Opinion: Noch ein bisschen deutscher

DER Touristik hat die Geduld mit Kuoni Schweiz rasch verloren. Die Mitarbeiter müssen nun die Fehler der früheren Kuoni-Spitze ausbaden.
Kuoni Neue Hard Rezeption

Einkauf und Produktion in Deutschland zentralisiert, Kuoni Schweiz als reine Vertriebsorganisation: Das Szenario, das von Anfang an befürchtet wurde, tritt nun ein, mit ein paar Ausnahmen wie z.B. den Spezialisten. Dabei war DER-Touristik-CEO Sören Hartmann im Herbst nicht müde geworden zu betonen, dass er von Zentralisierung wenig hält und dass er ausser bei der IT und bei den DMC stark auf die Eigenständigkeit von Kuoni Schweiz setzen will.

Erste Anzeichen, dass es anders kommen könnte, gab es schon im Januar. Damals wurde intern kommuniziert, dass der Einkauf neu von Deutschland aus koordiniert werden soll. Diese Entwicklung setzt sich nun mit der Auslagerung der Produktion fort.

Harsche Kritik an früherer Kuoni-Führung

Es war absehbar, dass Hartmann Kuoni Schweiz nur dann freie Hand lassen wird, wenn die Zahlen stimmen. Und die stimmen nun mal nicht. Der Frankenschock letztes Jahr oder der allgemein schwache Schweizer Reisemarkt 2016 sind dabei nur die Hälfte der Wahrheit; die DER-Führungsspitze nimmt auch kein Blatt vor den Mund, was Kuoni-interne Versäumnisse angeht. Das operative Geschäft sei im Zuge der ganzen Kuoni-Group-Initiativen auf der Strecke geblieben, die Marktpräsenz sei trotz starker Positionierung der Marke mangelhaft gewesen, und an der Eigenentwicklung Tango wird kein gutes Haar gelassen: nicht Cets-fähig, nicht Web-fähig, für Agenten zu kompliziert, ein «nicht tragbarer Zustand». Ausbaden müssen dies nun die Mitarbeiter.

Obwohl die Kritik mehrheitlich auf die frühere Konzernleitung zielt, bekommt zwischen den Zeilen auch der bisherige Schweiz-CEO Marcel Bürgin sein Fett weg. Der neue CEO sei ein starker Kommunikator mit Veränderungs- und Entscheidungsbereitschaft, sagt Hartmann – und beschreibt damit genau die Eigenschaften, welche die Mitarbeiter in letzter Zeit bei Bürgin vermissten. Ob die Entscheidung über seinen Abgang wirklich komplett von ihm aus kam, wie die offizielle Version lautet, darf bezweifelt werden.

Dass Bürgin nun durch einen Deutschen ersetzt wird, darf man nicht überbewerten – immerhin stammten drei der letzten vier CEOs aus dem Ausland. Dennoch: Dass den Mitarbeitern von Kuoni Schweiz nun ein Chef vorgesetzt wird, der bisher weder mit Kuoni noch mit der Schweiz viel zu tun hatte, zeugt nicht von Vertrauen in die hiesige Kuoni-Organisation.

Wie wird sich das alles auf die Wahrnehmung in der Schweiz auswirken? Dass Kuoni zu einem deutschen Veranstalter gehört, haben die Schweizer bereits mitbekommen und verdaut – dass alles nun noch etwas deutscher wird, wird nicht lange nachhallen. Dass aber die neue Eigentümerin keine zwölf Monate nach der Übernahme eine Massenentlassung veranlasst, nachdem man stets zuvor von Eigenständigkeit und «Aufbau statt Abbau» gesprochen hatte, wird DER Touristik viele Minuspunkte einbringen.

Deutsches Produkt mit Schweizer Etikette

Die Produkte bleiben weiterhin mit «Kuoni» bzw. «Helvetic Tours» angeschrieben – mit dem Vorteil, dass die Marken in Deutschland nicht verwendet und damit von der Öffentlichkeit weiterhin als schweizerisch angesehen werden. Auf der Fernstrecke wird es sogar wieder mehr Kuoni-Produkte geben, das Portfolio wird kompletter. Wenn aber 69 Mitarbeiter in Zürich durch ein zwölfköpfiges Team in Frankfurt ersetzt werden, welches das Produkt aus der gesamten DER-Palette zusammenstellt, kann man nicht mehr wirklich von einem eigenständigen Kuoni-Produkt sprechen. Vielmehr ist ein «Best of DER Touristik» mit Kuoni-Etikette zu erwarten.

Kuoni wird damit in der Schweiz ähnlich aufgestellt sein wie TUI, FTI oder Thomas Cook: als Vertriebsorganisation eines internationalen Konzerns. Das muss nichts Schlechtes sein – entscheidend ist nicht die Struktur, sondern die Produktequalität und der Preis. Ob die Qualität gehalten werden kann, wird sich zeigen; preislich wird es sicher Vorteile geben. Und nicht zuletzt spielt die Buchbarkeit eine Rolle: Wenn Kuoni dann endlich wieder normal im Cets buchbar ist, wird der Veranstalter auch im Agentenvertrieb wieder beliebter.

stefan_jaeggiStefan Jäggi
Chefredaktor TRAVEL INSIDE