Touristiker üben Kritik: «Die Quarantäne-Liste macht keinen Sinn»

Tourismus und Politiker wollen die Quarantäne-Regeln durch striktes Testen ersetzen. 
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Seit Freitag kamen innert weniger Tage wieder 23 Länder (Stand 30.11. 0.00 Uhr) auf die Quarantäneliste, unter anderem auch europäische Staaten wie die Niederlande, das Vereinigte Königreich, Dänemark oder Portugal.

Alle Rückkehrer über 16 müssen bei der Einreise in die Schweiz ein negatives Testergebnis – einen PCR oder Antigen-Schnelltest – vorweisen. Im Anschluss müssen alle für zehn Tage in Quarantäne – auch wenn sie geimpft oder genesen sind. Zwischen dem vierten und dem siebten Tag nach der Einreise muss ein zweiter Test durchgeführt werden. Ein Frei-Testen ist nicht möglich. 

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die von der EU und anderen Ländern verhängten Reisebeschränkungen wegen der Coronavirus-Variante Omikron kritisiert. «Pauschale Reiseverbote werden die internationale Ausbreitung nicht verhindern, und sie stellen eine schwere Belastung für Leben und Existenzgrundlagen dar», erklärt die WHO in Genf. Solche Verbote könnten sich sogar negativ auswirken, indem sie Länder davon abhalten, Daten zu melden und auszutauschen.

Südafrika, wo die Variante entdeckt worden war, klagt darüber, dass es nun bestraft werde. Die WHO empfahl: «Die Länder sollten bei der Umsetzung von Reisemassnahmen weiterhin einen faktengestützten und risikobasierten Ansatz anwenden.» Das könne etwa bedeuten, dass Passagiere vor der Abreise und bei der Ankunft getestet und gegebenenfalls in Quarantäne geschickt werden.

Zudem rät die WHO besonders gefährdeten Menschen, Reisen zu verschieben. Dazu gehörten über 60-Jährige sowie gesundheitlich angeschlagene Personen, heisst es in einer Erklärung. 

Auch Schweiz Tourismus übt Kritik an Quarantäneregelung 

Nicht nur Schweizer Reisende wurden überrumpelt, auch im Ausland schrecken die Quarantänemassnahmen ab. So sagen seit Freitag ausländische Gäste reihenweise ihre Ferien in der Schweiz ab.

«Die neue Mutation und die resultierenden Gegenmassnahmen kommen zu einem ungünstigen Zeitpunkt für den Schweizer Tourismus», sagt Markus Berger von Schweiz Tourismus gegenüber «20min». Die aktuelle Ungewissheit über die weitere Entwicklung führe zu einer generellen Verunsicherung bei Gästen weltweit. «Sie legen ihre Reiseplanung und -buchung deshalb vorläufig auf Eis – ausgerechnet kurz vor der Wintersaison.» 

Berger kritisiert die Quarantäneregelung scharf: «Sie ist von der Realität eingeholt worden, da die Omikron-Variante bereits in sehr vielen Ländern gefunden wurde.» Reisebeschränkungen und Quarantänebestimmungen machten deshalb keinen Sinn und sollten raschmöglichst durch ein striktes Testregime ersetzt werden, so Berger. 

BAG will Verbreitung verlangsamen 

SVP-Nationalrat Thomas Aeschi fordert ein strengeres Testregime sowie mehr und bessere Grenzkontrollen: «Es darf nicht sein, dass man weiterhin mit dem Auto oder Zug in die Schweiz fahren kann, ohne kontrolliert zu werden.» Die Schweiz müsse sich ein Beispiel an Israel nehmen, das seine Grenzen hermetisch abgeriegelt habe. Dass die Kontrollmechanismen sogar bei einreisenden Flugpassagieren nicht funktionierten, sei frustrierend, sagt Aeschi. 

Auch der Obwaldner Mitte-Ständerat Erich Ettlin sagt: «Mittlerweile ist Omikron vermutlich in allen Nachbarländern. Jetzt kann man nur noch entweder konsequent die Grenzen dicht machen oder auf striktes Testen bei der Einreise setzen.» Geschlossene Grenzen hält er aber für wenig realistisch: «So würde man den Tourismus komplett abwürgen. Es bleibt uns wohl nur, die Quarantäne aufzugeben und sämtliche Einreisende zu testen.» 

BAG-Direktorin Anne Lévy verteidigt die harten Quarantäne-Regeln an einer Pressekonferenz am Dienstag, 30.11.: «Wir sind uns bewusst, dass sich Omikron auch mit den Quarantänemassnahmen nicht ewig aus der Schweiz raushalten lässt. Wir können die Verbreitung aber verlangsamen, das ist momentan zentral.» Zunächst müsse die fünfte Welle, die durch die Delta-Variante verursacht werde, gebrochen werden. «Eine gleichzeitige Zirkulation von Omikron und Delta in der Schweiz würde das Gesundheitssystem überlasten», so Levy. 

Es besteht Hoffnung
Porträt André Lüthi
André Lüthi Foto: zVg

An der gestrigen Pressekonferenz des Bundesrats kam in Bezug auf die Quarantäneliste Hoffnung auf, dass die Liste bald wieder verschwinden könnte. «Es ist im Moment nicht ideal, wir sehen das, und daher die vertiefte Diskussion im Bundesrat am Freitag», sagte Alain Berset.

Auch André Lüthi, CEO Globetrotter Group AG und Fachexperte Politik des Schweizer Reise-Verbands, beruhigt die Gemüter: «Warten wir ab bis Freitag – der Bundesrat ist an der Sache dran.»

(Yannick Suter)