherheit und Datenschutz bietet und zudem alle nötigen Daten beinhaltet, sind laut Jürg Müller die verschiedenen Regeln. «Jeder hat seine eigene Bibel – auch der IATA Travel Pass ist noch nicht so weit. Das Tool hätte zwar Potential, wird aber nur von einem kleinen Teil genutzt.»

Daniel Steffen sieht das ähnlich: «Der IATA-Pass ist in erster Linie anwenderunfreundlich und es gibt ein Problem mit den Daten.» Das Tool könne nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, ob ein Gast nun das richtige oder falsche Zertifikat dabeihat und die Daten können auch nicht direkt «abgesaugt» werden.

«Mit Duty of Care waren wir zum Glück vor der Krise schon sehr, dies hat uns gerade am Anfang der Krise geholfen», sagte Thomas Spillmann. Zum Thema Datenschutz meint der ABB-Managing Director: «Wir müssen den Gesundheitsstand unserer Mitarbeiter wissen. Nachfragen müssen wir, gespeichert wird aber nichts.» Er ist zudem der Meinung, dass Gesundheitsdaten noch lange nicht digital umhergeschickt werden – dafür seien diese Daten einfach zu heikel. «Die rechtlichen Barrieren sind dabei das grosse Problem – das ist eine Herkules-Aufgabe.»

Doch wie lässt sich denn nun ein Tool aufbauen, dass alle Infos bereithält? «Ich wäre wohl um einiges reicher, wenn ich das wüsste», scherzt Müller. Es brauche einen weltweiten Standard. Steffen pflichtet ihm bei und sagt: «bevor wir digitalisieren, müssen wir standardisieren. Ausserdem müsse die politische Komponente aus der Sache rausgehalten werden. Allgemein gehöre Politik nicht in eine Pandemiebekämpfung. «Es ist auf jeden Fall ein weiter Weg und eine grosse Hürde», meint Spillmann abschliessend.

Laut Müller sind noch immer viele Kunden und auch Firmen verunsichert und das Thema Informationsbeschaffung sei unglaublich wichtig. Oft werde man einfach auf offizielle Seiten verwiesen. «Das ist eine Chance für Reisebüros – wenn man Informationen geben kann, bedeutet das ein deutlicher Mehrwert, der sich in Zukunft auszahlen könnte. Auf die Frage, ob Informationen Reisen teurer machen, hat Spillmann eine klare Antwort: «Vor allem die Kurzfristigkeit macht das Reisen teurer. Auch Nachhaltigkeit wird Reisen nicht günstiger machen.

«Nachhaltigkeit zu den Leuten bringen»

Dem Thema Nachhaltigkeit nahmen sich Christian Guex, Global Travel Operation Manager, Air & Lodging Category Coordinator, F. Hoffmann-La Roche Ltd, Markus Trapp, Director of Sales DACH, CWT und Melanie Heiniger, Environmental Affairs & Corporate Responsibility, Swiss, in ihren Impulsvorträgen und der anschliessenden Podiumsdiskussion an.

Die Kernfrage ist, wie bringen wir Nachhaltigkeit zu den Leuten? «Roche misst seit über 20 Jahren den Umwelthaushalt ihrer Angestellten. Wir haben das Ziel, dass wir bis 2029 um 50% reduzieren wollen. Reduktion sei wichtig, aber Travel mache bei Roche in Bezug auf die Belastung nur ein tieferer einstelliger Prozentsatz aus. Da gäbe es noch andere Baustellen.

Um Nachhaltigkeit an die Frau oder den Mann zu bringen, versuche Roche Vieles. Vom Behaviour Management, über Studien, Interviews, einem Haushaltsdashboard für Mitarbeiter und einem Decision-Guide wird einiges getan. «Es ist wichtig, dass den Mitarbeitern bewusst ist, dass sie nicht überall live dabei sein und sie sich für virtuelle Anwesenheit nicht entschuldigen müssen.»

«Nachhaltiges Reisen ist möglich»

Markus Trapp und CWT gehen dabei ähnliche Wege und haben auch ähnliche Ziele. «Nachhaltigkeit wird uns lange nach Covid noch begleiten.» Um Nachhaltigkeit an die Leute zu bringen, braucht es laut Trapp fünf Schritte: Analyse – wo stehen wir, wie kann ich etwas ändern, Service-Offering, Bewusstsein schaffen mit richtiger Kommunikation und Transparenz. Auch die Swiss hat ambitionierte Klimaziele und Melanie Heiniger sagt ganz offen: «Nachhaltiges Reisen ist bereits jetzt möglich.»

Sie sehen das auch nicht als Trend, die Swiss beschäftige sich schon sehr lange damit. Seit 2003 wurde der CO2-Ausstoss um 27% gesenkt. Ausserdem werde an neuen Flugverfahren und an der Optimierung des täglichen Betriebes gearbeitet. «Der Schlüssel für CO2 neutrales Fliegen ist nachhaltiger Treibstoff (SAF), der bis zu 80% weniger CO2 ausstösst.

Das Problem sei, dass die Verfügbarkeit im momentan noch sehr gering sei. Hier müsse unbedingt eine Skalierung kommen, fordert Heiniger. «Bei der Swiss können auch Kunden SAF kaufen und dies direkt als CO2-Reduktionsleistung anrechnen lassen. Heiniger ist aber auch der Meinung, dass sich die Mobilität des Menschen nicht einschränken lässt. Für Guex ist SAF ein Anfang, aber es müsse noch mehr kommen. Auch für Trapp ist ein deutlicher Fortschritt erkennbar. «In den letzten zwei Jahren hat sich Vieles getan.»

An einem Strang ziehen

Jason Geall, Senior Vice President & General Manager EMEA, American Express GBT, sprach in der abschliessenden Key Note über die Herausforderungen und Zukunftsaussichten der Corporate Business Travel Industry generell. «Die letzten zwei Jahre waren sehr schwierig und wir haben alle einen tollen Job gemacht in dieser Zeit», so Geall.

Die Krise habe gezeigt, wie wichtig es ist, dass die ganze Branche zusammenhält. Auch für die Zukunft sei diese Zusammenarbeit essentiell. «Trotz des seit Jahren im Raum befindenden Elefanten, dem CO2, bleibt Reisen weiterhin sehr wichtig – das hat die Krise ebenfalls gezeigt – denn sich persönlich zu treffen, ist ausschlaggebend», fügt Geall an.

Doch dafür müssten nun Lösungen gefunden werden. Von Firmen, von Regierungen und jedem Einzelnen. «Um den Fokus auf Nachhaltigkeit für Reisen zu legen, braucht es Kreativität, Investition und Einsatz von allen Seiten.» Die grösste Herausforderung dabei sei das nachhaltige Fliegen. «Vor uns stehen grosse Aufgaben, aber ich bin optimistisch, dass wir, wenn wir alle an einem Strang ziehen, unsere Ziele erreichen können», sagt der Top-Shot zum Schluss.

(Yannick Suter)

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