Swissport: «Störend, wenn Gewerkschaften plötzlich neue Forderungen stellen»

Bruno Stefani, Swissport, gibt Auskunft zur Situation beim grössten Ground Handler, zu den Verhandlungen mit den Gewerkschaften und zu technischen Neuerungen.
Bruno Stefani, Swissport Senior Vice President und Head of D A CH, Frankreich und Italien

Die ‘Ramp-up Phase’, d.h. das Hochfahren des Flugverkehrs nach der Pandemie, ist für die ganze Luftfahrt- und Touristikbranche extrem herausfordernd. Als grösster Ground Handler weltweit ist dem auch Swissport ausgesetzt und muss sich dabei unter Anderem Forderungen seitens der Belegschaft und den Erwartungen der Eigentümer stellen.

TRAVEL INSIDE hat Bruno Stefani, Swissport Senior Vice President und Head of DACH, Frankreich und Italien, aktuell befragt.


Bruno Stefani, können Sie uns grob den Geschäftsgang von Swissport Schweiz im Vergleich zu 2019 schildern?

Insgesamt liegen wir bei 80 Prozent im Vergleich zu 2019, was das Verkehrsvolumen in der Schweiz betrifft. Entsprechend widerspiegelt sich dies bei den Umsätzen und beim Betriebsgewinn, wo wir noch weit zurück liegen und deshalb 2022 nicht positiv abschliessen werden. Wir gehen davon aus, dass sich der Betriebsgewinn in der Schweiz erst 2024 normalisieren wird.

Wie sieht es beim internationalen Geschäft im Vergleich zu 2019 aus?

International sehen wir unterschiedliche Marktentwicklungen. Einzelne Standorte, besonders dort wo wir im Frachtgeschäft stark sind, welches während der Pandemie profitiert hat, sind wir schon beinahe wieder auf dem Niveau von 2019. Insgesamt aber wird Swissport auch international hinter den Zahlen von 2019 zurück liegen.

Swiss hat in einem kürzlichen Gespräch die Zusammenarbeit mit Swissport gelobt, insbesondere während der hektischen Monate Juli und August. Wie ist die aktuelle operationelle Situation

Mit Swiss führen wir eine gute Systempartnerschaft. Ich vergleiche dies immer wieder mit einer Ehe, in der Probleme und Herausforderungen gemeinsam bewältigt werden und dies gelang uns auch in der ‚Ramp-up-Phase‘.

Swissport hat in der Schweiz 950 Mitarbeitende im Jahr 2022 eingestellt. Bereits im Dezember 2021 begannen wir zu rekrutieren, früher als andere, und schafften es, im internationalen Vergleich im Frühling und Sommer stabil unterwegs zu sein. Jetzt müssen wir schauen, dass uns nicht die Luft ausgeht, denn die Mitarbeitenden werden aufgrund der Unregelmässigkeiten im Luftverkehr stark belastet.

Nach dem Sommer steht uns mit den Herbstferien nochmals eine Welle bevor, und wir hoffen, dass wir diese mit unserem Personalbestand, der auf 80% des Volumens von 2019 ausgerichtet ist, gut über die Bühne bringen.

Die ganze Reiseindustrie, und auch andere Branchen, leiden unter Personal- und Fachkräftemangel. Wie gestaltet sich unter diesen Umständen die Rekrutierung?

Wir glauben an die Sozialpartnerschaft und entsprechend an Stabilität, denn wir wollen der Branche Sicherheit geben. Darum sind wir auch die einzige Handling-Firma am Flughafen Zürich, die über einen Gesamtarbeitsvertrag verfügt. Damit konnten wir zu Beginn der Rekrutierungskampagne erfolgreich Mitarbeiter finden, obwohl dies mit dem Arbeitsmarkt auf dem Platz Zürich mit einer Arbeitslosenquote von knapp 2,5 Prozent schon fast an ein Wunder grenzte.

Heute tun wir uns schwerer als zu Beginn des Jahres. Wir führen dies auf die Attraktivitätssteigerung der Arbeitsbedingungen in anderen Branchen im Vergleich zur Luftfahrt zurück. Dabei spreche ich nicht von den eigentlichen Löhnen, sondern von den Arbeitskonditionen. Wir arbeiten nachts, samstags und sonntags und bei jedem Wetter. Gerade die vielen heissen Sommertage waren für die Mitarbeitenden auf dem Vorfeld sehr anstrengend.

Wir müssen schauen, dass wir als Gesamtsystem Luftfahrt nicht ins Hintertreffen bezüglich der Arbeitgeberattraktivität kommen gegenüber der Logistik-, Gastro- und anderen Branchen, welche die Arbeitsbedingungen anpassten.

Kann Swissport mit dem aktuellen Personalbestand die von Swiss auf 80 Prozent gegenüber 2019 aufgelegen Kapazitäten bewältigen?

Der Personalbestand ist auf einen Normalbetrieb ausgerichtet. Bei den Unregelmässigkeiten, denen der Luftverkehr seit dem eigentlichen Hochfahren nach der Pandemie unterliegt – angefangen bei der Airline die kurzfristig Flüge storniert oder neue auflegt, die Kapazitäten verändert bis hin zu Slotproblemen wegen dem Mangel an Flugverkehrsleitern in Europa – sind wir das letzte Glied in der Kette. Alles was davor nicht gut lief, kumuliert sich schlussendlich bei uns.

Bei extremen Produktionsspitzen sind wir teilweise auch Mitverursacher, daraus ergeben sich auch bei uns Unregelmässigkeiten, welche eine Auswirkung auf das Gesamtsystem der Luftfahrt haben. Mit einem auf den Normalbetrieb ausgerichteten Personalbestand sind wir nicht in jedem Fall in der Lage, diese Spitzen auszugleichen. Wenn wir einen Flug verspäten, sind wir bestrebt, dass das Flugzeug gleichentags wieder zurückkommt, der Passagier seinen Anschluss nicht verpasst und der Koffer mitfliegt.

Wie läuft es auf operationeller Seite international. Man hört immer von Amsterdam und London, aber gibt es noch andere neuralgische Flughäfen?

Man kann nicht von einzelnen neuralgischen Punkten sprechen. Wenn man die grossen Verkehrsknotenpunkte wie Amsterdam, London, Frankfurt, München und auch Zürich anschaut, gibt es Faktoren, die eher für den einen oder den anderen sprechen.

In meiner Region sind wir mit Rom, was auch ein grosser Hub ist, sehr gut gestartet, allerdings liegt der Verkehr dort noch deutlich tiefer bei ungefähr 60 Prozent in Vergleich zu 2019.

London, Amsterdam und auch Frankfurt, wo es zu sehr hohen Spitzen kommt, worauf Dienstleister, wie beispielsweise diejenige für die Sicherheitskontrolle, nicht ausgerichtet sind, braucht es sehr wenig und das ganze System kollabiert.

Swissport baute weltweit die Belegschaft um 17‘000 Mitarbeitende aus. Rückblickend hätten wir eher 19‘000 Mitarbeitende einstellen müssen, um die Verdreifachung des Luftverkehrs seit Anfang Jahr, in vielen Teilen der Welt, bewältigen zu können.

In Ausbau der Belegschaft, nur schon in Zürich mit 500 neuen Mitarbeitenden, ist für die Organisation eine immense Herausforderung.

Über welchen Flughafen sollte man also lieber nicht fliegen?

Man muss genügend Zeit einrechnen, wenn man über die grossen Hubs fliegt. Vielerorts ist man noch nicht wieder so weit, die kurzen Anschlüsse von 40 Minuten, die vor der Pandemie reibungslos klappten, wieder zu gewährleisten. Auch der Wechsel der Fluggesellschaft oder der Flugallianz kann zu Friktionen führen, die vor der Pandemie nicht aufgetreten wären.

Was sind die wesentlichen Unterschiede zwischen dem ‚Krisen-GAV‘ und demjenigen der vor der Pandemie in Kraft war?

Der ‚Krisen-GAV‘ ist nicht ein Vertrag den Swissport unilateral einführte, sondern dieser wurde mit den Gewerkschaften verhandelt und schlussendlich mit Zusage der Mitarbeitenden eingeführt. Die Bedingungen waren bekannt und wir haben gemeinsam mit den Gewerkschaften definiert, was für uns als Krisenende gilt.

Im Frühling 2022 stellten wir fest, weil die Produktion stark zunimmt, die Mitarbeitenden das Gefühl hatten, die Krise sei vorbei, obwohl dies finanziell nicht zutrifft. Natürlich verstehe ich die Mitarbeitenden, deshalb haben wir die Verhandlungen mit den Gewerkschaften aufgenommen.

Störend aus meiner Sicht ist, dass die Gewerkschaften die Kündigungsfrist des ‚Krisen-GAV‘ kurz vor den Sommerferien zogen und das Momentum nutzen, um Stimmung zu machen.

Wir alle müssen die Realitäten in der Aviatikbranche erkennen. So wie die Gewerkschaften anerkennen müssen, dass ein neuer GAV finanzierbar sein muss, müssen wir anerkennen, dass die Arbeitsbedingungen gemäss Krisen-GAV‘ gegenüber der aktuellen Arbeitslast, nicht nachhaltig sind.

In der Sitzung mit den Gewerkschaften vom 14.9.2022 haben wir deshalb angeboten, dass wir im Wesentlichen auf die Bedingungen des GAV von 2019 zurück gehen und einen Teuerungsausgleich, dessen Höhe noch nicht bestimmt ist, ausschütten werden. In den nächsten Wochen finden diesbezüglich weitere Gespräche statt.

Als Sozialpartner empfinden wir es hingegen als störend, wenn die Gewerkschaften während der dieser Sitzung neue, bis anhin noch nicht gestellte Forderungen, einbringen. Wir erhielten einen umfangreichen Forderungskatalog und machten, obwohl die Finanzierung noch nicht gesichert ist, Zugeständnisse, um die Wichtigkeit des GAV und der Sozialpartnerschaft zu unterstreichen. Dies bedingt jedoch, dass irgendwann Schluss ist mit immer wieder neuen Forderungen seitens der Gewerkschaften.

Der GAV gibt Sicherheit, nicht nur für unsere Mitarbeitenden, sondern auch für unsere Airline-Kunden, denn er beinhaltet eine Friedenspflicht, ohne welche er nicht viel wert wäre. Deshalb hoffen wir, dass wir bald zu einem Abschluss kommen.

Falls es zu keiner Einigung kommt, käme es zu einem vertragslosen Zustand Anfang 2023?

In den Verhandlungen mit den Gewerkschaften gab es immer wieder kritische Situationen. Mit den grossen Zugeständnissen, die wir nun aber anboten, sind wir nun an einem Punkt, an welchem beidseitig Realitäten anerkannt werden müssen. Es ist jetzt nicht der Zeitpunkt, um noch mehr Forderungen zu stellen, womit der neue GAV für uns noch teurer würde als derjenige vor der Krise.

Mit der Kündigung des Krisen-GAV, welcher nur eine Zusatzvereinbarung war, ist der gesamte GAV gekündigt. Sollte es bis Ende Jahr zu keiner Einigung kommen, müssten wir mit Einzelarbeitsverträgen schauen, wie es weiter geht. Ich bin aber zuversichtlich, dass eine Lösung gefunden wird.

Ist Swissport in den anderen Märkten mit ähnlichen Auseinandersetzungen konfrontiert?

Es gibt Länder, in denen wir intensive Auseinandersetzungen mit den Sozialpartnern haben, die gerade in Südeuropa teilweise radikal geführt werden. Andere Länder sind moderater und nochmals andere geben die Löhne vor und hebeln damit die Gewerkschaften aus. So ist beispielsweise in den USA die staatlich vorgegeben Lohnsteigerung im zweistelligen Prozentbereich verordnen.

Die angestrebte Profitabilität bedingt eine Effizienzsteigerung. Welche Innovationen sind angedacht, um diese Effizienzsteigerung zu erreichen?

In diesem Zusammenhang betrachten wir drei Schwerpunkte.

Im Bereich der Passagiere sehen wir klar, dass das ‚hürdenlose‘ Reisen ausgebaut wird. Vieles was heute am Flughafen passiert, soll in Zukunft bereits zu Hause erledigt werden können. Beim Check-in und dem Druck der Gepäcklabel ist dies bereits Tatsache. Neu sollen bereits zu Hause die Reisedokumente kontrolliert und der Koffer abgeholt werden.

Seit diesem Jahr arbeiten wir mit der Firma AirporteR zusammen, welche für eine Zusatzgebühr diese Dienstleistungen bereits erbringt. Diese Entwicklung wird getrieben von Swissport in Zusammenarbeit mit AirporteR aber auch mit SWISS und der SBB.

Eine weitere Entwicklung ist die E-Hub-App, implementiert auf den Smart Phones unserer Mitarbeiter. Mit der App kann die Bordkarte gescannt und anschliessend mit einem mobilen Drucker das Gepäcklabel ausgedruckt werden.

Unser Ziel ist einerseits, dass der Passagier so wenig wie möglich anstehen muss, was wir unter anderem mit diesen Neuerungen erreichen wollen. Andererseits wollen wir den Prozess optimieren, um die Abwicklung möglichst effizient und kostengünstig zu gestalten.

Das zweite Thema ist die Vorfeld-Automatisierung und -Digitalisierung. Die Flugzeuge, die wir heute haben, werden wir die nächsten 20 Jahre dominieren und die automatische Be- und Entladung liegt deshalb noch in weiter Ferne.

Deshalb geht es darum, die Prozessschritte zu digitalisieren, um die Verfolgbarkeit des Gepäcks zu verbessern. Als Branche sind wir da noch im Rückstand. Autonomes Fahren oder das digitale Erkennen des Inhalts eines Containers sind weitere Schritte.

Das dritte Thema ist die interne Datenverarbeitung, wobei es insbesondere um die Dienstplanung geht. Der Mitarbeiter möchte, dass seine Dienstplanwünsche möglichst gut erfüllt werden und wir sind da mit über 90 Prozent auch bereits in einem guten Bereich. Mit dem automatischen Dienstabtausch und Dienstplanung, die auf Datenauswertung mittels künstlicher Intelligenz beruht, wollen wir uns noch verbessern und effizienter werden.

Das ganze System wurde in den letzten zwei Jahrzehnten stark entbündelt und dadurch entstanden unzählige Schnittstellen mehr. Was gibt es für Ideen oder Innovationen, um diese Schnittstellen möglichst auszuglätten?

In Zukunft sehen wir uns als Swissport als Plattform, die den Datenaustausch zwischen den Systemen der Airlines, der Flughäfen und derjenigen anderer Bodendienstleiter, erlaubt bzw. sicherstellt, dass die Schnittstellen zwischen diesen Systemen für den Passagier keine negativen Konsequenzen haben.

Müssten den die Dienstleister, sprich die Fluggesellschaft und der Ground Handler, nicht wieder enger zusammenrücken, wie dies früher der Fall war?

Es geht in die Richtung ‚total airport management‘, in welchem auch die Flugsicherung eingebunden ist. Der Datenaustausch der Zukunft wird harmonisierter,  um Systembrüche zu verhindern.

Ich glaube nicht, dass es wieder ein Zusammenrücken geben wird. Um ein Groundhandler zu sein, braucht es sehr viel Spezialwissen. Das gleiche gilt für Fluggesellschaften. Jeder sollte sich auf seine Kernkompetenzen konzentrieren.

Aber es gibt entsprechende Beispiele, wie Emirates und Dnata?

Dnata gehört Emirates, wie früher Swissport der Swissair gehörte. Jedoch ist das noch lange kein Garant, dass alles reibungslos abläuft.

Swiss hätte nicht einen neuen Siebenjahres-Vertrag mit Swissport abgeschlossen, wenn sie glauben würden, sie könnten das Handling gleich gut oder sogar besser als wir.

Was möchten Sie der Reisebranche an dieser Stelle noch mitteilen?

Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass die Reisebranche Vertrauen in den Luftverkehr hat. Wir haben alle das gleiche Ziel, nämlich dass der Passagier möglichst einfach von A nach B kommt.

Deshalb muss das Gesamtsystem, zu dem wir, die Fluggesellschaft, Flughäfen und viele andere Dienstleister der Luftfahrtbranche gehören, funktionieren. Denn alle Systempartner hängen voneinander ab. Wir sind zuversichtlich, dass wir uns sowohl in der Produktion als auch in der Qualität rasch wieder dem Niveau von 2019 annähern werden.

Interview: Hans-Peter Brasser