Tagebuch einer Kambodscha-Reise in der Corona-Krise – Teil 7

Stephan Roemer, Geschäftsführer Tourasia und CEO Diethelm Travel Group, berichtet online von seinen Erfahrungen bei den Vorbereitungen, auf der Reise, vor Ort und bei der Rückkehr aus Phnom Penh.
Das Team des Smiling Gecko Farmhouse mit (v.r.) Mr. Leap (CEO und Mitgründer des gesamten Projekts) und Iris Flückiger (General Manager Smiling Gecko Farmhouse) verabschiedet sich von Stephan Roemer. (Alle Fotos zVg).

Das Tagebuch soll Einblicke in eine Langstreckenreise während der Corona-Krise vermitteln – von den Vorbereitungen bis zur Rückkehr. Stephan Roemer startete am Montag, 7. September in Zürich und will am Mittwoch, 16. September, wieder in der Schweiz landen.

Teil 7 – Abschied von Smiling Gecko und Kambodscha
Dienstag, 15. September 2020

«Ich bin sehr früh aufgestanden im Smiling Gecko Farmhouse, denn nach dem wunderschönen Essen mit Weinbegleitung habe ich in meinem komfortablen Bett göttlich geschlafen. Bewusst hatte ich die hölzernen Lamellenläden geöffnet um spätestens bei Tageslicht zu erwachen, denn ich hatte ja meinen Massagetermin auf 7.30 Uhr gebucht. Die zwei Stunden zuvor reichten mir, die anstehenden Mails zu beantworten. General Manager Iris Flückiger und ihr Partner haben nicht zu viel versprochen: die einzige Frage, die ich zu beantworten hatte: strong, medium or soft massage. Strong! Nachher gab es nur noch seufzende Laute von mir zu hören. Die Therapeutin, von einem bekannten Physiotherapeuten unterrichtet, kannte die Schwachpunkte eines Bürolisten und versuchte diese weich zu kneten. Beflügelt wie ein fitter Jüngling bin ich im Anschluss zum Frühstücksbuffet geschwebt. Hier wartete Mariya, die begnadete Köchin, schon mit der nächsten Überraschung: ein verlockendes Frühstücksangebot mit hausgebackenem Butterzopf, knusprigem Brot und sogar hausgemachten Nussgipfeln. Meine Zeit war beschränkt, hatte ich mich doch mit CEO Leap auf 9.30 Uhr für eine Besichtigungstour verabredet.

Die Geschichte zur Entstehung dieses Projektes kannte ich bereits vor meiner Abreise. Unsere Tour startete wo alles seinen Anfang nahm: im Village, wo die Familien leben. Alles Menschen, welche dank dieses Projektes den miserablen Bedingungen in den Slums von Phnom Penh entkommen sind und heute als Bauern, Schreiner oder andere Mitarbeiter aktiv im Smiling Gecko mitarbeiten. Alle Familien haben ihr traditionelles Khmer-Haus auf Stelzen und bewirtschaften in Eigenregie auch einen Garten zur Selbstversorgung. Alles ist sehr aufgeräumt und sauber, die Kinder begegnen mir mit ihrem Lachen und spielen unter den Häusern im Schatten, denn das Thermometer ist schon auf 34°C angestiegen. Wir schlendern durch die verschiedenen Anbauflächen der riesigen Farm. Interessant ist die Neuinitiative zum Vanille-Anbau, welche vielversprechend aussieht. Vielleicht geniessen wir in der Schweiz schon bald Bio-Vanille aus Kambodscha. Ganz spannend für mich ist die Tilapia-Fischzucht welche schon sehr einträglich ist. Unter fachkundiger Leitung wird hier der Fisch mit moderner Technologie, ohne Chemikalien, gezüchtet. Interessant auch, dass die Fische bevor sie zum Verzehr verkauft werden, ein paar Tage Quarantäne (ein Wort welches mir sicher noch lange in Erinnerung bleibt) in sauberem, sauerstoffangereichertem Wasser verbringen um keinen Fischgeruch zu entwickeln. In der Schreinerei wird sehr fleissig gearbeitet, denn es müssen 10’000 Zahnbürstengriffe aus Bambusholz bis Ende Monat ausgeliefert werden. Was mich hier aber vor allem interessiert sind die trendigen Pfeffer- und Salzmühlen aus Holz gefertigt. Sie sehen nicht nur wunderschön aus, sondern sind auch wertig mit einem Keramikmahlwerk gefertigt. So früh im Jahr hatte ich noch nie Weihnachtseinkäufe getätigt.

Wir schlendern am Wasserteich für die Crevetten-Zucht vorbei und erreichen das Kernstück der Stiftung: Das riesige Schulareal mit den zehn wunderschön um den Pausenplatz angelegten Gebäuden. Das ist das Reich von Barbara Beaufait, der Schuldirektorin und ihren Lehrkräften, darunter über 20 Ausländer. Diese unterrichten zur Zeit über 300 Kinder, die alle aus der Umgebung täglich hier in den Kindergarten bzw. in die Schule kommen. In zwei Jahren soll der geplante Ausbau für 1000 Kinder fertig erstellt sein. Barbara, eine weltgewandte, fitte Schweizerin im Pensionsalter kennt ihre Aufgabe genau und weiss, wie ein Schulbetrieb funktioniert. Aber so einfach ist es nicht und schon gar nicht mit dem unsrigen vergleichbar: Um 6 Uhr früh beginnt der Schultag im Smiling Gecko mit dem Fahnenaufzug. Dann müssen alle Kinder zum obligatorischen Duschen, wo sie ihre Strassenkleidung, welche sie nachmittags sauber gewaschen und gebügelt zurück erhalten, gegen die über Nacht gereinigte Schuluniform austauschen. Dann geht es zum Frühstück, so dass alle Schulkinder gestärkt und sauber, pünktlich um 8 Uhr ihren Unterricht im Klassenzimmer beginnen können. Ein grosses Problem ist nach wie vor die Mangel- und Unterernährung bei den Kindern. So erhalten sie in der Smiling Gecko Schule auch einen ausgewogenen Znüni, das Mittagessen und einen Zvieri bevor der Schultag um 17 Uhr endet. Barbara erklärt mir, dass die Kinder vor allem montags sehr hungrig in die Schule zurückkehren, so dass an diesem Tag Extraportionen gekocht werden müssen. Zur Zeit unterstützt das Smiling Gecko zahlreiche Familien der Kinder, weil die Eltern ohne Arbeit und Einkommen dastehen. Die meisten Textilfabriken, der Hauptarbeitgeber in der Gegend, sind wegen Covid geschlossen. Viele Familien leiden Hunger. Die Not in der Gegend ist offensichtlich und das Smiling Gecko ist Hoffnungsträger. Die armen Leute leiden unter Covid viel mehr als wir uns das in der westlichen Welt vorstellen. Betrübt und betroffen frage ich mich, ob es wirklich angebracht ist, dass Politiker auf der ganzen Welt Massnahmen verordnen, die unsägliches Leid – in Kambodscha sehr gut sichtbar – bei der armen Bevölkerung auslöst.

Die Zeit rennt und die Mittagshitze hat eingesetzt. Obwohl mein Fahrer schon wartet will ich unbedingt noch den Shop des Smiling Gecko besuchen. In meinem Koffer finde ich noch Platz für sinnvolle Geschenke und kann dabei meine mir schon in dieser kurzen Zeit ans Herz gewachsene Smiling-Gecko-Familie unterstützen. Mein Telefon klingelt, denn ich werde bereits am Flughafen für ein nächstes Meeting erwartet. Aber eine Dusche muss noch sein. Herzzerreissend ist der Abschied vom Farmhouse-Team. Die Leute sind so liebenswert und haben mit diesem Projekt eine einmalige Chance in ihrem Leben erhalten. Ich werde zurück kommen, mit Familie und Freunden und ich bleibe das nächste Mal sicher länger.

Den Flughafen erreiche ich mit Verspätung, dafür ist das Check-in in wenigen Minuten erledigt. Kein Fiebermessen, keine Maskenpflicht (ich trage trotzdem eine), normale Pass- und Sicherheitskontrolle. Mir bleibt noch Zeit, um von der Parfumaktion im Tax Free Shop zu profitieren. Das Boarding für Flug MI 607/SQ 5007, Abflug 18.25 Uhr, findet ohne etwelche Einschränkungen statt. Alle Passagiere erhalten eine Flasche Wasser. Mit 20 Minuten Verspätung heben wir vom Phnom Penh International Airport ab. Während dem Fluges wird sogar ein Essen serviert. Die Economy Class ist voll besetzt, in der Business Class sind 3 der 12 Sitze belegt. Insgesamt sind acht Schweizer mit an Bord. Mit zehn Minuten Verspätung landen wir um 21.34 Uhr Lokalzeit am Singapore Changi Airport. Das Prozedere ist so strikt und umfassend wie beim Hinflug. Aufgrund der relativ kurzen Umsteigezeit habe ich das Transithotel nicht gebucht und werde direkt zum Warteraum für Transitpassagiere gebracht. Hier warte ich auf das Boarding für Flug SQ 346 nach Zürich, Abflug um 01.25 Uhr.

Am Gate in Phnom Penh hatte ich übrigens noch eine lustige Begegnung: ein Mann im Pensionsalter steuert auf mich zu und fragt, ob ich der Herr mit dem Blog/Tagebuch im TRAVEL INSIDE sei, er könne mich unter der Maske erkennen und warte bereits auf den morgigen Bericht. Das sei für ihn wie einen spannenden Krimi zu lesen. Beim Einsteigen bittet er mich um eine Anzahl Visitenkarten. Seine Freunde würden alle reisen wollen und er möchte sie an mich verweisen – jetzt wo man doch nach Kambodscha reisen könne.»

(Aufzeichnung: Urs Hirt)

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