Tagebuch der Kambodscha-Reise, letzter Teil – ein Fazit

Stephan Roemer, Geschäftsführer Tourasia und CEO Diethelm Travel Group, berichtete eine Woche lang online von seinen Erfahrungen. Jetzt zieht er ein Fazit.
Kaffeestopp am Strassenrand auf dem Weg ins Büro von Diethelm Travel in Phnom Penh. (Alle Fotos zVg).

Mit der Rückkehr in die Schweiz und Teil 8 des Tagebuchs endeten gestern die Online-Einblicke in eine Langstreckenreise während der Corona-Krise. Nun zieht Stephan Roemer ein Fazit über diese intensiven und spannenden Tage. Eine Auswahl bereits publizierter Fotos von der Reise ergänzen diesen letzten Bericht.


Business, Abenteuer und eine Portion Nostalgie

«Mit diesem Fazit endet mein Tagebuch über eine aussergewöhnliche Reise nach Kambodscha in Corona-Zeiten. Ich bedanke mich bei allen, die mir auf meiner Reise gefolgt sind, für die vielen Zuschriften, die unterstützenden Worte und die Fragen, die ihr mir gemailt habt. Es gab zwei Gründe für diese Reise: einerseits hatte ich geschäftliche Pendenzen in Kambodscha, die meine Anwesenheit erforderten, und andererseits wollte ich prüfen, ob es unter den verschiedenen Einschränkungen für Touristen Sinn macht, ein Land zu bereisen. Zu Letzterem kann ich sagen, dass es uns möglich ist, unter gewissen Auflagen wieder Pauschalreisen nach Kambodscha anzubieten.

Schon bei der Planung und späteren Beschaffung der notwendigen Dokumente wurde mir von den verschiedenen Ansprechstellen Unterstützung und Goodwill entgegengebracht. Die Krankenkassenbestätigung benötigte ein Telefonat und kurz danach hatte ich die entsprechende Bestätigung in meiner Inbox. Die Mitarbeiterinnen im Covid-Center des Spital Usters waren überaus zuvorkommend und der Test war innert weniger Minuten erledigt. Die kambodschanischen Behörden, sei es hier auf dem Konsulat in der Schweiz, aber auch überall vor Ort, waren durchwegs freundlich und zuvorkommend. Sicherlich half mir bei den behördlichen Vorgaben, dass ich sämtliche Unterlagen, fein säuberlich in einzelnen Mäppchen sortiert vorlegen konnte. Das mögen asiatische Behörden, denn es muss immer alles nach Schema gehen und es darf keine Abweichungen geben. Wenn mir mal ein Mitarbeiter an einem Checkpoint mit grimmiger Miene begegnete, dann half eigentlich immer ein freundliches Lächeln.

Was mir weniger gut bekommen ist, war die diktatorische Auslegung und Umsetzung der Massnahmen am Flughafen Singapore Changi. Diese wurden mit grösster Striktheit angewandt und mittels Durchsagen in Erinnerung gerufen. Bei mir kam dadurch eher das Gefühl auf, dass ich für meine Reisetätigkeit bestraft werden müsse. Die Auflagen waren für mich nicht nachvollziehbar. So konnte ich beispielsweise Gruppen der Begleiter beobachten, wie sie sich in einer Ecke am Boden eng beieinander sitzend, verpflegten. Changi wird im Buch der Rattenkönig von James Clavell als Gefängnisstätte – was es früher war – beschrieben. Der Flughafen, immer wieder als einer der führenden der Welt gekrönt, erinnert derzeit an die Zeiten des Rattenkönigs. Die gedimmte Unterhaltsbeleuchtung steuert das Ihre noch bei. Ganz das Gegensatz zur Abfertigung am Flughafen Zürich auf dem Hin- wie auch dem Rückflug: Äusserst freundliche, zuvorkommende Leute und eine positive Stimmung. Die Läden, eine Lounge und der Duty Free Shop sind geöffnet und empfangen die Reisenden.

Unbezahlbar sind die vielen positiven Begegnungen mit der Bevölkerung Kambodschas. Sie haben trotz der Krise ihre Fröhlichkeit nicht verloren. Alle freuen sich besonders auf die wenigen ausländischen Reisenden und der Service, das Lachen und die Unbeschwertheit erfreuten mich jeden Tag. Bei mir kam dadurch etwas Nostalgie auf und ich fühlte mich wie in die 80er-Jahre versetzt, wo sich Kambodscha nach dem Krieg wieder langsam öffnete und behutsam an den Tourismus antastete. Zu dieser Zeit durften wir nur in organisierten Gruppen reisen. Das Visum musste mühsam über eine spezielle Stelle in Australien beantragt werden, dazu war ein Stopp in Bangkok erforderlich um die Einreisedokumente bei der Botschaft abzuholen. Die wenigen internationalen Flüge die es gab, wurden von grimmig dreinschauenden Uniformierten abgefertigt. Angkor konnte damals nur in Begleitung einer Armeeeskorte besichtigt werden. Der grosse Luxus damals war, dass man die schiere Anlage für sich allein beanspruchen konnte. Wir waren bei unserer ersten Reise nur gerade mal acht Personen in der Gruppe und weit und breit keine anderen Touristen in Sicht. Diese einmalige Gelegenheit bietet sich jetzt wieder: Angkor hat täglich weniger als 100 Besucher, die sich über die Tempelanlagen von einer Fläche des Kantons Zürich verteilen. Ein unbezahlbares Erlebnis.

Mir ist nicht entgangen, dass diese wenigen Monate der Reisebeschränkungen der armen Bevölkerung stark zusetzen. Die Textilindustrie und der Tourismus, beides die wichtigsten Einkommensquellen des Landes mit über 30% Anteil am Bruttosozialprodukt, liegen darnieder. Von den indirekt abhängigen Branchen gar nicht zu sprechen. Mit sind offensichtlich unter- und mangelernährte Kinder aufgefallen. Das Smiling Gecko Entwicklungsprojekt braucht ihre landwirtschaftlichen Erträge um die notleidende Bevölkerung zu unterstützen, darum haben sie den Verkauf eingestellt und die Verkaufsläden in der Stadt geschlossen. Die Not ist gross! Ich erlaube mir an dieser Stelle auf die Webseite des Smiling Geckos hinzuweisen, wo auch eine Spendenmöglichkeit besteht.

Eine Frage drängt sich auf dieser Reise letztlich auf: Dürfen sich die weltweiten Organisationen und Politiker das Recht nehmen, mit ihren Massnahmen das Schicksal grosser Bevölkerungsteile dieser Welt zu bestimmen? Drängen wir dadurch nicht mehr Menschen in den Überlebenskampf durch Hunger und Armut? Ich weiss es nicht, und diese Fragen betrüben mich sehr. Eines weiss ich aber bestimmt: ich werde wieder reisen und ich bin bereit, die beschriebenen Beschwernisse und Einschränkungen auf mich zu nehmen. Sie werden durch die positiven Erlebnisse mehrfach entschädigt. Gerne wäre ich länger geblieben. Ich werde weiterhin versuchen meinen Beitrag an einen fairen und nachhaltigen Tourismus zu leisten.»

Stephan Roemer
(Aufzeichnung: Urs Hirt)

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